Zivilisation und ihre Veränderung: Zivilisationstheorie nach Norbert Elias und die Duerr-Kontroverse
Autor: Evelyn Isaak
Deutschland, Dienstag, 21. Februar 2023
Den abstrakten Begriff der "Zivilisation" zu definieren, ist nur schwer möglich. Norbert Elias hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Zivilisation und ihre Veränderung zu beschreiben.
- Kurzbiografie zu Norbert Elias
- Die Grundsätze der Theorie
- Zentrale Erkenntnisse
- Die Duerr-Kontroverse: Kritik an der Theorie
Wer schon einmal versucht hat, den Zivilisationsprozess zu beschreiben, ist sicherlich schnell an seine Grenzen gestoßen. Immerhin handelt es sich um ein komplexes und nur schwer greifbares Konstrukt. Norbert Elias hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Mechanismen hinter den Veränderungen der Zivilisation zu umfassen.
Norbert Leo Elias: Das Leben des Soziologen
Das Leben von Norbert Leo Elias begann 1897 in Breslau. Dort wuchs er in einer Familie der Mittelschicht auf. Elias besuchte ein städtisches Gymnasium, bestand dort auch die Reifeprüfung und begann nach seinem Kriegsdienst im Jahr 1918 ein Studium. An der Universität Breslau studierte er Philosophie; 1924 erhielt er seinen Titel Dr. phil. an ebendieser Universität. Im selben Jahr setze er sein Studium an der Universität Heidelberg im Bereich der Soziologie fort. Zu Beginn der nationalistischen Herrschaft der NSDAP schloss das Institut für Soziologie und Elias ging ins Exil. Nach seiner Rückkehr war er hauptsächlich als Soziologieprofessor beschäftigt.
Sein Hauptwerk "Über den Prozeß der Zivilisation" schrieb er bereits 1939. Grundlage seiner Forschung waren "Manierenbücher": Er richtete sein Augenmerk vor allem darauf, wie sich im Laufe der Jahre die Peinlichkeitsempfindungen sowie die Verhaltenskontrolle der Gesellschaft verändert hat. Er untersuchte, was als "sittlich" galt, was verboten wurde und wie sich die Grenzen im Verlauf der Zeit veränderten.
Norbert Elias Karriere erreichte einen Hochpunkt, als die Rezeption und Anerkennung seines Werkes "Über den Prozeß der Zivilisation"(1976) erfolgte. Im Jahr 1977 erhielt er für sein Werk den Theodor W.Adorno-Preis der Stadt Frankfurt am Main. In seinem Werk entwickelte er eine originäre soziologische Theorie, die auch heute noch eine signifikante Rolle spielt, da sie als eine Grundlage der Zivilisationsforschung fungiert, auf welcher heute noch aufgebaut wird. 1990 starb Norbert Elias in Amsterdam.
"Über den Prozeß der Zivilisation": die Grundsätze
Mit seiner Theorie verfolgte er einen Anspruch auf Universalität und Interdisziplinarität, da durch sie eine Verbindung zwischen der Geschichtswissenschaft, der Soziologie und der Psychologie herstellt werden kann, sie aber auch Berührungspunkte zur Staatskunde und den Literaturwissenschaften aufweist.
Norbert Elias sah eine Notwendigkeit darin, die Gesellschaft nicht von dem Einzelnen aus zu denken, sondern von den Menschen in seinem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang. "Die Zivilisation" wurde von Elias grundsätzlich als Prozess angesehen: Er beschrieb sie als dynamisch und sich im Laufe der Zeit wandelnd. Dieser Wandel ist einerseits historisch bedingt, andererseits auch soziogenetisch und psychogenetisch. Der erste Band seines Werkes behandelt im Detail die Psychogenese der Persönlichkeitsstruktur. Als "Psychogenese" wurde die langfristige Veränderung in der psychischen Struktur der Individuen beschrieben; dabei gebe es eine Übereinstimmung zwischen dem Gesellschaftstypus und dem Persönlichkeitstypus. Zentrale Frage war hierbei also, wie die Persönlichkeit sich den gesellschaftlichen Anforderungen anpasste. Dabei durfte die Entwicklung des Individuums nur in seinen Interdependenzketten untersucht werden. Elias teilte diese Entwicklung der Persönlichkeitsstruktur in drei Stadien ein: die mittelalterliche courtoisie, die höfische civilité und der neuzeitliche civilisation. Das Individuum reguliere seine eigenen Wünsche und Triebe entsprechend der Gesellschaft, um nicht negativ aufzufallen; die Normen und Werte der Gesellschaft werden dabei verinnerlicht. Elias meinte damit den Wandel von Außenzwängen zu Innenzwängen.