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Degenkolb bei der Bayern-Rundfahrt: "Ich komme nach Hause"


Autor: Norbert Felgenhauer

Haßfurt, Mittwoch, 13. Mai 2015

Der 26-jährige Paris-Roubaix-Sieger, in Franken aufgewachsen, ist der prominenteste Radrennfahrer im Feld. Er spricht über seine Ziele und die Bedeutung des Rennens für seine Saison.
John Degenkolb bei der Siegerehrung des Frühjahrs-Klassikers Paris - Roubaix. Foto: Etienne Laurent/dpa


Wer am Sonntag, 17. Mai, in Nürnberg als Sieger der Bayern-Rundfahrt geehrt werden wird, steht noch in den Sternen. Unzweifelhaft aber ist John Degenkolb das große Zugpferd des Profi-Radrennens, das auch nach Ebern und Haßfurt führt. Der 26-Jährige hat unter den deutschen Radrennfahrern in dieser Saison bisher für die meisten Schlagzeilen gesorgt - und zwar ausschließlich positive.

Höhepunkt war sein Sieg beim Eintages-Klassiker Paris - Roubaix. Dieses Rennen gewann er als erster Deutscher nach Josef Fischer, der die erste Auflage dieses wegen seiner vielen Kopfsteinpflaster-Passagen berühmt-berüchtigten Wettbewerbs im Jahr 1896 für sich entschieden hatte, und erfüllte sich damit einen sportlichen Traum. Degenkolb siegte zudem bei Mailand - San Remo, gewann bei der Dubai-Tour eine Etappe und wurde Zweiter der Gesamtwertung.

John Degenkolb, der verheiratet ist und seit diesem Jahr einen Sohn hat, wurde im thüringischen Gotha geboren, wuchs im mittelfränkischen Ettenstadt bei Weißenburg auf und wohnt in Frankfurt am Main. Vor der Bayern-Rundfahrt nahm sich der 1,80 Meter große und 77 Kilogramm schwere Sportler, der seine Laufbahn beim RC Germania Weißenburg begann, derzeit für das Team Giant-Alpecin fährt und sich selbst als Allrounder im Rennsattel bezeichnet, die Zeit, die Fragen zu beantworten.

Auf Ihrer Internet-Seite steht unter dem Punkt "sportliches Ziel" immer noch, "einmal Paris - Roubaix gewinnen". Das haben Sie geschafft. Welche Ziele setzen Sie sich jetzt?
Es gibt einige Ziele, die ich mir für meine Karriere gesetzt habe. In Roubaix zu gewinnen, war sicher eines der wichtigsten. Als nächstes steht die Tour de France an, bei der ich gerne eine Etappe gewinnen würde. Aber auch ein Weltmeistertrikot oder ein Sieg bei der Flandern-Rundfahrt würden mich reizen, und ich hätte auch Lust darauf, noch einmal in Roubaix ganz oben zu stehen.

Zur Bayern-Rundfahrt haben Sie eine besondere Beziehung. Was reizt Sie an diesem Wettbewerb?
Es ist ein deutsches Radrennen und führt dazu durch das Bundesland, in dem ich aufgewachsen bin und wo noch heute meine Eltern leben. Man kann quasi sagen, ich komme nach Hause.

Welchen sportlichen Stellenwert hat die Bayern-Rundfahrt in Ihrer Saisonplanung?
In erster Linie nutze ich die Rundfahrt, um mich auf die Tour de France vorzubereiten. Aber natürlich möchte ich in der Heimat auch gerne eine Etappe gewinnen. Mal schauen, ob mir das gelingt.

In Haßfurt und Umgebung findet ein Einzelzeitfahren statt. Ist das eine Schlüsseletappe für den Gesamtsieg?
Das Zeitfahren ist bei der Bayern-Rundfahrt meist der Abschnitt, auf dem die Rundfahrt entschieden wird. Ich denke, das wird auch in diesem Jahr so sein.

