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Online-Shopping: Dark Patters - auf diesen raffinierte Trick setzen die Shops


Autor: Klaus Heimann

Deutschland, Samstag, 08. April 2023

Online-Shopping ist inzwischen unverzichtbar. Aber ist zugleich ein knallhartes Geschäft, bei dem Tricks und Manipulationen durchaus zu finden sind. Besonders raffiniert sind Dark Patterns, aber was verbirgt sich dahinter?
Das Internetdesign vieler Online-Shops steht in der Kritik.


  • EU-Kommission kritisiert manipulative Tricks von Online-Shops
  • Die Geldillusionen beim beliebten Spiel Fortnite
  • Es gibt viele Typen von Dark Patterns
  • Dark Patterns beschäftigen den Bundestag
  • Gezieltes Steuern, Manipulieren und Täuschen darf nicht sein

Dark Patterns haben nichts Gutes vor, sie wollen dir nicht helfen im Getümmel des Internets. Das Design ist dazu geschaffen, Internetnutzer*innen zu Handlungen zu verleiten, die nicht in ihrem Interesse sind. Die Tricks sind ziemlich clever und fast immer unübersichtlich. Als User musst du schon genau hinschauen, dich auskennen, um Dark Patterns zu erkennen. Hier unser Einblick.

EU-Kommission kritisiert manipulative Tricks von Online-Shops

Fast 40 Prozent der von Verbraucherschützern für eine EU-Studie untersuchten 399 europäische Online-Shops bedienen sich manipulativer Praktiken. Das sind überraschend viele. Und wie wird das konkret angestellt? Es sind Designtricks durch das Format Dark Patterns, um die Schwächen der Verbraucher*innen auszunutzen oder sie zu täuschen. Dies hat eine Untersuchung der EU-Kommission und der nationalen Verbraucherschutzbehörden von 23 Mitgliedstaaten, Norwegen und Island ergeben. Auf 148 der untersuchten Websites sind Dark Patterns im Einsatz. Aber was sind Dark Patterns überhaupt?

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Die Verbraucherzentralen in den Ländern, insbesondere in Hessen und Rheinland-Pfalz, beschäftigen sich intensiv mit diesem Punkt und beschreiben diese Praxis so: Dark Patterns sind manipulative Designs oder Prozesse, die Nutzende einer Website oder App zu einer für sie negativen Handlung überreden sollen. 

Verkürzt gesagt geht es darum, die Kundschaft unterschwellig dazu zu bringen, mehr Geld oder Daten herauszugeben, als sie eigentlichen möchte. Dark Patterns werden häufig verwendet, um an deine persönlichen Daten zu kommen oder dir Abonnements und andere Verträge unterzujubeln. Wer sich im digitalen Raum bewegt, ist diesem Muster mit Sicherheit schon mal bei In-App-Käufen, in Videospielen, über Buchungswebseiten bis hin zu Probeabos für irgendwelche Streaming-Dienste begegnet. 

Die Geldillusionen beim beliebten Spiel Fortnite

In den meisten Fällen sind solche Praktiken nicht rechtswidrig. Erwachsene sind selbst dafür verantwortlich, was sie anklicken. Spektakulär ist der Fall, über den der NDR und andere Medien, kurz vor Weihnachten 2022 berichteten. Der Videospielentwickler Epic Games muss in den USA für das Kult-Spiel Fortnite eine Buße von 520 Millionen Dollar zahlen. Konkret geht es um In-App-Käufe und Dark Patterns, die vor allem Jugendliche dazu animieren, mehr Geld während des Spiels auszugeben. Diese Variante von Dark Patterns sollen in Fortnite besonders aggressiv eingesetzt worden sein.

Es geht um Geldillusionen: Alle Preise innerhalb des Spiels werden in V-Bucks angegeben, so heißt die hauseigene digitale Währung. Der reale Gegenwert in Euro oder Dollar ist nicht sofort ersichtlich. Dies verleitet dazu, häufiger und mehr Geld auszugeben. Außerdem animieren Bonus-Angebote dazu, mehr von der digitalen Währung zu kaufen als man eigentlich benötigt.

An der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder haben die Wissenschaftler Timo Schöber und Prof. Georg Stadtmann die "Money Illusion" untersucht. Ihr Ergebnis: Die Spielenden verlieren durch die V-Bucks den Bezug zum realen Gegenwert. Der suggerierte Gegenwert in V-Bucks sei deutlich höher als das Echtgeld und das Umrechnen von V-Bucks in Echtgeld nicht immer ganz einfach. Vor allem Kinder seien empfänglich für die "Money Illusion", weil sie noch viel weniger als Erwachsene dazu in der Lage seien, das Verhältnis von V-Bucks zu Echtgeld richtig einzuschätzen. Die Expertise war eine wichtige Grundlage für den Prozess in den USA.

