Hexenverfolgung in Franken: Hintergrund der Hexenjagden
Autor: Werner Diefenthal
Deutschland, Montag, 14. November 2022
Auch in Oberfranken wurden während der Inquisition Frauen als Hexen verfolgt. In unserer Reihe zum Thema informieren wir dich im ersten Teil über die Hintergründe der Hexenprozesse.
- Was war die Inquisition?
- Wie entstand sie?
- Wie wurden Hexen verfolgt?
- Wie ging man in den Prozessen vor?
Über 500 Jahre lang verfolgte die katholische Kirche Menschen, die nach ihrer Ansicht Ketzer oder mit dem Teufel im Bund waren. Oft reichte bereits der kleinste Verdacht, um sie in die Folterkeller und auf den Scheiterhaufen zu bringen. Oft waren es Frauen, die der Hexerei bezichtigt wurden. Wie wurde dabei vorgegangen? Und wie entstanden die Urteile?
Der Weg zur Hexenverfolgung
Im 12. Jahrhundert verliert die katholische Kirche immer mehr an Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung, denn sie ist mehr darauf aus, Reichtümer anzusammeln, als sich um das Seelenheil der Menschen zu kümmern. Dazu kommt, dass die Lebensbedingungen schlechter werden, es herrschen oft Hunger und große Not. Die Gläubigen suchen Halt in der Frömmigkeit und in der Hoffnung auf ein gutes Leben nach dem Tod. Doch finden sie dies immer weniger in der katholischen Kirche. So entstehen neue Kirchenbewegungen, die den Menschen Hoffnung geben. Papst Innozenz III. ist im Umgang mit den "Ketzern", wie sie in der katholischen Kirche genannt werden, völlig überfordert, die katholische Kirche ist in ihrer Existenz bedroht. Man sucht nach Wegen, wie man systematisch die Ketzer aufspüren und bekämpfen kann. Waren zunächst die Bischöfe für deren Bekämpfung zuständig, so sind diese teils nicht in der Lage der Aufgabe nachzukommen oder nicht an einer Lösung des Problems interessiert. Daher sollen speziell ausgebildete Abgesandte des Papstes diese Aufgabe übernehmen.
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1231 ernennt Papst Gregor IX. die Dominikaner und Franziskaner zu Inquisitoren und beauftragt sie mit der Verfolgung der Ketzer. Gleichzeitig werden die Inquisitoren mit einer Vollmacht ausgestattet, welche für eines oder mehrere Bistümer gilt. Im Jahr 1252 erlaubt Papst Innozenz IV. nach dem Vorbild staatlichen Rechts in besonders hartnäckigen Fällen, also wenn die Ketzer kein freiwilliges Geständnis ablegen, auch den Einsatz der Folter. Nach einer Beratung mit den Beisitzern kommt der Inquisitor zu einem Urteil, welches aber nicht durch die Kirche selber vollstreckt werden darf. Friedrich II. verspricht dem Papst, ihn bei der Verfolgung der Ketzer zu unterstützen. Das ist die entscheidende Voraussetzung für den "Erfolg" der Inquisition. Damit kann die Kirche systematisch gegen die Ketzerei vorgehen. Dies geschieht immer nach dem gleichen Muster. Der Inquisitor zieht von Stadt zu Stadt und lässt alle Bürger auf dem Marktplatz antreten, dann hält er die Ketzerpredigt. Im Anschluss schickt er alle nach Hause, mit dem Befehl, Ketzer, gegebenenfalls auch sich selbst, bei ihm anzuzeigen. Bei der Selbstanzeige kommen Beschuldigte meist mit milden Strafen davon. Dieses Vorgehen öffnet dem Denunziantentum Tür und Tor, aus geringsten Streitigkeiten unter Nachbar*innen kann eine Anzeige wegen Ketzerei folgen. Die Angeklagten müssen sich vor dem Gericht verantworten, ohne zu erfahren, wer sie angezeigt hat. Weigern sich angezeigte Ketzer zu gestehen, so kann der Inquisitor die Folter anordnen. Steht die vermeintliche Schuld fest, so wird das Urteil während einer Messe verkündet. Im schlimmsten Fall droht der Scheiterhaufen.
