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EM 2024: Nach saftiger EM-Kritik in US-Zeitung - Bahn-Schelte reißt nicht ab


Autor: Strahinja Bućan, Agentur dpa

Deutschland, Dienstag, 25. Juni 2024

Die Bahn hat nicht den besten Ruf in Deutschland - Verspätungen, Zugausfälle und überfüllte Wagons sind an der Tagesordnung. Nun steht der Beförderer auch international in der Kritik. Denn nicht einmal zur EM läuft der Schienenverkehr reibungslos.


Besonders heftig erwischte es österreichische Fans, die in der vorigen Woche zum EM-Auftakt ihrer Auswahl gegen Vizeweltmeister Frankreich (0:1) mit dem Zug anreisten. Sie bekamen mit voller Wucht die Bahn-Probleme zu spüren, mit denen Reisende in Deutschland tagtäglich konfrontiert sind.

Die Kronen-Zeitung erzählte die Geschichte von einem Vater, der mit dem Sohn frühmorgens in Wien losfuhr, dann in Passau und Würzburg strandete, zwischendurch auf Taxi und Bus ausweichen musste und schließlich erst mit mehrstündiger Verspätung im Stadion von Düsseldorf ankam. Als die beiden ihre Plätze erreichten, waren schon 70 Minuten gespielt. "Es war alles wie verhext", sagte der Wiener.

Ausländische Fans entsetzt - Bahn sorgt für anhaltende Kritik

Auch andere Fangruppen klagten, darunter etwa eine Vereinigung von schottischen Anhängern (Atac). Deutschland habe sie als Gastgeber zwar herzlich willkommen geheißen, schrieb Atac in einem Facebook-Eintrag. Mit dem öffentlichen Verkehr aber habe man "schlechte Erfahrungen" gemacht. Die Züge in München und Köln seien "unzuverlässig und glühend heiß" gewesen und darüber hinaus über jede Art von Limit mit Fahrgästen vollstopft worden.

Zur angeblichen deutschen Effizienz schrieb ein Reporter der renommierten New York Times schon nach den ersten EM-Tagen als Hinweis an die Leser: "Vergessen Sie alles, was Sie meinten zu wissen". In dem Artikel wurde dann vor allem von verstopften U-Bahnen in München vor dem Eröffnungsspiel und stundenlangem Warten auf Gelsenkirchener Bahnsteigen referiert. Negativ aufgefallen seien zudem die Organisation der Fußwege an den Stadien und die deshalb langen Schlangen beim Einlass.

Die New York Times war nicht das einzige ausländische Medium, das sich auf derartige Pannen stürzte. Die englische Daily Mail etwa berichtete von "entsetzlichen Szenen", als tausende Fans nach der Partie England gegen Serbien am frühen Morgen stundenlang auf Trambahnen warten mussten, die sie vom Schalker Stadion in Richtung Hotels brachten.

Bahn-Chaos in der internationalen Presse - "Vergessen Sie alles, was Sie meinten zu wissen"

Wohl prominentestes Opfer der Bahn-Verspätungen ist Philipp Lahm. Der Weltmeister von 2014 und jetzige EM-Orga-Chef hatte es vergangenen Freitag nicht rechtzeitig zum Anpfiff der EM-Begegnung zwischen der Ukraine und der Slowakei (2:1) ins Düsseldorfer Stadion geschafft. "Mich hat es auch getroffen, das ist sehr bitter, dass man zu spät kommt, aber das passiert", sagte Lahm am Sonntagabend in der ARD - nahm die Verspätung insgesamt aber gelassen. Mittlerweile ist er auch wieder mit den Zügen der DB zu EM-Terminen unterwegs.  

Zu den generellen Problemen der Bahn sagte der 40-Jährige jedoch, da hätten alle "als Land" in der Vergangenheit "ein bisschen was versäumt". Die Gesellschaft verändere sich, das Transportmittel auch. "Deshalb müssen wir uns immer wieder anpassen", sagte Lahm. Insgesamt sei das Organisationsteam mit den ersten EM-Tagen sehr zufrieden. Es gebe immer Dinge, die verbessert werden könnten, sagte Lahm, das sei an manchen Standorten auch schon geschehen.

