Nachfolge für das 9-Euro-Ticket: Welche Lösung kommt - und wann ist es so weit?
Autor: Klaus Heimann, Redaktion
Deutschland, Dienstag, 23. August 2022
Ende August ist Schluss mit dem 9-Euro-Ticket. Die Verkehrspolitik streitet um eine Nachfolgelösung. Interessante Ideen liegen auf dem Tisch.
- Die Bilanz des 9-Euro-Tickets kann sich sehen lassen
- Auf der Kippe: Notwendig oder nur Tribut an die Gratismentalität?
- Die Grünen wollen das 29- und 49-Euro-Ticket
- Das ist denkbar: das 365-Euro-Ticket für ein Jahr
- Prozess zur Entwicklung eines Nachfolgeplans soll im Herbst starten
Damit hatte die Politik nicht gerechnet: 38 Millionen verkaufte 9-Euro-Tickets. Durch diese Zahl kommt sie in Zugzwang, eine attraktive Anschlusslösung zu finden. Lösungsideen gibt es. Der Knackpunkt ist die Finanzierung. Am Tag der offenen Tür im Kanzleramt (21. August 2022) hat Bundeskanzler Olaf Scholz jetzt Gespräche über eine Nachfolgeregelung angekündigt. Noch in diesem Jahr, soll die Frage nach einer Fortsetzung des günstigen Tickets in angepasster Form geprüft werden.
Die Bilanz des 9-Euro-Tickets kann sich sehen lassen
Die Bilanz des 9-Euro-Tickets kann sich sehen lassen. Es ist eines der erfolgreichsten, aber ebenso umstrittensten Projekte der Ampelkoalition: das Neun-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr. Der Verband der Verkehrsunternehmen rechnet vor, dass seit dem Verkaufsstart Ende Mai bis heute bundesweit kumuliert etwa 38 Millionen 9-Euro-Tickets (Stand: 08.08.2022) verkauft wurden.
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Die Zahlen korrespondieren mit einer recht positiven Bewertung dieses Angebots in der Gesamtbevölkerung. Etwas weniger als die Hälfte aller erwachsenen Deutschen bewerten das 9-Euro-Ticket positiv. Dies hat eine repräsentative Befragung des Meinungsforschungsinstituts Civey unter 10.000 Bürgerinnen und Bürgern im Auftrag der eon-Stiftung ergeben. Demnach sehen 43 Prozent der Befragten die Einführung positiv, 38 Prozent sehen darin eine negative Maßnahme der Bundesregierung. Wie nicht anders zu erwarten, ist die Landbevölkerung besonders kritisch. Können sie doch kaum vom Sonder-Ticket profitieren, wie die FAZ berichtet.
Der Geschäftsführer der eon-Stiftung, Stephan Muschick, berichtete in der FAZ im Zusammenhang der Umfrage-Ergebnisse von einer Spaltung bei den unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnissen zwischen Stadt und Land. "Während Menschen in den Städten ihre Monatskarten für drei Monate geschenkt bekommen, kommt die gewollte Benzinpreis-Reduzierung auf dem Land nicht an." Die wissenschaftliche Gesamtauswertung des Projekts laufe noch, berichtete Verkehrsminister, Volker Wissing, im ZDF. Der Verkehrsminister schätzt aufgrund erster Zahlen, dass die erreichte Verkehrsverlagerung vom Auto in die öffentlichen Verkehrsmittel bei drei bis vier Prozent liegt.
Auf der Kippe: Notwendig oder nur Tribut an die Gratismentalität?
Eine der spannendsten Fragen in diesem Sommer ist, wie es ab September mit dem 9-Euro-Ticket weitergeht. Wie nicht anders zu erwarten: die Parteien der Koalition streiten.
Besonders ist bei vielen Bürger*innen die Äußerung vom Parteivorsitzenden der FDP und Finanzminister, Christian Lindner, aufgestoßen. Dieser sagte, er sei von einer "Gratismentalität à la bedingungsloses Grundeinkommen" auch im öffentlichen Nahverkehr nicht überzeugt und plädiere deshalb für Ende der Regelung. Das erklärte er im Interview mit der Augsburger Allgemeinen. Im Moment schießt der Bund 2,5 Milliarden Euro zu, um die Ausfälle der Bahn und der verschiedenen Verkehrsbetriebe durch die populäre, aber auf drei Monate beschränkte Rabattaktion im Nah- und Regionalverkehr zu kompensieren. Die negative Haltung von Lindner überrascht: Nutzen doch FDP-Wähler mehrheitlich und ausgiebig mit 53 Prozent das Ticket, wie das Forschungsinstitut INSA für die Bild-Zeitung herausgefunden haben will.