Druckartikel: Läutet das KI-Phone der Telekom das Ende einer Ära ein? Erstes Smartphone ohne Apps

Läutet das KI-Phone der Telekom das Ende einer Ära ein? Erstes Smartphone ohne Apps


Autor: Agentur dpa, Kevin Kosmann

Barcelona, Donnerstag, 18. April 2024

Die Deutsche Telekom hat ehrgeizige Pläne: In Zusammenarbeit mit zwei US-Firmen strebt sie an, die Gewohnheiten im Smartphone-Bereich zu revolutionieren. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz sollen Apps an Relevanz verlieren. Wie genau das aussehen soll, erfährst du von uns
Der Gründer und Chef des US-Technologieunternehmens Brain Technologies, Jerry Yue, stellt bei der Mobile World Congress in Barcelona den Prototypen eines KI-Smartphones der Deutschen Telekom vor.


  • Deutsche Telekom und US-Partner Brain Technologies entwickeln KI-Phone
  • Künstliche Intelligenz soll Nutzung von Apps überflüssig machen
  • Telekom-KI-Phone könnte neue Smartphone-Ära einläuten
  • Skepsis bei Experten, doch Potenzial für Veränderung erkannt

Ob Navi, Shopping-Portal oder Video-Streaming: Wer sein Smartphone nutzt, wischt häufig hin und her, um von einer App zur nächsten zu kommen. Geht es nach der Deutschen Telekom und deren US-Partner Brain Technologies, hat genau das perspektivisch ein Ende: Der Konzern stellte am Montag beim Mobile World Congress (MWC) in Barcelona den Prototypen eines Smartphones vor, bei dem der Nutzer keine Apps mehr sieht. Eins von vielen Technik-Highlights des diesjährigen MWC in Barcelona. Mehr zur geplanten Smartphone-Revolution aus dem Hause Telekom erfährst du hier von uns.

Neues KI-Phone auf MWC 2024 vorgestellt: Künstliche Intelligenz soll Apps überflüssig machen

Statt auf dem Screen herumzutippen, sollen in Zukunft Sprachbefehle reichen: Von  "such mir ein Geschenk für meinen Sohn" über "zeig mir den kürzesten Weg zu meinem Lieblingsrestaurant" bis hin zu "sag mir, wie ich ohne Streichhölzer Feuer im Wald mache." Eine Künstliche-Intelligenz, der sogenannte KI-Concierge geht dann im Netz auf die Suche und zeigt Lösungen auf dem Screen an, ob Fotos oder Texte. Das soll einfacher sein als das Gefummel mit verschiedenen Apps.

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Die sind dann nicht mehr nötig. Die Apps können auf dem Smartphone zwar im Hintergrund laufen, zu sehen sind sie aber nicht - sie spielen nur noch eine Nebenrolle, wenn überhaupt. "Das Smartphone kommt komplett ohne Apps aus", betont Telekom-Innovationschefin Claudia Nemat. Bei dem Vorhaben hat der Bonner Konzern mit der KI-Firma Brain Technologies und mit dem Chiphersteller Qualcomm zusammengearbeitet, beide aus den USA. 

Beim genutzten Telefon handelt es sich um das Mittelklasse-Smartphone T-Phone. Das Besondere ist, was der Technologiepartner Brain daraus gemacht hat: Von ihm kommt die KI, die über die Cloud arbeitet. Außerdem gibt es eine zweite Version des KI-Phones, das offline arbeitet und einen Highspeed-Prozessor von Qualcomm hat. Ob eins dieser beiden derzeit nur als Prototyp existierende Handys jemals fertig entwickelt und im Laden zu kaufen sein wird, ist unklar.

