Druckartikel: Barschel-Affäre in der ARD und die Frage: War es Mord oder Selbstmord?

Barschel-Affäre in der ARD und die Frage: War es Mord oder Selbstmord?


Autor: Redaktion

Berlin, Freitag, 05. Februar 2016

Am Samstag zeigt die ARD den Film "Der Fall Barschel". Ob der Film die Mordtheorie stützt, erklärt der Film-Barschel Matthias Matschke im Interview.
Diese Pressekonferenz schreibt Geschichte: Am 18. September 1987 erklärt Uwe Barschel (im Film gespielt von Matthias Matschke, Mitte): "Über diese Ihnen gleich vorzulegenden eidesstattlichen Versicherungen hinaus gebe ich Ihnen mein Ehrenwort - ich wiederhole: Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort! -, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind."  Foto: S. Rabold/ARD Degeto


Die Barschel-Affäre ist eine der größten Politskandale in der Geschichte der Bundesrepublik. Als dann noch die Leiche des kurz zuvor von seinem Amt als schleswig-holsteinischer Ministerpräsident zurückgetretenen CDU-Politikers Uwe Barschel am 11. Oktober 1987 von einem Reporter des "Stern" in einem Genfer Luxushotel entdeckt wurde, kamen sofort wilde Spekulationen auf.


Barschel: War es Selbstmord oder Mord?

War es Selbstmord oder Mord? Fragen, die nie zufriedenstellend geklärt wurden. Barschel starb an einer Medikamentenvergiftung, das Hotel galt als Treffpunkt von Waffenhändlern - und das Foto des Toten auf dem "Stern"-Titel löste eine große Debatte aus. Mit all dem befasst sich das TV-Drama "Der Fall Barschel" am Samstag um 20.15 Uhr in der ARD. In der Hauptrolle ist Matthias Matschke zu sehen, der durch die Comedyserie "Ladykracher" bekannt wurde.
Er ist auch neuer Kommissar im Magdeburger "Polizeiruf 110".

Herr Matschke, die Barschel-Affäre hat 1987 die Bundesrepublik bewegt. Welche Erinnerungen haben Sie persönlich daran?
Matthias Matschke: Sehr intensive, weil das meinen Glauben an Aufrichtigkeit in der Politik nachhaltig erschüttert hat. Ich war damals noch auf der Schule, stand kurz vor dem Abitur und habe plötzlich gemerkt, dass es mit der Integrität einzelner Politiker, aber auch anderer Beteiligter, nicht weit her ist.

Das Bild vom toten Barschel in der Badewanne des Genfer Hotels "Beau-Rivage" ist in Erinnerung geblieben. Sie stellen das Bild im Film nach. Wie war das?
Da wurde mit großer Akribie gearbeitet, Barschels Krawatte wurde sogar noch einmal umgefärbt, weil sie nicht 100-prozentig mit dem Original übereingestimmt hat, die Haltung der Hände wurde zentimetergenau nachgestellt und so weiter. Wir haben uns ganz bewusst um größtmögliche Korrektheit bemüht und uns damit auch eine gewisse Freiheit erkauft. Damit meine ich, dass wir das, was man von der ganzen Geschichte weiß, korrekt abgebildet haben, um die vielen Lücken, die man nicht kennt, mit der größtmöglichen Souveränität fiktional schließen zu können.

Ging Ihnen die Szene an die Nieren?
Das war schon eine komische Erfahrung. Wir haben die Szene im Studio gedreht, ein ganz normaler Drehalltag, könnte man meinen. Aber als ich in der Wanne lag, fühlte es sich für mich an, dass ich die letzten Minuten im Leben eines Menschen darstelle, und das kannte ich in dieser Form so nicht. Ich bin auf der Theaterbühne zwar schon viele Tode gestorben, aber diesmal war es doch etwas Besonderes. Man ist mit sich allein, das Wasser ist um einen rum, und man denkt sich: Vor knapp 30 Jahren lag jemand in der Wanne und hat seine letzten Züge getan. Das hat mich in dem Moment voll erwischt, das kann man nicht einfach wegdrücken.

Wie nähert man sich einer so komplexen Figur?
Uwe Barschel ist ein Phänomen. Er wirkte rastlos, mitunter fahrig und gleichzeitig fokussiert und strebsam bis zur Übererfüllung. Ich habe mich in der Arbeit immer wieder gefragt, woher dieses Getriebene kommt: Wie greift man jemanden, der stets dem eigenen Bild hinterherläuft, so als würde er sich selbst nachahmen? Das war sozusagen mein Ansatz. Die Selbstinszenierung Barschels, seine Homestorys, die Wahlkampfauftritte und der öffentlichkeitswirksame Kontakt mit den Bürgern wirken aus unserer Sicht noch sehr naiv. Aber gerade darin, in den offenliegenden Strukturen der Anhäufung von Macht lag mein Zugang zu Barschel.

Man kennt Sie hauptsächlich als Comedian, die Rolle als Barschel ist ungewohnt.
Das mag vielen so vorkommen, aber ich habe ja auch schon viele ernsthafte Rollen gespielt, ob am Theater oder im Film. Die Mitwirkung in so wunderbaren Formaten wie "Pastewka" hat sicherlich zu einer gewissen Popularität beigetragen, das stimmt schon. Aber es war nie so, dass ich nur Comedy gemacht hätte. Ich werde oft angesprochen auf meine Arbeit in der Krimireihe "Helen Dorn", und ich bin gespannt, wie die Zuschauer auf meine Arbeit als Kommissar in den "Polizeiruf 110"-Krimis aus Magdeburg reagieren werden. Und gerade am Theater habe ich die verschiedensten Rollen gespielt - von saukomisch bis tiefernst.

Sie treffen im Film die Sprechweise Barschels sehr genau.
Das war in einer sehr dunklen Ecke meiner Erinnerung noch aufbewahrt, und als man mir die Rolle antrug, waren mir zuerst wieder diese näselnde Stimme und Barschels besonderer Sprechgestus präsent. Das hatte mich sofort wieder. Um mir das richtig anzueignen, habe ich mir ganz viele Videos von ihm angeschaut.

Wie würden Sie jemanden, der so spricht, charakterisieren?
Ich würde sagen, das ist jemand, der nach Rechtfertigung sucht und sich dafür eine bestimmte Sprechtechnik angeeignet hat - aber so sperrig, als hätte er sie im VHS-Kurs gelernt. Barschel hat ja in der Tat Rhetorik-Kurse gemacht. Man konnte bei ihm aber auch ganz stark heraushören, dass er Jurist war, diese Überkorrektheit fällt sofort auf.

Müssen Sie eine Figur mögen, um sie spielen zu können?
Nein, das ist nicht nötig. Ich als Schauspieler denke nicht in den Kategorien "mögen" oder "nicht mögen". Es geht mir vielmehr darum, einen Menschen mit vielen Eigenschaften darzustellen, mit denen ich mich intensiv beschäftige. Wenn man die Sache so betrachtet, ist das eine unheimliche Befreiung, weil man sonst eine Verpflichtung eingeht, die überhaupt nicht notwendig ist.

War es nun Selbstmord oder Mord?
Das weiß ich nicht. Ich habe zu dieser Frage zwar eine Meinung, aber die werde ich nicht verraten.

Das Gespräch führte Martin Weber