Europa beginnt in Afrika – Die spanische Grenze in Marokko
Autor: Werner Diefenthal
Deutschland, Mittwoch, 06. April 2022
In Afrika liegt die Grenze zu Europa in Marokko: Eine spanische Enklave grenzt direkt an das Königreich. Warum kommt es dort immer wieder zu Problemen?
- Wo liegen Ceuta und Melilla?
- Warum gibt es dort eine Landesgrenze?
- Welche Probleme treten dort auf?
Im Königreich Marokko liegt die Grenze zwischen Europa und Afrika. Diese Grenze sorgt für Probleme, hauptsächlich durch dort über diese Grenze flüchtende Menschen. Sobald diese in Ceuta oder Melilla sind, sind sie rein theoretisch auf spanischem Territorium und können dort um Schutz und Asyl bitten. In der Vergangenheit sorgte das immer wieder für massiven Ärger. Doch warum gibt es dort diese Grenze? Und wie könnte man die Probleme dort lösen?
Ceuta und Melilla - eine spanische Enklave in Afrika
Es klingt im ersten Moment seltsam: Immer noch existiert eine spanische Enklave auf dem afrikanischen Kontinent und damit auch eine Landesgrenze zwischen dem Königreich Marokko und Spanien. Doch wie kam es dazu?
Im 15. Jahrhundert, nachdem die Besetzung Spaniens durch die Mauren beendet war, begannen die Spanier und Portugiesen, Niederlassungen an der marokkanischen Küste zu gründen. Während des aufkommenden Imperialismus begannen verschiedenen europäische Staaten, darunter auch Frankreich, mit gierigen Blicken nach Afrika zu schauen. Marokko konnte sich lange gegen die Besetzung des Landes durch eine europäische Kolonialmacht wehren. Mit der Besetzung Algeriens 1830 und Tunesiens rückte die Bedrohung immer näher. Schließlich konnte auch Marokko aufgrund von inneren Unruhen und zunehmender Staatsverschuldung gegen die Europäer nicht mehr Stand halten. Am 30. März 1912 unterzeichnete der amtierende Sultan in Fès den Protektoratsvertrag mit Frankreich, den "Vertrag von Fès". Dadurch verlor Marokko offiziell seine Unabhängigkeit, was zu Protesten und Aufständen der marokkanischen Bevölkerung führte. Frankreich wurde offiziell bis zum 02. März 1956 Protektoratsmacht in Marokko. Der französisch-spanische Vertrag vom 27. November 1912 teilte Marokko in zwei Protektoratszonen. Spanien erhielt kleine Gebiete im Norden (um die Städte Ceuta, Tetouan und Melilla) und im Süden Marokkos (heute Westsahara). Der Sultan blieb zwar das offizielle Oberhaupt des Landes, hatte aber nur noch eine repräsentative Funktion. Marokko wurde erst 1956 in die Unabhängigkeit entlassen und Mohammed V., der bereits 1927 das Amt des Sultans bekleidete, wurde 1957 Staatsoberhaupt und König von Marokko.
Die an der Nordküste Afrikas gelegenen Städte Ceuta und Melilla gehören seit Jahrhunderten zu Spanien. Beide gehen auf Gründungen der Phönizier zurück und wurden im Laufe ihrer abwechslungsreichen Geschichte von Karthagern, Römern, Vandalen, Byzantinern, Westgoten und Arabern beherrscht. Spanier und Portugiesen nahmen die Städte im 15. Jahrhundert ein - quasi als Fortsetzung der Reconquista (Rückeroberung), mit der die christlichen Heere die arabischen Herrscher von der Iberischen Halbinsel vertrieben hatten. Ceuta, auf einer Halbinsel an der Meerenge von Gibraltar gelegen, wurde 1415 von den Portugiesen erobert. Die Spanier übernahmen 1580 mit der Annexion Portugals die Herrschaft über die Stadt. Ceuta blieb spanisch, auch als Portugal 1640 die Unabhängigkeit zurückerlangte. Das 300 Kilometer weiter östlich gelegene Melilla wurde 1497 von den Spaniern erobert. Beide Städte sind heute Militärstützpunkte, deren Territorium auf der einen Seite ans Meer und auf der anderen an Marokko angrenzt.
Noch immer zählt Spanien neun afrikanische Besitzungen, aber außer den "autonomen Städten" Ceuta und Melilla sind das praktisch unbewohnte Inseln entlang der marokkanischen Mittelmeerküste. Während französische und spanische Truppen bis in die 1920er Jahre hinein ihre Herrschaft über Marokko langwierig zu konsolidieren suchten, war der koloniale Eroberungszug im westlichen Ausläufer der Sahara mehr als 1000 Kilometer südlich des Mittelmeerstrands merklich einfacher. Was nicht zuletzt daran liegt, dass die westliche Sahara seit jeher eine der am spärlichsten besiedelten Gegenden der Welt ist. Fehlende soziale Infrastruktur ermöglichte Spanien die relativ ruhige Ausbeutung dortiger Ressourcen. Im Norden, in Marokko, suchte das seit napoleonischen Tagen als unfähig verdammte spanische Militär seinen altvorderen heroischen Status wiederzugewinnen. Allen voran der monarchistische Kolonialkrieger und spätere Diktator Francisco Franco, der am Ende nur obsiegte, weil er und seinesgleichen das französische Eroberungsmodell kopierten: Sie spielten eine Volksgruppe als Hilfstruppe gegen eine widerständige Volksgruppe aus. Franco setzte dabei vor allem seine "Moros" ein, die als Halsabschneider in die Geschichte eingingen, da sie mit äußerster Brutalität vorgingen und ihren Opfern die Hälse durchschnitten. Diese Ejército de África (Armee von Afrika) wurde von Küstenflugplätzen durch deutsche und italienische Flieger nach Spanien geschafft. Ceuta war einer der Feldflugplätze der Putschisten.
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