Einbruchs-Zahl auf höchstem Stand seit 20 Jahren
Autor: Redaktion
Berlin, Mittwoch, 30. März 2016
Bei der Zahl an Wohnungseinbrüchen ist Bayern keine Insel der Seeligen. Die Täter sind zunehmend professionell agierende Banden aus dem Ausland.
So viele Deutsche wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr sind im vergangenen Jahr Opfer eines Wohnungseinbruchs geworden. Binnen eines Jahres stieg die Zahl der polizeilich registrierten Fälle um 9,9 Prozent auf 167 136. Das ist der höchste Wert seit 1993. Das geht nach einem Bericht der Zeitung "Welt" aus den vorläufigen Zahlen der bundesweiten polizeilichen Kriminalitätsstatistik hervor, die Innenminister Thomas de Maizière (CDU) voraussichtlich im Mai vorstellen wird und die sein Haus am Mittwoch nicht kommentieren wollte.
Überdurchschnittlich stark nahm die Zahl der Wohnungseinbrüche nach Auswertung der Kriminalitätsstatistiken der Länder in Hamburg (plus 20,2 Prozent), in Nordrhein-Westfalen (plus 18,2 Prozent) und in Niedersachsen (plus 13,1 Prozent) zu. Gegen den Bundestrend sank sie dagegen sowohl in Baden-Württemberg als auch in Bayern deutlich.
Bayern: "Moderate Entwicklung"
So gab es im Südwesten nach Angaben von Innenminister Reinhold Gall (SPD) nach acht Jahren des Anstiegs 2015 einen Rückgang der Wohnungseinbrüche um knapp zehn Prozent, gleichzeitig verbesserte sich die Aufklärungsquote um 3,3 Punkte auf über 17 Prozent. Im weiß-blauen Freistaat konnte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) eine "moderate Entspannung" bei den Einbrüchen vermelden, die Zahl sank um 8,9 Prozent auf 7480 Delikte. 15,9 Prozent der Fälle konnten aufgeklärt werden. Insgesamt stieg nach den vorläufigen Zahlen aus den Ländern die Zahl aller Straftaten im vergangenen Jahr um 4,1 Prozent auf 6,33 Millionen Fälle, von denen 56,3 Prozent aufgeklärt werden konnten, das ist ein Plus von 1,4 Punkten im Vergleich zu 2014. Fast 40 Prozent aller Straftaten sind Diebstahlsdelikte.So nahm nicht nur die Zahl der Wohnungseinbrüche deutlich zu, sondern es erhöhten sich auch die Ladendiebstähle um 7,1 Prozent auf 391 401 Fälle und die Taschendiebstähle um sieben Prozent auf 168.142 Delikte. Zudem wurden 36.507 Autos gestohlen, 0,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Einen leichten Rückgang verzeichnete die Polizei beim Diebstahl von Fahrrädern, die Zahl der registrierten Fälle sank um 1,3 Prozent auf 335 174 Fälle.
Schon im vergangenen Jahr hat Innenminister Thomas de Maizière das Bundeskriminalamt (BKA) beauftragt, ein Konzept zur besseren Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu erarbeiten. Denn nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden sind zunehmend straff organisierte und professionell agierende Banden aus dem osteuropäischen Raum, aus Nordafrika sowie aus Georgien für die steigende Zahl an Wohnungseinbrüchen verantwortlich. So gelang es jüngst der Kriminalpolizei in Ludwigsburg, einer Gruppe von Tätern aus Ost- und Südosteuropa rund 60 Wohnungseinbrüche nachzuweisen.
Sichtbare Polizeipräsenz wichtig
Nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist der Anstieg der Wohnungseinbrüche "die zwangsläufige Folge des jahrelangen Personalabbaus bei der Polizei".Das Einzige, was dagegen helfe, "ist ein hoher Ermittlungsdruck und eine sichtbare Präsenz der Polizei, vor allem in Wohngebieten und zu bestimmten Tageszeiten", sagte der stellvertretende GdP-Vorsitzende Jörg Radek. "Von bloßen Beschwichtigungen und Ankündigungen lassen sich organisierte Kriminelle nicht abschrecken."
Moderne Sicherungstechnik
Radek forderte zudem, die Bürger beim Einbau von moderner Sicherungstechnik in ihren Wohnungen und Häusern spürbar zu entlasten. Da es den Tätern darauf ankomme, möglichst schnell zuzuschlagen, würden viele Einbruchsversuche durch entsprechende technische Schutzvorrichtungen ins Leere laufen. Radek schlug unter anderem zinslose Darlehen der staatlichen Förderbank KfW vor.
Kommentar von Martin Ferber: Keinen Gang zurückschalten
Wie sicher ist Deutschland? Die furchtbaren Terroranschläge in Brüssel in der Karwoche sowie in Paris im November und Januar vergangenen Jahres mit ihren zahlreichen unschuldigen Opfern haben auch bei den Menschen in diesem Land ein Gefühl von Unsicherheit, Besorgnis und Angst ausgelöst. Gegen diese Beklemmung hilft nicht einmal ein Blick in die Statistik, der belegt, dass die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Anschlags zu werden, extrem niedrig ist.
Dagegen ist es um ein vielfaches wahrscheinlicher, Opfer eines Wohnungseinbruchs zu werden. Nach den vorläufigen Zahlen der polizeilichen Kriminalitätsstatistik stieg die Zahl der Einbrüche binnen eines Jahres um zehn Prozent und erreichte mit 167.136 Fällen einen neuen Rekordwert.Erfreulich dagegen die Entwicklung in Bayern und Baden-Württemberg - dort ging die Zahl der Einbrüche zurück. Und auch wenn dabei Leib und Leben nicht in Gefahr sind und "nur" Geld, Schmuck oder andere Wert- und Einrichtungsgegenstände gestohlen werden, sind die Erfahrungen für die Opfer oftmals traumatisch.
Sicherheitsbehörden und Politik sollten den Kampf gegen Einbrecher genauso ernst nehmen wie die Bekämpfung der Gewaltkriminalität. Denn laut Polizei sind es hochspezialisierte Banden aus dem Bereich der organisierten Kriminalität, die aus dem Ausland agieren und vom Europa der offenen Binnengrenzen profitieren. Der Kampf gegen den Terrorismus, so wichtig er ist, darf nicht dazu führen, dass der Staat bei der Verfolgung anderer, vermeintlich weniger relevanter Straftaten einen Gang zurückschaltet. Denn auch dies sorgt für ein Gefühl der Unsicherheit, Besorgnis und Angst.