Wehen-Mittel Cytotec: Nach heftiger Kritik wehren sich nun die Ärzte
Autor: Redaktion
Berlin, Dienstag, 25. Februar 2020
In mehr als der Hälfte aller deutschen Kliniken wird ein Medikament zur Geburtseinleitung benutzt, das hierfür nicht zugelassen ist: Cytotec. Aber ist das die ganze Wahrheit hinter der Diskussion? Die Gesellschaft für Gynäkologie sieht das etwas anders.
Das Magenmedikament Cytotec wird seit Jahren für einen anderen Anwendungsbereich verwendet: die Geburtshilfe - und das ohne Zulassung dafür. Nach Recherchen des Bayrischen Rundfunks und der Süddeutschen Zeitung sei das Medikament ein weit verbreiteter Weg, um die Wehen einzuleiten - trotz mangelnder Untersuchungen hinsichtlich Folgen und Gefahren für das Kind und die Mutter. Aber kann man es sich mit dieser Bewertung wirklich so einfach machen?
Nach der Berichterstattung von BR und SZ wurde eine Diskussion über das Medikament angestoßen, in die sich nun auch die Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) eingeschaltet hat. Daraufhin griffen Die Zeit und auch die Süddeutsche Zeitung das Thema erneut auf.
Umstrittenes Medikament Cytotec: Gynäkologen beziehen Stellung
In der von Prof. Dr. Sven Kehl und Prof. Dr. Michael Abou-Dakn verfassten Pressemitteilung für die DGGG heißt es, "entgegen der Berichterstattung ist der Wirkstoff Misoprostol zur Geburtseinleitung bei geburtshilflichen Experten nicht umstritten." Es gebe keinen Wirkstoff, der ähnlich gut in Studien untersucht wurde, die zu der unstrittigen Evidenz führten, Misoprostol sei das "effektivste Medikament zur Geburtseinleitung."
Zwar sei richtig, dass das Medikament potenzielle Nebenwirkungen wie Fieber, Zittern oder Überstimulation haben kann. Allerdings könne man die in der Berichterstattung erwähnten Fälle, in denen Mütter oder Kinder sogar starben, nicht auf das Medikament, sondern auf ärztliche Fehler zurückführen.
Wenn im Vorfeld der Geburt eine Operation der Gebärmutter stattgefunden hat, darf der Wirkstoff nicht mehr verwendet werden. Die Gefahr von Gebärmutterrissen sei dadurch entsprechend für Mutter und Kind erhöht. "In dieser Situation darf Misoprostol nicht zur Geburtseinleitung verwendet werden," heißt es in der Pressemitteilung, "was seit vielen Jahren bekannt ist und im klinischen Alltag beachtet werden muss." Die Verwendung sei, sagte Abou-Dakn der Zeit, seit Jahren Routine.
"Wir wollen den Schaden begrenzen, den die Verunsicherung über ein wirksames und sicheres Medikament gerade verursacht", sagte Abou-Dakn weiter. Das Fehlen der Zulassung in Deutschland hänge mit dem Preis zusammen. Für das Pharmaunternehmen Pfizer, das Cytotec in Deutschland vertreibt, ergebe es wenig Sinn, für ein kaum Gewinne abwerfendes Medikament teure Zulassungsstudien durchführen zu lassen.