Strom an der Börse: Wie entsteht eigentlich der Strompreis - und warum wird Strom teurer?
Autor: Klaus Heimann
Deutschland, Donnerstag, 02. Februar 2023
Der Strompreis an der Leipziger Energiebörse steigt. Unser Stromreport erklärt die Hintergründe: Wie setzt sich der Strompreis zusammen? Wie geht es jetzt weiter?
- Der Blick an die Strombörse und auf den Strommix
- Das Merit-Order-Prinzip einfach erklärt
- Wie sich der Strompreis errechnet
- Die Energieversorger und ihre Geschäfte in Leipzig
- Der Strompreis und seine Kostenbestandteile
Bisher kostet der Betrieb eines Kühlschrankes pro Jahr 50 Euro, nach dem aktuellen Strompreis sind es viermal so viel, also 200 Euro. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) spricht von einem "politisch gemachten Rendite-Autopiloten", den man abstellen müsse, erklärte er nach der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg vor der Presse. "Die Gewinne steigen zulasten der Verbraucher Milliarde um Milliarde." Die Bundesregierung will deshalb das bestehende Strommarktdesign ändern. Im Mittelpunkt der Kritik steht aber ein Mechanismus, den Energie-Expert*innen "Merit-Order" (Deutsch: Leistungs-Reihenfolge) nennen. Aber was steckt dahinter?
Der Blick an die Strombörse und auf den Strommix
Ein erster Blick gilt dem aktuellen Strompreis: Nach dem Gaspreis bewegt sich der Börsen-Strompreis ebenfalls auf hohem Niveau. Ende August 2022 (Stand: 31.8.) kostete die Megawattstunde 455 Euro an der Strombörse in Leipzig (EEX Day Ahead). Im Vorjahresmonat lag dieser Wert bei nur 82 Euro – ein Plus von 455 Prozent.
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Woraus entsteht Strom? Als Stromquelle dienen zunächst Wind, Photovoltaik, Wasser, Biomasse - also Quellen, die in der Nutzung für die Stromversorgung relativ günstig im Preis sind. Der Anteil der erneuerbaren Energien 2021 an der Stromerzeugung liegt bei 45,7 Prozent, wie das Fraunhofer ISE errechnet hat. Schon etwas teurer sind Atomkraft (13,3 Prozent) und Kohle (29,7 Prozent), zählen aber ebenfalls zu den preiswerteren Ausgangsstoffen. Reicht es dann immer noch nicht, wird Gas verstromt (10,5 Prozent). Das ist im Jahr 2022 wegen der hohen Erdgaspreise durch die Gasblockade sehr teuer. Ein Beispiel: Photovoltaikanlagen, die mit 5 Cent pro Kilowattstunde geplant wurden, erzielen derzeit an der Börse EEX Preise von bis zu 50 Cent pro Kilowattstunde.
Stadtwerke oder größere Unternehmen kaufen ihren Strom langfristig ein, haben Verträge mit Preisgarantien. Das hilft zunächst einmal. Gibt es kurzfristig zusätzlichen Bedarf, müssen allerdings auch sie am "Spot-Markt" zu hohen Preisen einkaufen. Für die Bildung des Strompreises ist das sogenannte "Merit-Order-Prinzip" ausschlaggebend.
Strom selbst erzeugen mit PV: Hier bis zu 3 Angebote vergleichenDas Merit-Order-Prinzip einfach erklärt
Regeln zur Preisbildung: Am Strommarkt bestimmt das teuerste Kraftwerk den Strompreis, das nennen die Energie-Expert*innen "Merit-Order". Damit ist die Reihenfolge der genutzten Kraftwerke gemeint und die bestimmt sich durch die Entstehungskosten. Zuerst eingesetzt sind diejenigen mit den niedrigsten Kosten. Danach folgen die Kraftwerke mit höheren Kosten; und zwar so lange, bis die Nachfrage gedeckt ist. Das Kraftwerk, das dann immer noch notwendig ist, um die nachgefragte Strommenge zu liefern, bestimmt letztlich den Verkaufspreis. Alle Kraftwerke bekommen für den produzierten Strom den gleichen, auch wenn sie eigentlich günstiger produzieren. Die günstigeren Kraftwerke (Wind, PV, Kohle, Kernenergie) machen in dem Fall hohe Gewinne. In 2022 sind die zuletzt zugeschalteten Kraftwerke diejenigen, die Gas in Strom verwandeln.
Lion Hirth, Junior-Professor für Energiepolitik an der Hertie School Berlin, erklärt die Preisbildung in der Energiewirtschaft am liebsten mit zwei Bauern, die Kartoffeln anbauen. Der eine Bauer pflanzt sie ganz traditionell an, viel Handarbeit, kaum Landwirtschaftstechnologie. Am Ende steht ein Preis von 2,00 Euro für ein Kilo Kartoffeln. Der andere Bauer baut ebenfalls Kartoffeln an, aber unter Nutzung modernster Technologie. Hier beträgt der Preis schließlich 1,00 Euro pro Kilo. Der traditionelle Bauernhof kann nicht unter 2,00 Euro verkaufen, sonst fährt er ein nicht zu verkraftendes Defizit ein. Der moderne Bauer weiß das und verkauft deshalb seine Kartoffeln ebenfalls für 2,00 Euro. Am Kartoffelmarkt bestimmt also der teuerste Bauernhof letztlich den Kartoffel-Preis. Auf diese Weise entsteht auch der Strompreis.