Druckartikel: Rekord-Entdeckung: Gigantisches Schwarzes Loch gefunden - obwohl es "unsichtbar" ist

Rekord-Entdeckung: Gigantisches Schwarzes Loch gefunden - obwohl es "unsichtbar" ist


Autor: Lea Mitulla

Durham, Freitag, 01. Dezember 2023

Kaum entdeckt und schon unter den größten Objekten in unserem Universum: Forschende haben ein neues Schwarzes Loch gefunden - obwohl es eigentlich gar nicht sichtbar ist. Es könnte unser Bild vom Weltall "dramatisch verändern".
Es ist eines der größten Schwarzen Löcher, die Forschende jemals gefunden haben - dabei ist es quasi unsichtbar.


Es hat die Masse von etwa 30 Milliarden Sonnen - das sollte doch schwer zu übersehen sein, oder? Die Entdeckung eines Schwarzen Lochs ist dennoch eine Besonderheit. Mit einer neuen Technik konnten Wissenschaftler*innen der Durham Universität in Großbritannien erstmals ein inaktives Schwarzes Loch in einer fernen Galaxie orten.

"Dieses Schwarze Loch [...] ist eines der größten, die wir je entdeckt haben und an der oberen Grenze dessen, was wir glauben, wie groß Schwarze Löcher in der Theorie werden können. Es ist also eine sehr aufregende Entdeckung", sagt James Nightingale, Leiter der Studie, in einer Mitteilung. Zum Vergleich: Vor fast einem Jahr wurde das bislang am schnellsten wachsende Schwarze Loch entdeckt. Das hatte eine Masse von "nur"  drei Milliarden Sonnen, gerade Mal ein Zehntel des jetzigen. Wegen seiner immensen Größe gilt das jüngst entdeckte Schwarze Loch auch nicht als "supermassenreich", sondern "ultramassenreich". Die Untersuchung der Astrophysiker*innen wurde im Fachjournal"Monthly Notices of the Royal Astronomical Society" veröffentlicht.

Revolutionäre Methode: So können Forschende "unsichtbare" Schwarze Löcher finden

Schwarze Löcher befinden sich in der Regel im Zentrum einer Galaxie und haben aufgrund ihrer Masse eine sehr starke Anziehungskraft. Deshalb verschlucken sie alles, was in ihrer Nähe ist. Was einmal in ein Schwarzes Loch gefallen ist, kann daraus auch nicht mehr entkommen. Selbst Licht nicht - daher auch der Name "Schwarzes Loch". Für Beobachtende wird es quasi unsichtbar.

Video:




Aus diesem Grund können Forschende das Himmelsphänomen nur indirekt beobachten. Das funktioniert in der Regel so: Das Schwarze Loch selbst, sendet keine Strahlung aus, die Materie, die es verschlingt, aber schon. Wird zum Beispiel eine Gaswolke in das Schwarze Loch gezogen, passiert das mit einer großen Geschwindigkeit. Dabei wird Hitze, also Energie, freigesetzt. Diese Strahlungen können mit Satelliten gemessen werden. Manchmal stoßen die Schwarzen Löcher die Materie auch in Form von "Jets" wieder ins Weltall.

Ruhende Schwarze Löcher haben dagegen keine Materie um sich herum, die sie sichtbar machen könnten. 2020 gelang es einem Forschungsteam der Europäischen Südsternwarte in Garching zum ersten Mal ein inaktives Schwarzes Loch in unserer Galaxie zu orten. Die Wissenschaftler*innen beobachteten eigentlich einen Stern, der mit bloßem Auge zu sehen war. Dabei stellten sie fest, dass noch ein weiterer Stern scheinbar um dasselbe Zentrum kreiste. Dieser machte aber immer einen kleinen Umweg, er kreiste um noch ein Objekt, und zwar deutlich schneller. Um einen Stern von seiner Umlaufbahn abzubringen und zu beschleunigen, braucht es viel Kraft. Das ließ sich nur mit einem Schwarzen Loch erklären. Diese Methode klappt aber nur bei Schwarzen Löchern in der Milchstraße oder relativ nahen Galaxien.

Gravitationslinse könnte Bild vom Weltall "dramatisch verändern"

Mit einem Trick konnte nun aber das Schwarze Loch im Galaxienhaufen Abell 1201 entdeckt werden, das rund 2,7 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Es ist die Rede von der "Gravitationslinse". Die Masse eines Schwarzen Lochs verformt den Raum, dadurch kann Licht abgelenkt und verstärkt werden. Dringt dieses Licht aus weit entfernten Galaxien zu uns, ist es also verzerrt. Objekte, die auf einer Sichtlinie mit dem Schwarzen Loch liegen, können - wie durch eine Linse - vergrößert oder vervielfältigt wirken. Der Prozess kann man sich vorstellen, wie einen Lichtstrahl, "der durch den Boden eines Glases scheint", erklärt Nightingale der AFP.

Die Gravitiationslinse eröffnet den Astrophysiker*innen ganz neue Möglichkeiten. Es können Schwarze Löcher "in den übrigen 99 Prozent der Galaxien, die derzeit nicht zugänglich sind", entdeckt werden, so Nightingale. Dadurch werde sich unser Bild vom Weltall voraussichtlich "dramatisch verändern". Er hofft zudem auf weitere Anwendungsfälle, um inaktive Schwarze Löcher zu untersuchen. "Mit diesem Ansatz könnten wir viele weitere schwarze Löcher jenseits unseres lokalen Universums aufspüren und herausfinden, wie sich diese exotischen Objekte weiter zurück in der kosmischen Zeit entwickelt haben."

An der bahnbrechenden Studie ist neben der Durham Universität auch das deutsche Max-Planck-Institut beteiligt gewesen. Nightingale und sein Team nutzten Bilder des Hubble-Teleskops von der NASA sowie Computersimulationen. Andere Erklärungsmöglichkeiten für das Phänomen schlossen sie aus, wie eine Überkonzentration von dunkler Materie.