Bonusprogramme und Couponing (Gutscheine) bei Discountern, Supermärkten und Drogerien haben Konjunktur. 20 Millionen Verbraucher nutzen Bonusprogramme und haben entsprechende Apps auf ihrem Smartphone geladen. Eigentlich nicht verwunderlich, dass die Kunden alles versuchen, bei den alltäglichen Ausgaben zu sparen. Ob das wirklich gelingt, hat die Preisvergleichs-App Smhaggle (Cleveres Sparen) für Lebensmittel im Auftrag der Wirtschaftszeitung Handelsblatt untersucht. Die Ergebnisse sind ernüchternd, wie auch die "Stiftung Warentest" in ihrer Analyse bestätigt. Wir berichten über die Ergebnisse und Gründe, warum der Handel den großen Aufwand mit der modernen Variante der "Treuepunkte" betreibt.
Die magere Bilanz der Bonusprogramme
Im Vergleich der neun Bonusprogramme von Supermärkten, Discountern und Drogerien liegt die Lidl-Plus-App an der Spitze. Kunden, die dieses Programm im Jahr 2023 nutzten, haben dadurch, folgt man der Smhaggle-Analyse, ihre Ausgaben im Schnitt um 0,99 % gedrückt. Beim Einsatz der Netto-App reduzierten sich die Ausgaben im Schnitt gerade mal um 0,19 %.
Das Bonusprogramm von Edeka erreicht mit einer Ersparnis von 0,98 % immerhin den zweiten Platz. Die Penny-App spart gerade mal 0,28 %, die Rewe-App0,22 % und die App von Netto 0,19 %. Als noch weniger effektiv zeigten sich in der Smhaggle-Analyse die händlerunabhängigen Bonusprogramme. So reduzierten sich die Gesamtausgaben durch die bei Rewe, Penny und dm gesammelten Payback-Punkte durchschnittlich auf 0,11 %. Durch den Einsatz der DeutschlandCard bei Edeka und Netto sogar nur um 0,05 %. Das Bonusprogramm vom Drogerie-Discounter Rossmann spart 0,45 % und das von dm als Payback verpackt 0,11 %.
Bonusprogramm: Lidl Plus
Ersparnis für die Kunden: 0,99 %
Bonusprogramm: Edeka-App
Ersparnis für die Kunden: 0,98 %
Bonusprogramm: Rossmann-App
Ersparnis für die Kunden: 0,45 %
Bonusprogramm: Kaufland Card
Ersparnis für die Kunden: 0,41 %
Bonusprogramm: Penny-App
Ersparnis für die Kunden: 0,28 %
Bonusprogramm: Rewe-App
Ersparnis für die Kunden: 0,22 %
Bonusprogramm: Netto-App
Ersparnis für die Kunden: 0,19 %
Bonusprogramm: Payback (u.a. Rewe, Penny, dm)
Ersparnis für die Kunden: 0,11 %
Bonusprogramm: DeutschlandCard (Edeka, Netto)
Ersparnis für die Kunden: 0,05 %
Kein Händler nennt auf Nachfrage des Handelsblatts die durchschnittlichen Einsparungen für das von ihm angebotene Programm. Alle betonen unisono, dass sich ihr Bonussystem lohnt. Fragt sich nur für wen: den Kunden oder den Händler?
Verringerung der gesamten Ausgaben des Kunden bei Lebensmittelhändlern und Drogerien in %, Analyse von 3,5 Millionen Kassenbons im Jahr 2023, Quelle: Smhaggle im Auftrag des Handelsblatts. Smhaggle ist eine Firma mit Sitz im südhessischen Rheingau-Taunus-Kreis in Idstein, die eine Preisvergleichs-App anbietet. Der Geschäftsführer ist Sven Reuter.
Worum geht es bei den Bonusprogrammen?
Die Interessen bei den Supermarkt-Apps sind unterschiedlich. Den Kunden geht es um günstiges Einkaufen. Angesichts der generellen Inflationsrate von knapp 6 % im letzten Jahr und von gewaltigen Preissteigerungen von 12,4 % bei Nahrungsmitteln, ist das mehr als verständlich. Viele Verbraucher nutzen gleich mehrere Bonuskarten und Coupon-Aktionen, um möglichst wenig beim Einkauf auszugeben. Die Händler dagegen verfolgen zwei andere Ziele: Kundenbindung und sie wollen möglichst viele Daten über das Einkaufsverhalten sammeln. Aber geht die Kalkulation auf?
Bei den Kunden wohl kaum: Die Daten von Smhaggle zeigen, dass im Schnitt die Bonusprogramme Ersparnisse nur unter 1 % bringen. Weil das den Ketten bewusst ist, locken sie ihre Kunden über zusätzliche Schnäppchen (Couponing), die zum mageren Bonus obendrauf kommen. Nach einer Umfrage aus dem Jahr 2017 nutzten rund 25 % der befragten Verbraucher in Deutschlandverschiedene Gutschein-Apps auf ihrem Smartphone.
Das Verbrauchermagazin des Hessischen Rundfunks MEX hat mit einer Stichprobe ermittelt, wie viel Kunden mit den Coupons sparen können. Bei Lidl waren das im Testeinkauf 25 Angebote (fünf passende zur persönlichen Einkaufsliste), bei Rewe sind es 20 (vier passende) und bei Edeka 22 (drei passende). Nutzt der Kunde die passende Auswahl zu seinem persönlichen Bedarf bei drei bis fünf Produkten, dann steigert sich die Ersparnis, bei einem Warenkorb von 50 Euro, bei Rewe auf 2,29 %, bei Edeka 1,28 % und bei Lidl sind es immerhin 3,36 %.
