Ab in die Unterwelt
Autor: Yannick Hupfer
Bad Steben, Donnerstag, 21. November 2019
Wir reisen nach Schweden und in die Sahara. Aber haben wir schon einmal das letze intakte Schieferbergwerk im Nordosten Frankens besucht? Die harte Arbeit im Bergstollen ist ebenso untrennbar mit dem Schieferland verbunden wie die feine Kost in der Confiserie.
Wie Messerspitzen hängen die großen, schwarzen Platten von der Decke. Inmitten des rund 1,5 Meter breiten Weges verlaufen Schienen. Es ist kalt. Wenn Manfred Teichmann auf den Schienen in den Stollen seines Schieferbergwerks hineinfährt, ist er stets dick eingepackt.
"Unter Tage" bleibt das Thermometer bei acht Grad Plus stehen. Auf dem Boden sammeln sich Pfützen, es ist eng und ungemütlich. Die Luft ist nasskalt. Will man hier stehen, muss man das Genick einziehen. Ein Helm ist unerlässlich. Teichmann fährt weit in den dunklen, von einzelnen Lichtern erhellten Stollen hinein, bis er ankommt, wo er hinwollte.
All die Enge auf dem Weg verschwindet, als Manfred Teichmann in einem Stollen stoppt, der so groß ist wie eine Turnhalle. Hier wird aktuell abgebaut, Platte für Platte verschwindet der Schiefer. Er wird raus ans Tageslicht gebracht. "Bei uns geht es nicht nach Akkord", erklärt der Inhaber des Schieferwerks Lotharheil und Teichmann. Abgebaut werde nur auf Auftrag. Das war nicht immer so. Das Bergwerk liegt in Geroldsgrün, im Ge opark Schieferland. Will man hierher, fährt man entlang einer kurvigen, engen Strecke hinunter. Hier im Frankenwald drehte sich jahrzehntelang alles nur um den Schiefer. Er war Arbeit- und Impulsgeber der Region.
Bereits seit 1857 existiert das Schieferwerk Lotharheil. Freiherr von Faber sicherte sich damals das Abbaurecht, er brauchte das Material für seine Fabrik in Geroldsgrün. Als in der Schule auf Schiefertafeln geschrieben wurde, boomte Fabers Geschäft. 1895 allerdings verkaufte er die Fabrik schon wieder, der Schiefer war für seine Einsatzzwecke zu hart. An Material mangelt es der Region noch heute nicht. Je näher man an die thüringische Grenze kommt, desto mehr Schiefer findet man.
Von wegen dunkel und trist...
"Wenn Sie hier in den Boden graben, stoßen Sie fast immer auf Schiefer", sagt Nicole Wittig vom deutschen Schiefertafel-Museum in Ludwigsstadt. Es sei allerdings kein einfaches Material. Nur etwa zehn Prozent des geförderten Schiefers könne man schlussendlich verarbeiten. Vor allem im 19. Jahrhundert war der Frankenwald bekannt für seinen Schiefer. 20 Millionen Tafeln wurden hier laut Wittig pro Jahr produziert. "Wir waren das Zentrum der Schiefertafelproduktion", erklärt sie stolz.
Während der Schiefer heute meist aus Spanien und Portugal kommt, exportierte man damals rund um den Globus: "Kinder auf der ganzen Welt haben auf Tafeln aus Ludwigsstadt geschrieben."
Doch mit dem Ruhm kam auch viel Leid in die Region. Zwölf-Stunden-Arbeitstage und fünf Tage Urlaub pro Jahr waren Standard. Dazu schlechte Arbeitsbedingungen im Bergwerk. Durch das Grundwasser standen die Füße meist im Wasser.