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"Tethered Caps": Warum geht der Verschluss an der Flasche nicht mehr ab?


Autor: Klaus Heimann

Deutschland, Dienstag, 26. Sept. 2023

Die "Tethered Caps" (angebundene Verschlüsse) finden sich mittlerweile an vielen PET-Flaschen und Kartons für Saft und Milch. Im Juli 2024 werden sie Pflicht in der EU. Coca-Cola ist einer der Vorreiter in Deutschland.
Warum geht der Verschluss an PET-Flaschen - wie hier bei einer Coca-Cola-Flasche - nicht mehr ab?


Wieso bleibt der Deckel auf einmal an der Flasche? Diese Frage stellen sich viele Verbraucher in diesen Tagen. Ihnen begegnen Tethered Caps, sogenannte 'angebundene Verschlüsse'. Die Bezeichnung von Coca-Cola ist da schon griffiger: "Lass-mich-dran-Deckel". Die Firma Gerolsteiner nennt das neue System ähnlich: "Bleibt-dran-Deckel". Warum sich beim Flaschenverschluss und bei den Milchtüten jetzt etwas tut, ist schnell erklärt.

Coca-Cola ist Vorreiter mit dem Lass-mich-dran-Deckel

Coca-Cola macht es vor: Das amerikanische Unternehmen hat bereits im Herbst 2021 damit begonnen, Tethered Caps einzuführen. Seitdem gibt es immer mehr Getränke vom Getränke-Multi in PET-Einwegpfandflaschen mit neuen Verschlüssen. Coca-Cola setzt mit seiner Kampagne "Lass-mich-dran-Deckel" die EU-Verordnung (Einwegkunststoffartikel – Bekämpfung der Auswirkungen auf die Umwelt), die zum Stichtag, dem 3.7.2024, verpflichtend gilt, bereits jetzt um. Betroffen sind neben kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränken wie Coca-Cola, Fanta, Sprite oder mezzo mix auch Mineralwasser und Getränke der Marke ViO sowie Fuze Tea und Powerade in den jeweiligen PET-Einweg-Flaschengrößen: von der 0,33 Liter bis zur 2 Liter PET-Flasche. 

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In Deutschland tragen die Coca-Cola-Tethered Caps die Aufschrift "Fester Verschluss". So ist schon vor dem ersten Öffnen klar, dass es sich um einen Deckel handelt, der fest mit der Einwegflasche verbunden ist – wie es die EU-Richtlinie vorgibt. Ralf Schmalenbeck, Betriebsleiter des Coca-Cola Werkes in Dorsten, hat die Einführung der neuen Deckel am Pilotstandort begleitet. "Verschlüsse sehen immer einfach aus, sind aber absolutes Hightech", sagt Schmalenbeck.

Damit der Deckel richtig sitzt, sei Millimeterarbeit und feinstes Abstimmen gefragt. Die Flaschenverschlüsse müssten sauber gearbeitet sein, die Maschinen genau auf sie eingestellt. Klappt das Zusammenspiel nicht, kann es beispielsweise passieren, dass der Verschluss schräg aufgesetzt ist und die Flaschen nicht dicht sind. "Eine komplett neue Technologie wie die Tethered Caps einzuführen, ist deshalb eine große Herausforderung für uns in der Produktion bei Coca-Cola", erklärt Schmalenbeck in seinem Praxisbericht auf der Internetseite von Coca-Cola.

Deckel vermehren den Plastikmüll

Die bislang separaten Deckelchen bei Getränkeflaschen schaden der Umwelt: Sie vermehren den Plastikmüll in Gewässern, Wäldern oder an Stränden. Philip Heldt von der Verbraucherzentrale NRW berichtete dem RedaktionsnetzwerkDeutschland, dass bei einer Sammelaktion auf 100 Meter Nordeestrand 43 Flaschendeckel zu finden waren. Tethered Caps verhindern, dass die Deckel sich von den Flaschen abschrauben lassen und als Müll in der Umwelt landen. 

Deshalb stößt du als Verbraucher in Zukunft immer öfters auf PET-Flaschen oder Milchkartons, wo sich die Deckel-Kapsel sich nicht mehr ablösen lässt. Die Tethered Caps sorgen also dafür, dass der Deckel dran bleibt. Da nützt alles Zerren nichts. Die Kapsel bleibt dran, und zwar zukünftig bei allen Einweg-Getränkeverpackungen, die ganz oder teilweise aus Kunststoff bestehen – z. B. Saftkartons oder Einweg-PET-Getränkeflaschen – mit einem Volumen von bis zu drei Litern. 

Sonia Grimminger vom Umweltbundesamt kommentiert im Tagesspiegel die Tethered Caps: Mikroplastik schädige massiv die Umwelt, Kunststoffe sollten nicht in der Natur landen. Gelangen Kunststoffe in die Umwelt, können sie dort Jahrhunderte verbleiben. Sie verwittern nur langsam und verrotten zu Mikroplastik. Das schade Tieren, zum Beispiel Vögeln, welche Kunststoffteile statt Nahrung aufnehmen.

Verbraucherverbände stimmen zu, Ernährungsindustrie sieht keine Notwendigkeit

Saskia Erdmann von der Verbraucherzentrale Berlin meint ebenfalls im Berliner Tagesspiegel: Verbraucher*innen sollten beim Einkauf generell Mehrweglösungen bevorzugen. Laut Kreislaufwirtschaftsgesetz sollten Verpackungen bestenfalls vermieden oder wenigstens wiederzuverwenden sein. Deshalb der Ratschlag von Erdmann: Beim Einkauf generell Mehrweglösungen zu bevorzugen und diese zeitnah wieder in Umlauf bringen. "Dann weisen sie durch die häufige Wiederbenutzung eine bessere Umweltbilanz auf." Durch die Einwegkunststoffsteuer, die ab 2024 für Plastik-Produzenten gilt, könnte dieses System an Attraktivität gewinnen.

Peter Feller, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), sieht die Sache skeptischer. Er sagt, ein Gegeneinander von Verpackungssystemen sei weder für Verbraucher*innen noch für Handel und Hersteller zielführend. Die gesetzliche Designvorgabe und der damit verbundene beträchtliche "Erfüllungsaufwand der Wirtschaft" bewirke für Deutschland keinen bedeutenden ökologischen Mehrwert. 

In Deutschland sei durch das Pfand- und seine Rücknahmesysteme das Problem bereits weitgehend gelöst. "Die Rücklaufquote bei bepfandeten Einweg-Getränkeverpackungen in Deutschland liegt – je nach Quelle – zwischen 96 % und 99 %. Rund 96 % dieser Behältnisse werden von den Verbrauchern zusammen mit den dazugehörigen Verschlüssen und Deckeln zurückgegeben", so Feller in seinem Statement zum Referentenentwurf einer Verordnung über die Beschaffenheit und Kennzeichnung von bestimmten Einwegkunststoffprodukten.