Mitte des 14. Jahrhunderts sind die meisten Ketzerbewegungen zerschlagen, die Gefahr für die Kirche scheint abgewendet. Doch im Zuge der Reformation, der Erfindung des Buchdrucks und der Verbreitung wissenschaftlicher Ideen entstehen neue Gefahren für die Kirche. 1542 gründet Papst Paul III. die "Heilige Römische und Universale Inquisition" in Rom. Anstelle einzelner Inquisitoren gibt es nun einen bürokratischen Apparat, das "Heilige Officium", dem rund ein Dutzend Kardinäle angehören, deren Aufgabe die Reinhaltung des Glaubens ist. Diese versucht auch, den Buchdruck zu kontrollieren, zensiert Bücher, verbietet sie und lässt Menschen, die unerwünschte Bücher schreiben, besitzen oder lesen, exkommunizieren. Erst 1965 wird das "Heilige Officium" aufgelöst.
Hexenverfolgung
Der Glaube an Wesen, die als Hexen bezeichnet werden, existiert schon sehr lange. Bereits in den Hochkulturen Ägyptens oder Babyloniens ist man von der Existenz dieser Wesen überzeugt, vermeintliche Zauberer oder Hexen werden mit dem Tode bestraft, allerdings werden sie nicht gezielt verfolgt. Auch im römischen Imperium glaubt die Mehrheit der Bevölkerung an Zauberei, doch wird nur ihr Missbrauch unter Strafe gestellt. Während ein "Schadenszauber" ab dem 3. Jahrhundert mit dem Tode durch lebendiges Verbrennen bestraft wird, bleibt "wohltätiger Zauber" ungestraft. Erst nachdem ab dem 4. Jahrhundert die christliche Religion erstarkt, wird für jede Art der Zauberei die Todesstrafe verhängt. Paradox: Die frühen Christen glauben nicht an die Wirksamkeit der Zauberei, der bloße Versuch wird jedoch als teuflisch angesehen. Der Kirchengelehrte Augustinus (354 - 430) setzt sich als erster ausführlich mit Magie und Zauberei auseinander. Seiner Ansicht nach ist Zauberei wirkungslos, aber jegliche magische Handlungen setzen einen Pakt mit dem Teufel voraus. Es kommt zu vereinzelten Prozessen gegen Hexen und Zauberern, aber eine gezielte Verfolgung findet nicht statt. Die Kirche wendet sich sogar ausdrücklich gegen Lynchjustiz und Pogrome.
Im 13. Jahrhundert ändert sich jedoch die Meinung der Kirche. Thomas von Aquin (um 1225 - 1274), einer der bedeutendsten Kirchentheoretiker des Mittelalters, geht davon aus, dass Hexentaten mithilfe des Teufels durchgeführt werden können und beschreibt zudem detailliert die magischen Praktiken, wie den Pakt mit dem Teufel, die Hexenluftfahrt und vieles mehr. In seinen Augen sind Hexen Schaden bringende Weiber. Damit legt er den Grundstein für die spätere Hexenverfolgung. Weitere Gelehrte veröffentlichen Traktate, die Hexensekten beschreiben. Lebten die Menschen bis dahin in einer Art friedlicher Koexistenz mit den vermeintlichen Hexen und Zauberern, so ändert sich das jetzt und die Anwesenheit wird als Bedrohung empfunden. Die katholische Kirche sieht sich zum Handeln gezwungen, um dem wachsenden Glauben der Menschen an Magie entgegenzuwirken. Auf dem Konzil von Basel 1431 - 1449 wird der Hexenglauben neu definiert, man geht jetzt nicht mehr von Einzelpersonen aus, sondern von einer Hexensekte. Inquisitoren werden ernannt und wandern in den Bistümern umher. Einer der berüchtigtsten ist Heinrich Kramer. 1479 zum Inquisitor für Oberdeutschland ernannt, lässt er zahlreiche angebliche Hexen zum Tode verurteilen. Allerdings gibt es immer noch Gegner dieser Verfolgung, sowohl innerhalb der Kirche als auch in der weltlichen Politik. Daraufhin verfasst Kramer 1484 ein Papier, das Papst Innozenz VIII. unterschreibt. Mit diesem als "Hexenbulle" bekannten Papier legalisiert die Kirche erstmals die Hexenverfolgung durch die Inquisitoren.