Neues Postkartenmotiv für die Stadt
Autor: Sigismund von Dobschütz
Bad Kissingen, Samstag, 25. April 2015
Geschäftshaus in der Weingasse wird saniert - aus Liebe zu Bad Kissingen
Bas Kissingen. Vor fünf Jahren schloss Gastwirt Peter Rößner das Traditionslokal Werner Bräu am Marktplatz. Dann geschah sehr lange nichts und die Kissinger blickten voller Wehmut zum Erkerfenster empor, hinter dem einst um 1900 der Maler Adolph von Menzel gesessen und seine berühmten Skizzen mit Kissinger Motiven gezeichnet hatte. Menzels Eck nannte man seitdem diesen braunen Erker. Ab 2013 sah man dann doch die ersten Handwerker im Haus und heuer im März eröffnete das erste Ladengeschäft in diesem historischen Haus am Marktplatz (Weingasse 1).
Zwar lautet die amtliche Postanschrift noch immer Weingasse 1, aber "Am Marktplatz" ist die selbst gewählte Adresse, betont Rechtsanwalt Wolfgang Seufert. "Das ist dem neuen Eigentümer wichtig." Seufert nimmt für seinen Schwiegervater die Interessen des Bauherren wahr. Ein Jahr nach Schließung des Gasthauses haben die neuen Bauherren das Grundstück mit dem Altbau erworben, dessen genaues Baujahr heute nicht mehr festgestellt werden kann. Auf einem Stadtplan von 1745 ist das hakenförmige, damals noch zweigeschossige Gebäude mit Innenhof schon in seinem heutigen Umriss erkennbar.
Erst 1898 erhielt der Kissinger Architekt Carl Krampf, nach dessen Plänen im selben Jahr gerade die russische Kirche gebaut wurde, vom damaligen Eigentümer, dem Hofbäcker und Gastwirt Karl Karch, den Auftrag, das Gasthaus mit der bekannten "Weinstube Karch" und der angeschlossenen Bäckerei im Stil der Neurenaissance baulich aufzuwerten, den Fachwerk-Erker mit Spitzhelm an- und das Dachgeschoss auszubauen. Auch in späteren Jahrzehnten folgten noch etliche Um- und Ausbauten.
Zwei Jahre lang hatten die neuen Bauherren mit dem Kissinger Architekt Bernd Heinrich den Bestand untersucht und dessen Sanierung geplant, bis 2013 die Baumaßnahmen endlich beginnen konnten. Bei allem müssen der Denkmalschutz, der Brandschutz und vorgeschriebene Fluchtwege berücksichtigt werden. "Das hat unser Architekt genial geplant, ohne den Baukörper von außen optisch zu beeinträchtigen", beschreibt Seufert das Vorgehen. Zwar steht das Gebäude längst unter Denkmalschutz, aber "wir wollen aus diesem Haus erst ein richtiges Denkmal machen." Alles soll möglichst authentisch werden. Denn nach allen Umbauten und Erweiterungen der vergangenen 250 Jahre ist vom originalen Baubestand kaum mehr etwas zu erkennen.
So wurde die neuzeitliche Überbauung des Innenhofs entfernt. "Hier denken wir an einen Grünen Markt oder an Bistro-Gastronomie", wozu sich vor allem der alte Gewölbekeller aus dem 18. Jahrhundert im Haus eignen würde. Auch der alte Brunnen im Hof wird wieder hergerichtet. Gäste sollen sich hier "um zwei Jahrhunderte zurückversetzt" fühlen. "Auch altes Handwerk rund um den Hof wäre denkbar." Das Haus wurde entkernt, Versorgungsleitungen werden neu verlegt, die Holzbalken im Dachstuhl weitestgehend ausgetauscht, das Dach ist neu gedeckt, ein Aufzug wird noch eingebaut.
Im Erdgeschoss sind zwei Ladengeschäfte vorgesehen. Das erste zum Marktplatz ist schon eröffnet, die Räume für das zweite, mit einer Galerie im offenen Obergeschoss, werden wohl im Herbst bezugsfertig sein. Alle anderen Räume sind noch im Rohbau: In der künftigen Erdgeschosswohnung stehen nur die nackten Mauern ebenso wie in den Büro- und Wohnräumen im Obergeschoss. Im Dachgeschoss, das zur Eignerwohnung ausgebaut werden soll, sieht es noch ärger aus. "Wir gehen mit aller Sorgfalt Schritt für Schritt vor", erklärt Seufert.
Der neue Eigentümer, den zwar die meisten Kissinger kennen dürften, der aber ungenannt bleiben will, möchte mit dieser Investition seiner Heimatstadt etwas Wertvolles zurückgeben, erklärt Seufert. "Rein wirtschaftlich rechnet sich diese Sanierung überhaupt nicht. Doch wir wollen etwas Schönes für Bad Kissingen schaffen - aus Liebe zur Stadt."
Sigismund von Dobschütz