Björn Höcke spaltet Kulmbach
Autor: Christoph Hägele
Kulmbach, Sonntag, 16. Februar 2020
Ausnahmezustand in Kulmbach. Vor der Halle demonstrierte am Freitagabend die gesellschaftliche Mehrheit. Drinnen attestierte der umstrittene AfD-Politiker Björn Höcke seinen Anhängern "Mut" und "Zivilcourage".
Wer zu Björn Höcke wollte, musste sich zuerst noch als "Nazi, Nazi" schmähen lassen. Aber nein, er fühle sich von den Demonstranten nicht angesprochen, sagte ein Mann am Eingang der Kulmbacher Dr.-Stammbergerhalle. Er wolle sich heute Abend ein Bild von Höcke machen, das müsse doch erlaubt sein: "Aber von Meinungsfreiheit haben die da drüben wohl noch nix gehört."
"Die da drüben" auf dem Eku-Platz demonstrierten mit Fahnen, Plakaten und Gesängen gegen den Besuch des umstrittenen AfD-Politikers. Auf knapp 1000 schätzte die Polizei ihre Zahl. Vorne am Absperrgitter ein Mann und seine Frau. Beide tief in ihren Sechzigern, beide weiß Gott keine Profis im zivilgesellschaftlichen Widerstand: "Das letzte Mal auf einer Demo waren wir wegen Hartz IV", sagte die Frau. "Jetzt haben wir wieder Angst um das Land", sagte ihr Mann. Alles Nazis also, die an ihnen vorbei zu Höcke laufen? Nein, nicht alle, sagte der Mann: "Aber Höcke, der schon."
Brüder im Geiste
Drinnen in der mit 300 Menschen schnell bis auf den letzten Platz besetzten Halle: mehr Männer als Frauen, mehr Alte als Junge, mehr Funktionsjacken als Sakkos.
Höcke zu Besuch in Kulmbach, das ist besonders nach der unerhörten Begebenheit im Thüringer Landtag ein Coup für den AfD-Kreisvorsitzenden Georg Hock: "Wir haben Höcke wohl exklusiv in Bayern." Hock und Höcke: Sie kennen einander, sie schätzen einander. Beide sind Brüder im Geiste, als Unterzeichner der "Erfurter Erklärung" gehören sie dem völkischen "Flügel" an. Dass die Einladung des AfD-Rechtsauslegers im Kampf um das Kulmbacher Rathaus bürgerliche Wähler verschrecken könnte, glaubt Hock nicht. Für ihn ist bereits die Frage falsch gestellt: "Höcke ist doch ein bürgerlicher Politiker."
In Wahrheit dürfte Hock nichts so sehr fürchten wie den Tag, an dem kein Gegendemonstrant mehr eine AfD-Veranstaltung säumt. Instinktsicher nutzte Hock deshalb auch den emotionalen Ausbruch einer im Saal sitzenden AfD-Gegnerin, um die Gegner für ihre mutmaßlich Intoleranz zu geißeln.
Die AfD will ein Kult des heroischen Außenseitertums sein. "Mut zur Wahrheit" prangte auf einem Plakat über der Bühne. Ungezählte Male sprachen Höcke und seine Vorredner vom Kampf für die "Meinungsfreiheit" und vom "Mut" und der "Zivilcourage", die es koste, sich zur AfD zu bekennen.
Mit den vom Band eingespielten "Born to be wild" und "Another brick in the wall" vereinnahmte die AfD am Freitag sogar zwei Hymnen der antiautoritären Linken für ihre eigene Selbststilisierung. Die Revolutionäre und Unangepassten, das sind jetzt wir: Das ist das Versprechen der AfD an ihre Anhänger.