Wie Maschinen fühlen: Professor Dörner aus Bamberg baut eine künstliche Seele (mit Video)
Autor: Natalie Schalk
Bamberg, Sonntag, 03. Dezember 2017
Konstrukteur der Seele: Professor Dietrich Dörner bringt Computern Gefühle bei und rührt dabei an Träume und Ängste, die wir aus Science Fiction kennen.
H unger, Angst, Liebe: Solch simple Gefühle kennen Dietrich Dörners Maschinen. Aber Schuldgefühle verstehen sie zum Beispiel nicht: "Ich habe etwas getan und könnte deshalb ausgeschlossen werden - das setzt differenzierte Überlegungen voraus." Dörner zuckt die Schultern. "Komplexe Emotionen können Maschinen noch nicht." Der emeritierte Professor für Theoretische Psychologie sitzt in seinem kleinen Büro in der Bamberger Uni vor der Maschine, der er das Fühlen beigebracht hat. Kein Roboter, sondern ein Computer. Aber die künstlichen Seelen des Computerprogrammes lassen sich theoretisch auch in körperliche Maschinen pflanzen. "Och", sagt Dörner im Plauderton, "ich würd' das schon machen. Man bräuchte ein paar Millionen Euro. Man müsste schauen, was für einen Körper so ein Wesen haben soll. Aber es wäre doch überzeugender, wenn es in der Gegend rumliefe und nicht nur auf dem Bildschirm."
Roboter im Computer eines Bamberger Professors
Der Bildschirm zeigt eine Art Landkarte mit bunten Flächen und herumwuselnden Punkten. "Das sind in Gruppen lebende Roboter, die in einer Umgebung im Computer existieren." Dörner nennt die virtuellen Wesen "Mäuse", weil sie so klein und niedlich sind. Im Moment sind es 116. Aber das wird nicht lange so bleiben. "Es ist eine ziemlich harte Umgebung."
Hier im Video spricht Dietrich Dörner darüber, was wir Menschen von den "Mäusen" lernen können - und was seine Forschung zur Künstlichen Intelligenz bedeutet:
Der Professor wählt eine "Maus" zur Beobachtung aus und schaltet den Lautsprecher an: Geräusche wie Bellen, Schlürfen, eine Art Quietschen und Hecheln simulieren akustisch den Gefühlszustand des virtuellen Wesens. Optisch anschaulich wird's durch ein kleines Fenster mit einem Gesicht. "Um die Emotionen sichtbar zu machen, haben wir ihnen 14 Muskeln gegeben." Die Grafik ist ganz schlicht, dennoch ist das Minenspiel eindrucksvoll: weit aufgerissene Augen, eine verzerrte Fratze, dunkelrote Haut. Dazu ein Quietschen. "Jetzt ist sie durch so eine Dornenhecke gelaufen." Dörner zeigt auf eine violette Fläche in der virtuellen Landschaft. Der langsam davon wegblinkende Punkt ist unsere Maus. "Sie hat sich verletzt, beruhigt sich aber jetzt." Das Bildschirmgesicht hat eine normale Farbe angenommen. Dann verschwindet es einfach. "Na", sagt der Professor. "Jetzt isse tot."
Die künstlichen Wesen bekommen Kinder
Er wählt auf dem Bildschirm eine andere Maus aus, wieder öffnet sich ein Fenster mit einem Gesicht. Ein weiteres Fenster zeigt verschiedene Diagramme. 35 bis 40 Variablen bestimmen den Charakter des Wesens. "Sie sind unterschiedlich gewichtet. Für die eine hat Soziales ein höheres Gewicht, für andere Leistungsmotivation. Ich kann was, ich bin was wert für die Gruppe - das ist bei Männern stärker ausgeprägt." Wenn die Mäuse Kinder bekommen, mischen sich ihre Eigenschaften. Außerdem wird ihr Programm immer weiterentwickelt. Bestimmt 50 Versionen gebe es inzwischen. Die Mäuse freuen sich, sie fühlen Lust und Sympathie, haben Sex, kriegen Kinder und erziehen sie, indem sie ihr Wissen in deren Gedächtnis kopieren. Sie haben Freunde und Feinde und sind auf soziale Kontakte programmiert.