Ähnlich wie Philipp Lahm äußerte sich auch der Fahrgastverband Pro Bahn zu den anhaltenden Problemen im Zugverkehr. Der schlechte Ruf des Beförderers würde bestätigt, so Verbandschef Detlef Neuß gegenüber der Rheinischen Post am Dienstag: "Derzeit wird eher unterstrichen, welche Defizite es bei der Bahn gibt."

"Weckruf": Fahrgastverband Pro Bahn hofft auf Veränderungen bei der Bahn 

Vor allem im Nahverkehr würden die Schwächen angesichts vieler Verspätungen und überfüllter Züge besonders deutlich. In diesem Bereich fehle es an Sonderzügen oder Personal in Bereitschaft. "Selbstverständlich kann das Unternehmen nichts dafür, wenn Straßenbahnen etwa in Gelsenkirchen nicht mit den Massen aus dem Stadion zurechtkommen", sagte Neuß. Wenn sich aber die ganze Welt "über unser Bahnsystem lustig macht, hoffe ich, dass dies auch ein Weckruf für die Politik ist". So könne es nicht sein, dass Milliarden für die Sanierung am Ende doch in die Straße gesteckt würden.

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Die Versprechungen des Bahn-Konzerns vor dem Turnier seien "mehr als optimistisch" gewesen. Nach wie vor gelte die Empfehlung des Verbandes, möglichst früh an die Spielorte zu reisen, wenn man mit der Bahn fahre. Der Deutschen Bahn bleibt da kaum etwas anderes übrig, als um Verzeihung zu bitten. "Es tut uns leid, dass es Philipp Lahm nicht rechtzeitig zum Spiel geschafft hat. Immerhin die zweite Halbzeit konnte er im Stadion schauen. Entschuldigung, lieber Philipp Lahm!", sagte ein Bahn-Sprecher auf Anfrage. 

Es habe immer wieder Störungen auf Hauptachsen des Schienenverkehrs gegeben, hieß es von dem Unternehmen am Wochenende. "Die DB dankt dabei allen Fans für ihre Geduld und Umsicht." Zugleich wurde darauf verwiesen, dass in der Woche drei Millionen Reisende mit IC- und ICE-Zügen quer durch die Republik unterwegs waren. "So viel Bahn wie bei der EM in Deutschland gab es noch nie bei einem internationalen Fußballturnier", hieß es.

Bahn bittet um Entschuldigung - es sei nicht alles schlecht

Bahn-Fernverkehrsvorstand Michael Peterson hatte vor dem Turnier angekündigt, dass das Unternehmen pro Tag 10.000 zusätzliche Sitzplätze im Fernverkehr anbiete. Anstehende Bauarbeiten seien zudem vorgezogen worden, um Verspätungen und Beeinträchtigungen auf wichtigen Strecken während des Turniers zu verhindern. Die Bahn bietet zudem spezielle Euro-24-Tickets an, mit denen die Fahrt zum Spielort nur 29,90 Euro kostet.

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Tatsächlich haben längst nicht alle Bahnreisenden Grund zur Klage in diesem EM-Sommer 2024: Während sich die einen über Unpünktlichkeit und zu vollgestopfte Waggons wundern, sind andere positiv überrascht davon, was DB-Bordbistros zu bieten haben.

Die Bahn bestätigte einen Bericht der Bild am Sonntag und zählte auf: Zwischen dem 14. und 19. Juni wurden 44.588 Liter Bier und damit doppelt so viel wie sonst verkauft. Darüber hinaus wurde etwa 7105 Bratwurstbrötchen wurden bestellt, das sind 63 Prozent mehr als ohne EM. Auch Buttercroissants, Chili con/sin Carne und die Focaccia verkauften sich deutlich häufiger als sonst.

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