Es gibt viele Typen von Dark Patterns

Geldillusionen sind bei weitem nicht die einzigen Dark Patterns, die im Umlauf sind. Der EU-Report berichtet von 42 analysierten Webseiten, wo die Betreiber falsche Countdown-Zähler mit Fristen für den Kauf bestimmter Produkte einsetzen. Die Stiftung Neue Verantwortung nennt dies in ihrem Bericht "stimulierte Knappheit" und "Zeitdruck". Der Countdown-Timer signalisiert, als visuelles Signal, über das drohende Enden eines Angebots. Außerdem geht es darum, die hohe Nachfrage vorzutäuschen. Hektik und unüberlegtes Kauf-Handeln soll dadurch entstehen, dass andere Kund*innen angeblich den verbleibenden Bestand aufkaufen.

Zu den perfiden Dark-Patterns-Tricks gehören Interface-Beeinträchtigungen, wie Beschämen (Confirmshaming): Eine Auswahlmöglichkeit ist mit einem abwertenden Text unterlegt, damit Nutzer*innen sie nicht wählen. Oder: Das Spiel mit Emotionen, in dem der Anbieter emotional-manipulierende Formulierungen benutzt. 

Beliebt sind auch Behinderungen durch die sogenannte "Schabenfalle": Das Löschen eines Accounts bzw. das Beenden einer Mitgliedschaft ist schwieriger als der Abschluss. In diese Kategorie gehört auch die Einschaltung einer Zwischenwährung: Durch den Einsatz einer virtuellen Währung sind die realen Kosten der Produkte verschleiert. Andere von der Stiftung genannte Mechanismen sind: Wiederholtes Stören (oftmalige Anfragen und Aufforderungen, etwas im Interesse des Anbieters zu tun) oder das Prinzip "Die Macht der Vielen". Darunter versteht man falsche oder irreführende Informationen darüber, dass andere etwas einkaufen oder an etwas teilnehmen.

Dark Patterns beschäftigen den Bundestag

Im Büro für Technologiefolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag hat sich Christoph Bogenstahl gründlich und fachkompetent mit Dark Patterns, den "Mechanismen (be)trügerischen Internetdesigns" (Ausgabe Nr. 30, aus dem Jahr 2019), beschäftigt. Er sortiert die bislang bekannten Dark Patterns in drei Gruppen: 

  • Ködern, Täuschen und Ausüben emotionalen Drucks,
  • Entlocken von Daten und
  • Ablenken und Hervorrufen von Ermüdung.

In seinem Fazit fällt er ein vernichtendes Urteil. "Der Einsatz von Dark Patterns ist unethisch, mitunter unlauter und ggf. betrügerisch." Vor allem ginge es um die Ausnutzung menschlicher Wahrnehmungsschwächen.

Senior*innen, Kinder und Jugendliche sowie bildungsferne Gruppen seien diesen Angriffen schutzlos ausgeliefert. Es bedürfe immer besondere Aufmerksamkeit, diese Manipulationen und deren typische Muster zu erkennen und zu umgehen.

Gezieltes Steuern, Manipulieren und Täuschen darf nicht sein

Mit Dark Patterns gelingt es offenbar gezielt Emotionen anzusprechen, um die User zu einem Kauf im Internet zu verleiten oder einen bestimmten Link anzuklicken. Andere Muster versuchen die Aufmerksamkeit von wesentlichen Aspekten abzulenken, z. B. von einer erhöhten Rechnung oder versteckten Kosten. Preisvergleiche oder das Rückgängigmachen von Aktionen sind häufig schwierig.

Ebenso gehören getarnte Werbung oder Produkte, die sich beim Onlinekauf "in den Warenkorb schleichen" (Sneak into Basket) zu den Dark Patterns. Dadurch schaffen es die Händler manipulativ Zusatzkäufe auszulösen oder verdeckt Kundendaten zu sammeln. Für Verbraucherschützer*innen ist die Sache deshalb klar: Die Nutzer von Dark Patterns wollen die Kundschaft gezielt steuern, manipulieren und täuschen. Deshalb fordern sie Gegenmaßnahmen. 

EU-Justizkommissar Didier Reynders verweist darauf, dass der Einsatz von Dark Patterns, mit dem Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, kurz DSA) strenger geregelt wird. Danach seien sie als eindeutig rechtswidrig und als ein Verstoß gegen die Verbraucherschutzregeln anzusehen. Schon heute gebe es "verbindliche Instrumente", um dagegen mit Mitteln der Strafverfolgung vorzugehen. Parallel prüfe die Kommission, ob das Verbraucherrecht verschärft werden müsse.

Fazit

Das Thema hat eine hohe Relevanz, weil die Nutzung des Internets im Zeitalter der Digitalisierung eine wichtige Voraussetzung zur gesellschaftlichen Teilhabe geworden ist. Viele Internetnutzende sind auf eine intuitive und leicht verständliche Nutzbarkeit der angebotenen Dienstleistungen angewiesen. Insbesondere unerfahrene Jugendliche, ältere Menschen oder bildungsferne Gruppen sind von Dark Patterns besonders betroffen. Deshalb sind klare rechtliche Schranken sinnvoll.