Druckartikel: Packing: Was steckt hinter Mehmet Scholls Lieblingswort?

Packing: Was steckt hinter Mehmet Scholls Lieblingswort?


Autor: Io Görz

Bamberg, Dienstag, 21. Juni 2016

Fußball ist schon lange eine Spielwiese für Datenanalysten. Ein neues Reizwort hat Mehmet Scholl in Umlauf gebracht: Packing. Doch was heißt das überhaupt?
Foto: Rainer Jensen/dpa


Wenn Taktik-Junkies und Analysten über Fußball reden, bekommt man den Eindruck, es geht etwa um 22 junge Menschen, die gegen einen Ball treten, sondern um Rasenschach. Dabei werden immer wieder Taktiken und Kennzahlen propagiert, die Erkenntnisse über abgelaufene und anstehende Partien bringen sollen.

Bei der EM 2016 geistert ein neues Reizwort durch die Fußballmedien: Packing. Vor allem in Mehmet Scholl, der für die ARD die Spiele der Europameisterschaft in Frankreich begleitet, hat dieser Begriff einen großen Fan gefunden.


Was ist Packing?

Packing ist eine Analysemethode, um die Spielstärke von Fußballmannschaften zu messen. Die Methode wurde entwickelt, weil klassische Parameter wie Ballbesitz, Anzahl der Eckbälle und Torschüsse nicht immer die tatsächliche Kräfteverhältnisse in einem Fußballspiel wiedergeben.

Die - an sich etwas banale - Grundannahme des Packing ist, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Torerfolg steigt, je weniger Gegner zwischen einem angreifenden Spieler und dem gegnerischen Tor stehen. Erscheint logisch, denn wenige Gegner auf dem Weg zum Tor heißen weniger Gelegenheiten, den Ball zu verlieren.

Aus dieser Annahme lassen sich einige Kennzahlen ableiten, um die Leistung einer Mannschaft zu messen. So werden bei der Analyse aus dem Spiel genommene ("überspielte") Gegner aufsummiert. Spielt ein Fußballer einen erfolgreichen Pass zu seinem Mitspieler, werden die gegnerischen Spieler zwischen ballführendem Spieler vor und nach dem Pass gemessen. Die Differenz wird notiert und jedes Mal aufsummiert. Diese Kennzahl kann man jedem Spieler als Passgeber oder -empfänger zu Gute schreiben oder insgesamt einer ganzen Mannschaft. Analog dazu gibt es entsprechende Zahlen auch für aus dem Spiel genommene Gegner durch Balleroberung und umgekehrt für wieder ins Spiel gebrachte Mitspieler durch Balleroberung.

Auf diese Art kann zu jedem Zeitpunkt eines Spiels einzelnen Spielern oder einer Mannschaft ein Spielstärkewert zugemessen werden und für die Analyse der Leistung herangezogen werden.


Kritik an der Methode und der Präsentation

Packing hat allerdings bei vielen Fans während der EM hauptsächlich Spott hervorgerufen. Die häufige Erwähnung vor allem durch Mehmet Scholl nervt viele Zuschauer, die sich entsprechend hämisch in sozialen Netzwerken äußerten. Das ZDF hat komplett auf diese Analysemethode verzichtet, laut dem Pressesprecher des Senders wolle man die Analyse nicht überladen.

Kritik erntete die Verwendung der Methode bei der ARD auch deshalb, weil man beim Sender dem Miterfinder der Methode, Stefan Reinartz, sehr viel Sendezeit einräumte. Der Studiogast von Matthias Opdenhövel und Mehmet Scholl hat zusammen mit seinem ehemaligen Trainingskollegen Jens Hegeler die Methode entwickelt und hierfür eine eigene Firma, die Impect GmbH, gegründet. Stefan Reinartz war lange Jahre Profispieler bei Bayer 04 Leverkusen, spielte aber auch kurzzeitig beim 1. FC Nürnberg.

Die Möglichkeit für Reinartz, vor Millionen Zuschauern Werbung für die eigene Geschäftsidee zu machen, hat für viel Kritik gesorgt. Gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Stern" erklärte eine Pressesprecherin des WDR, man habe sich dazu entschieden, Stefan Reinartz vorzustellen, damit "der Zuschauer über die Entstehung-und Entwicklungsgeschichte informiert wird und somit auch ein anderes Verständnis für die Analyse erzeugt wird."

Den meisten Zuschauern wird es aber wohl eher gehen wie Jerome Boateng - der antwortete auf einer Pressekonferenz auf die Frage nach Packing: "Ich weiß nicht, was das ist."