KI-Phone soll bald auf dem Markt kommen - Experten sind skeptisch, aber sehen Potenzial

Der Gründer und Chef von Brain Technologies, der 30 Jahre alte Amerikaner Jerry Yue, ist davon fest überzeugt. "Es wird auf den Markt kommen", sagt der umtriebige Geschäftsmann, der es 2022 auf die Forbes-Liste der 30 unter 30 und zu den 30 einflussreichsten Unternehmern jünger als 30 Jahre zählte.  Auf die Frage, wann das Gerät zu kaufen sein werden, sagt er: "Ich denke nicht, dass Sie sehr lange warten müssen." Mit großem Selbstvertrauen tritt er vor das Publikum am Messestand der Telekom und sagt mit Inbrunst der Überzeugung, dass er auf einer Mission sei, und die laute: "Die Zukunft wird frei von Apps sein." Die Macht, die die Apps derzeit hätten, werde zurückgehen - und zwar an die Nutzer.

Auf die Frage nach dem Marktstart geben sich Telekom-Verantwortliche zurückhaltend. Aber selbst wenn es am Ende nichts wird mit einem fertigen Produkt, so könnte das Projekt der Telekom das Ende der App-Ära einleiten. Ein Branchenvertreter, dessen Unternehmen im Wettbewerb mit der Telekom steht und seinen Namen nicht veröffentlicht haben will, sagt, dass das Vorhaben Potenzial habe. "Das werden wir im Blick behalten."

Ben Woods vom Beratungsunternehmen CCS Insight sieht einen starken Trend hin zur Künstlichen Intelligenz in der Mobilfunkbranche. Das KI-Phone der Telekom sei hierbei ein interessantes Beispiel, wie die Zukunft aussehen könnte. Dass das Smartphone nun als fassbarer Prototyp in der Öffentlichkeit vorgestellt worden sei, sei ein bemerkenswerter Schritt, zumal ausgerechnet ein Netzbetreiber das tue. Die Telekom sei offenbar fest davon überzeugt, sich mit so einem Produkt von der Konkurrenz unterscheiden zu können, sagt der Branchenfachmann. Bezüglich einer Markteinführung sei er derzeit aber skeptisch. Woods sieht zudem "das Risiko eines Hypes", der sich von der Realität absetze, vor allem da Netzbetreiber bei Hardware bisher nicht allzu erfolgreich gewesen seien.

Telekom-KI-Phone soll neue Smartphone-Ära einläuten: Apple und Google setzten weiter auf Apps

Die Telekom betont, dass es ihr um die Kundenbindung gehe - dass also Kunden treu bleiben oder zu Magenta wechseln, weil das Gerät neue Möglichkeiten biete. Annette Zimmermann vom Beratungsunternehmen Gartner rechnet damit, dass die Branche künftig noch mehr Geräte dieser Art herausbringen werde. Und wie reagiert die Konkurrenz auf den Telekom-Prototypen, der perspektivisch den Abschied von Apps einleiten könnte?

Vodafone macht deutlich, dass es Apps auch künftig für wichtig halte. Marcel de Groot, der für Privatkunden zuständige Geschäftsführer für Privatkunden, sagt, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Bedienung von Smartphones auf lange Sicht zwar revolutionieren könne, jedoch auch, dass nachhaltige Veränderung Zeit benötigen. "Wir glauben, dass Smartphone-Hersteller und App-Anbieter ihre Services und Anwendungen zunächst so anpassen werden, dass der Datenaustausch mit anderen Apps und Betriebssystemen über KI-Funktionen leichter und besser funktioniert." 

So sehen das auch marktführende Mobilfunk-Anbieter, denn auf den iPhones von Apple und Telefonen anderer großer Hersteller mit dem Google-System Android, spielen Apps immer noch die Hauptrolle. Auch wenn Nutzer mithilfe von Widgets die Oberfläche zum Teil selbst gestalten können. Der iPhone-Konzern bietet zudem für seine Computer-Uhr Apple Watch ein Zifferblatt an, auf dem Software-Algorithmen die gerade passenden Informationen anzeigen sollen. Es bleibt vorerst abzuwarten, ob die Idee der Telekom zukunftsweisend ist, aber sie könnte das Ende einer Ära einläuten.