Streit um Veggie-Schnitzel und Co.: Lobbyismus für die Fleischindustrie?
Zu den Befürwortern gehört unter anderem der Verband der Fleischwirtschaft. "Fleisch sollte als wertvolles tierisches Lebensmittel klar von anderen Artikeln unterschieden werden können, ohne dass man dadurch einen Kulturkampf entfacht", sagt Geschäftsführer Steffen Reiter. Ein einfacher Weg wäre es, die Bezeichnung Fleisch klar zu schützen.
Verbraucherschützer halten wenig davon. Der Geschäftsführer der Organisation foodwatch, Chris Methmann, spricht von "Lobbyismus im Dienste der Fleischindustrie". Niemand kaufe versehentlich Tofuwürstchen, weil er glaube, es seien Rinderwürste. Bundesernährungsminister Alois Rainer (CSU) müsse klarstellen, dass Deutschland "diesen Unsinn nicht mitträgt", so foodwatch.
Auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Grant Hendrik Tonne sieht in der Entscheidung eher einen Kulturkampf als ein echtes Problem. Es gehe wohl eher um "Lobbyismus im Namen der Fleisch-Wurst". Verbraucher seien seiner Meinung nach in der Lage, selbst zu entscheiden, welches Produkt mit welchem Inhalt sie kaufen. Ähnlich äußerte sich auch der Agrarmarketingverband Pro Agro: "Grundsätzlich sollte man den Verbraucherinnen und Verbrauchern auch einfach eine gewisse Mündigkeit zugestehen."
Supermärkte gegen Verbot von Fleischbegriffen für Veggie-Alternativen
Auch Stephanie Wetzel vom Verbraucherzentrale Bundesverband sieht ein mögliches Verbot kritisch. Sie teilte auf Anfrage mit, es sei wenig hilfreich, wenn Ersatzprodukte keine Namen von Produkten tragen dürfen, die typischerweise mit Fleisch assoziiert würden. Bei einem Begriff wie "Veganes Seitan-Schnitzel" wüssten Verbraucherinnen und Verbraucher, was sie geschmacklich erwarte und welche Ersatzzutat das Produkt enthalte.
Mehrere Handelsunternehmen - darunter die Discounter Aldi Süd und Lidl, die Burgerkette Burger King sowie Hersteller wie Beyond Meat - haben sich in einem gemeinsamen Brief dagegen ausgesprochen. Die vertrauten Begriffe böten Orientierung und ermöglichten bewusste Kaufentscheidungen, heißt es darin. Ein Verbot würde den Verkauf erschweren. "Von dem drohenden wirtschaftlichen Schaden wäre Deutschland besonders betroffen." Dies sei der größte Markt für pflanzliche Alternativprodukte in Europa.
Unterzeichnet hat auch die Rügenwalder Mühle, die Fleisch- und Fleischersatzprodukte herstellt. "Aus unserer Sicht ist das nicht sinnvoll. Schnitzel oder Burger beschreiben eine Zubereitungsart – nicht das Ausgangsprodukt", sagte eine Unternehmenssprecherin. Die kurzfristigen Umstellungskosten schätze man auf einen einstelligen mittleren Millionenbetrag. Auch andere Handelsketten wie Rewe und Aldi Nord sowie der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels und der Lebensmittelverband Deutschland lehnen ein Verbot ab.
"Unsinnige Forderung". Auch Gegenwind von Konservativen
Auch von konservativen Politikern gibt es Gegenwind: Der deutsche CDU-Europaabgeordnete Peter Liese bezeichnete das geplante Verbot als "unsinnige Forderung". Es gebe wirklich andere Probleme und jeder könne selbst entscheiden, ob er einen "Veggie-Burger" kaufen wolle. Auch Politiker von SPD, Grünen sowie die Umweltorganisation Greenpeace sind gegen ein Verbot.
Das Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov befragte rund 4.200 Menschen ab 18 Jahren in Deutschland repräsentativ. Jeder Zweite (50 Prozent) findet, dass Bezeichnungen wie Schnitzel oder Wurst ausschließlich für tierische Produkte verwendet werden dürfen und pflanzliche Alternativen andere Namen tragen müssen. 28 Prozent lehnen dies ab, 21 Prozent machten keine Angabe.
Nur jedem Vierten (24 Prozent) ist es wichtig, dass sich das EU-Parlament mit der Frage befasst, ob Bezeichnungen wie Wurst, Burger oder Schnitzel für pflanzliche Produkte genutzt werden dürfen. Zwei Drittel (67 Prozent) halten das für unwichtig. Knapp zehn Prozent haben keine Meinung.
Wie steht Deutschland zu dem Vorhaben?
Eine Position zu dem konkreten Vorhaben des Parlaments hat die Bundesregierung bislang nicht kommuniziert. "Die Regierungsparteien haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass Verbraucherinnen und Verbraucher selbstbestimmt entscheiden sollen, wie sie sich ernähren", teilte ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums vor der Abstimmung in Straßburg mit.
Grundsätzlich begrüße das Ministerium die klare Unterscheidung und Erkennbarkeit traditionell tierischer Lebensmittel und pflanzlicher Fleischersatzprodukte. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte jüngst in einem Interview gesagt: "Eine Wurst ist nicht vegan." Weiter äußerte er sich zu dem Vorhaben des Europaparlaments jedoch nicht.
Das Parlament muss nun in Verhandlungen mit den EU-Staaten eine endgültige Einigung auf die neuen Regeln finden. Die dänische Ratspräsidentschaft teilte mit, man hoffe darauf, sich schnell einigen zu können. Ob sich für das Bezeichnungsverbot eine Mehrheit findet, ist unklar. Eine erste Verhandlungsrunde ist für den 14. Oktober vorgesehen.