Supermärkte, Discounter und Drogerien haben nichts zu verschenken
Die Analyse von Sven Reuter, Chef von Smhaggle, die er dem Verbrauchermagazin MEX präsentierte, zeigt, dass es auch mit der Kundenbindung nicht so weit her ist: Nach den Daten von Smhaggle bleiben nur 19 % der Konsumentinnen und Konsumenten ihrem Händler und der Marke treu. Über 80 % entscheiden Woche für Woche neu, bei wem sie einkaufen. Wichtiger als Bonusprogramme sind die aktuellen Angebote. Reuter geht in seinem Fernsehstatement sogar so weit zu sagen, dass die Bonus-Kunden besonders preissensibel sind und nach dem günstigsten Angebot Ausschau halten. Die Bonus-Card oder App sind ihnen dabei ziemlich egal.
Wichtiger als die Kundenbindung sind die Daten zu den Konsumgewohnheiten. Wie das funktioniert, beschreibt die Verbraucherzentrale NRW auf ihrer Internetseite: Kaufte eine Frau früher Rotwein und verzichtet sie jetzt darauf, dann kann sie schwanger sein. Passend dazu schickt der Händler ihr deshalb Angebote für alkoholfreie Vitaminsäfte. Nach dem Motto: Hauptsache, die Kunden kommen in den Laden. Sie kaufen dann idealerweise nicht nur die Angebote, sondern weitere ebenso andere Produkte, die keine Angebote sind.
Sabine Holzäpfel, Lebensmittel-Expertin der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, erläutert in den Badischen Neusten Nachrichten, dass die Supermärkte, Discounter und Drogerien nichts zu verschenken hätten. "Sie haben etwas davon, wenn ihre Kundinnen und Kunden die Apps verwenden." Die Handelsketten erfahren so per App, wann ihre Kunden welche Produkte in welchen Filialen einkaufen. Sie könnten so gezielt individuelle Werbung adressieren. "Man wird dadurch eher dazu verleitet, mehr einzukaufen", sagt Holzäpfel.
Aldi Nord geht einen anderen Weg
Übrigens: Aldi-Nord verzichtet komplett auf eine Rabatt-App und auf Coupons. Gegenüber MEX erklärt der Discounter: "ALDI-Nord verzichtet auf komplexe App-Rabatte oder Punktesysteme und bietet als Preisführer jederzeit allen Kundinnen und Kunden einfach und konsequent die besten Angebote zum original ALDI Preis." Ob das stimmt, müssen die Kunden am Ende selber herausfinden.
Die Verbraucherzentralen sehen die Apps insgesamt sehr kritisch. "Möglicherweise kaufen Sie Dinge, die Sie eigentlich gar nicht brauchen, oder sind viel unterwegs, weil Sie von Händler zu Händler pilgern", schreibt die Verbraucherzentrale Hamburg. Nur wer über einen recht langen Zeitraum aktiv die App nutzt, könne der Kunde durch Boni und Cashback einen nennenswerten Betrag einsparen. Und: "Natürlich zahlen Sie für die Vergünstigungen mit Ihren persönlichen Daten. Schon beim Anlegen des Kundenkontos fängt das Datensammeln an. Das sollten Sie immer bedenken", schreibt die Verbraucherzentrale. Bei der Anmeldung sind fast immer sensible Daten preiszugeben: Name, Geburtsdatum oder Anschrift.
Die Stiftung Warentest hat im Mai 2023 insgesamt 13 Apps unter die Lupe genommen. Der Test hat gezeigt: Keine Rabatt-App bringt bei jedem Einkauf so große Preisvorteile, dass Sparfüchse sie auf jeden Fall auf ihrem Smartphone haben sollten. Der Mindestrabatt beträgt oft nur 0,5 bis 1 Prozent. "Dafür sind die Apps in Bezug auf persönliche Daten und Einkaufsdaten besonders sammelwütig", schreibt das Test-Team in seinem Report. Bei Smhaggle war das Bonussystem von Lidl das, mit dem höchsten Rabatt, bei der "Stiftung Warentest" ist es das von der Drogeriekette Rossmann. Alle zwei Monate gibt es vier 10-Prozent Coupons für den gesamten Einkauf in den Filialen – ausgenommen sind nur Produkte mit Preisbindung wie Bücher.
Strecken und Bücken lohnt sich
In den Vor-Smartphone-Zeiten sammelten Handelshäuser mit Gewinnspielen Kundendaten. Außerdem versuchten sie, die Kunden mit Treuepunkten, aufgeklebt in Sammelheftchen, an sich zu binden. Wenn das Heft voll war, gab es ein Geschenk. Oft aber nur mit Zuzahlung.
In der App-Welt sind ihre Möglichkeiten ungleich größer. Wichtig ist unverändert, die Angebote zu vergleichen und dabei auf die Grundpreisangabe an den Regalen zu achten. Noch ein Tipp: Es lohnt sich auf jeden Fall, sich zu bücken und zu strecken. Denn häufig stehen die günstigeren Produkte ganz oben oder unten im Regal.
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