50 Shades of Grey - Alles gar nicht so schlimm
Autor: Berthold Köhler
Berlin, Mittwoch, 11. Februar 2015
Einen Tag vor dem Bundesstart war "50 Shades of Grey" am Mittwoch bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin zu sehen. Einen Sturm der Entrüstung lösten die SM-Sexszenen dabei wenig überraschend nicht aus.
Da muss man kein Prophet sein: Dieser Film ist das Kinoereignis des Jahres! Seit Monaten wird spekuliert, diskutiert und (besonders gerne im Internet) darüber fabuliert, was denn das Publikum bei "50 Shades of Grey" erwarten würde. Seit Mittwoch wissen es die ersten Kinofans. Zumindest die gut 1000, die eines der begehrten Tickets für die Weltpremiere im Rahmen der 65. Internationalen Filmfestspiele in Berlin ergattern konnten: "50 Shades of Grey" wird kein Skandalfilm werden. Nicht in der heutigen Zeit.
Wer schon ein bisschen länger ins Kino geht, fühlt sich bei "50 Shades of Grey" zwangsläufig an die späten 80er-Jahre erinnert. Da schlug "9 ½ Wochen" ein wie eine Bombe.
Heute findet Aufklärung hauptsächlich im Internet statt; da lösen die damals skandalösen Sexszenen mit Mickey Rourke und der atemberaubenden Kim Basinger freilich selbst bei jungen Zuschauern nur ein müdes Lächeln aus.
Dass, was Jamie Dornan (Christian Grey) und Dakota Johnson (Anastasia) auf der Leinwand treiben, ist - naja - auch nicht das, was man nach dem Online-Hype befürchten musste. Aber vielleicht erwartet man einfach zu viel bei einem Film, für den es zum Beispiel in Coburg - erzählte der dortige Kinobesitzer Oskar Heublein - schon zur Weihnachtszeit jede Menge Anfragen auf Kartenreservierungen für die erste Vorstellung am Donnerstag gab. Von Frauen, übrigens.
Das ist sowieso faszinierend an "50 Shades of Grey": Einen Frauenfilm, der zum Massenphänomen werden könnte, den gab es bisher noch nie. Oder nur sehr selten. "Dirty Dancing", vielleicht ... Die Geschichte der ersten zwei Stunden "50 Shades of Grey" ist sowieso schnell erklärt: Naive studentische Jungfrau lernt auf höchst klischeehafte Weise erfolgreichen Jungmilliardär kennen und lieben. Problem: Herr Milliardär liebt es, seine Liebe im Schlafgemach auf recht fesselnde Art und Weise auszuleben. "Ich unterwerfe alles meiner Kontrolle", sagt Grey am Anfang des Filmes. Klare Worte, da weiß jeder Bescheid. Viel mehr braucht man auch wirklich nicht zu wissen. Die meisten der Zuschauer, die in "50 Shades of Grey" strömen werden, wissen natürlich mehr. 70 Millionen Mal hat sich die Roman-Trilogie von E. L. James schließlich weltweit verkauft.
Keine Plakat-Models
Erstaunlich ist bei der Verfilmung unter der Regie der bislang völlig unbekannten Sam Tylor-Johnson, dass kein Hochglanzmovie entstanden ist. Freilich: Jamie Dornan und Dakota Johnson sind ein hübsches Pärchen - aber sie sind nicht so hübsch, dass sie einem den Atem verschlagen. Und das ist gut so. Denn so kann sich eine Beziehung aufbauen - nicht nur zwischen dem Liebespaar, sondern auch zwischen der Geschichte und dem Publikum. Beide Hauptdarsteller sind keine Plakat-Models, sondern wirken glaubhaft.
Das ist mehr als man nach all den Vorab-Schelten vermeintlicher Fachleute erwarten konnte. Da macht es auch nichts, dass manche Dialoge der frisch Verliebten so klingen als hätte sie die süße Sophie Marceau in "La Boum" schon 1980 gesprochen.
Was in all dem Trubel rund um "50 Shades of Grey" ein bisschen untergegangen ist: Die Universal Studios sind nicht so dumm und haben aus dem Roman-Dreiteiler einen einzigen Zwei-Stunden-Film gemacht. Natürlich bricht die Geschichte nach den ersten SM-Spielrunden auf der Leinwand ab und schmeißt dem Publikum ein offenes Ende hin. Wer sich also von seiner Frau zu einem Kinobesuch überreden lässt, sollte wissen: Mit einer Runde, da ist man bei "50 Shades of Grey" noch lange nicht durch.