Wenn heute ein Zwölfjähriger zu Ihnen käme und sagen würde, er will Radprofi werden: Würden Sie ihm zuraten?
Ich würde ihm zuraten und ihm sagen, sei zielstrebig, fleißig und ehrlich. Habe Spaß bei dem, was Du tust, gehe Deinen Weg, lerne aus den Dingen der Vergangenheit und achte auf die Menschen, die Dich umgeben. Dann hat er eine Chance, sein Ziel zu erreichen.

Tour-de-France-Flair zwischen Kronach und Haßfurt

19 Radsport-Teams aus zwölf Nationen, von Südafrika bis Dänemark, von Spanien bis Russland, von Frankreich bis Kolumbien, bilden das bunte Feld der Bayern-Rundfahrt, die gestern in Regensburg gestartet wurde. Knapp 130 Fahrer sind dabei und kämpfen um den Gesamtsieg. Ein Schwerpunkt der Veranstaltung, die in der jetzigen Form seit 1989 ausgetragen wird, liegt in diesem Jahr im Landkreis Haßberge, der damit einen Hauch von Tour-de-France-Flair erleben wird.

Ebern am 15. und Haßfurt am 16. Mai sind Etappenstädte. Vor allem das Einzelzeitfahren rund um Haßfurt am vorletzten Tag der Rundfahrt wird wohl die Zuschauer anlocken. Der Kampf gegen die Uhr auf einer gut 26 Kilometer langen Rundstrecke dürfte für den Gesamtsieg eine wichtige Rolle spielen.

Gleich drei große Bergwertungen

Nicht zu verachten ist aber auch der dritte Tagesabschnitt, der von Selb nach Ebern führt. Nach dem zweiten Tagesabschnitt von Waldsassen nach Selb, bei der zwei Bergwertungen der Kategorie I auf dem Programm stehen, haben die Fahrer auf dem Weg von Ostoberfranken nach Unterfranken gleich drei dieser Prüfungen zu absolvieren. Da tritt ein knackiger Anstieg wie der hinauf nach Kloster Banz am Obermain, bei dem die Sportler bereits gut 150 Kilometer in den Beinen haben, fast schon in den Hintergrund.

Außerdem stehen drei Sprintwertungen auf dem Programm, unter anderem in Mitwitz/Steinach und kurz vor dem Ziel auf einer Runde in und um Ebern. Diese Etappe hat auch einen zeitgeschichtlichen Aspekt, denn in Mödlareuth, gut 45 Kilometer nach dem Start, passieren die Fahrer ein Symbol für die ehemalige deutsch-deutsche Grenze - Mahnmal an eine Zeit, in der viele der Fahrer im Feld noch gar nicht geboren waren.

Das Einzelzeitfahren rund um Haßfurt ist der kürzeste Tagesabschnitt. Allerdings ist der Kampf gegen die Uhr, den jeder Fahrer alleine auf sich nimmt, eine besondere Herausforderung. Nur 32 Minuten veranschlagen die Rundfahrt-Verantwortlichen für die 26,1 Kilometer, was heißt, dass die Radsportler mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 50 Kilometern pro Stunde durch die Ausläufer des Steigerwalds sausen werden. Ab 12.11 Uhr bestreiten zudem zehn Fahrer des deutschen Paralympics-Teams ein Zeitfahren. Ab 11 Uhr ist die gesamte Strecke gesperrt, bis der letzte Fahrer sie absolviert hat.

Klettern im Steigerwald

Dass auch der Steigerwald eine Bergwertung der Kategorie I zu bieten hat, werden die Radprofis kurz nach dem Beginn der Schlussetappe buchstäblich erfahren, wenn sie nach dem Start in Haßfurt von Eschenau kommend hinauf nach Fabrikschleichach klettern. In Prölsdorf und Burgwindheim berührt die Rundfahrt kurz den Landkreis Bamberg, ehe sie beim Dreifrankenstein bei Burghaslach nach Mittelfranken führt. Dort endet die Rundfahrt nach insgesamt 830,6 Kilometern am Frauentorgraben in Nürnberg.