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Krankenkassen-Zusatzversicherungen: Welche sind unnötig, welche umso wichtiger?


Autor: Klaus Heimann

Deutschland, Sonntag, 01. Dezember 2024

Krankenkassen bieten eine Reihe von ergänzenden Zusatzversicherungen an. Nicht alle sind sinnvoll, manche aber schon.
Zahlreiche Menschen schließen neben der GKV noch Zusatzversicherungen ab - dabei sind die meisten laut Experten gar nicht nötig.


Allein im Jahr 2022 stieg die Zahl der neuen Zusatzversicherungen um 2,2 % und erreichte den Rekordwert von nun 29,1 Millionen Versicherungen. Für Thomas Brahm, Vorsitzender des Verbands der Privaten Krankenversicherung (PKV), ist das die Bestätigung, dass immer mehr Menschen die private Vorsorge nutzen, um die Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufzustocken. Chefarzt, Heilpraktiker, Zähne – viel Geld fließt in die Extrapolicen. Doch ist jede private Zusatzversicherung auch sinnvoll? Dazu gehen die Meinungen auseinander.

Sind Zusatzversicherungen sinnlos oder sinnvoll?

Für Philipp Opfermann, Referent für Finanzen und Versicherungen bei der Verbraucherzentrale NRW, ist die Sache klar. Gegenüber dem Handelsblatt erklärte er: "Zusatzleistungen sind in aller Regel teuer und nicht so wichtig, weil das deutsche Gesundheitssystem alle notwendigen Kosten trägt." Bestärkt sieht sich Opfermann durch die wachsende Zahl von Zusatzleistungen, die die GKV anbieten und für den Versicherten in der Regel im Beitrag enthalten sind. 

In das gleiche Horn stößt die Stiftung Warentest. "Sinn­voll ist nur die Hälfte aller angebotenen Zusatzversicherungen", schreibt sie in ihrem schon etwas älteren Test-Report zu den Zusatzversicherungen. Allerdings bleiben die Ratschläge weitgehend ungehört. Immer mehr Menschen wählen eine private Zusatzversicherung, ergänzend zur GKV. 

Trotzdem ist klar: Krankenversicherte erhalten die Leistungen der GKV. Sie sichert die medizinische Grundversorgung für die meisten Bürgerinnen und Bürger flächendeckend so gut wie möglich ab. Welche Leistungen abgedeckt sind, hat der Gesetzgeber im sogenannten Leistungskatalog festgelegt. Dabei handelt es sich um Empfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses. Die Empfehlungen geben einheitlich den Rahmen für die medizinische Versorgung vor.

Fünf Fragen sind beim Abschluss von Zusatzversicherungen wichtig

Hinter der Überlegung zum Abschluss von Zusatzversicherungen steckt ein rationales Kalkül. Die Versicherten erleben, dass die Leistungen der Krankenkassen nicht alle Kosten (insbesondere beim Zahnersatz, Stichwort Implantate) abdecken. Auch wer Wert auf mehr Komfort (Einzelzimmer im Krankenhaus) legt, muss eine zusätzliche Versicherung abschließen.

Manchmal gibt es auch gravierende Lücken, beispielsweise bei Krankheit im Ausland. Da hilft nur eine Zusatzversicherung. Es verwundert deshalb nicht, dass die Auslandsreisekrankenversicherung mit 28,4 Mio. Verträgen der absolute Renner bei den Zusatzversicherungen ist. Diese empfehlen auch die Verbraucherorganisationen oder die Stiftung Warentest. Der Abschluss jeder Art von Zusatzversicherungen ist freiwillig. Die Versicherten sollten vor Unterzeichnung der Police, so der Ratschlag der Verbrauchzentrale, folgende Fragen prüfen:

  • Ist die Versicherung notwendig?
  • Welche Leistungen sind im Angebot?
  • Sind sämtliche Leistungen nötig?
  • Sind Teilleistungen zu vereinbaren?
  • Wie hoch sind die Kosten?

Das sind die sieben begehrtesten Zusatzversicherungen

Alle Krankenkassen bieten mit Kooperationspartnern Zusatzversicherungen an. Das sind üblicherweise die 42 privaten Krankenkassen, die sich im PKV-Verband (Verband der Privaten Krankenversicherung) zusammengeschlossen haben. Sie bieten eine Reihe von Zusatzversicherungen an, die je nach Krankenkasse in unterschiedlichen Paketen gebündelt sind.

Die häufigsten privaten Zusatzversicherungen 2022 (Bestand) waren nach Angaben des PKV-Verbands gegenüber inFranken.de die folgenden sieben:

  • Auslandsreise Krankenversicherung: 28,4 Mio.
  • Zahnzusatzversicherung: 18,4 Mio.
  • Ergänzungspaket für ambulante Behandlung: 8,7 Mio.
  • Krankenhaustagegeldversicherung: 7,4 Mio.
  • Zusatzversicherung für Wahlleistungen im Krankenhaus: 4,0 Mio.
  • Krankentagegeldversicherung: 3,7 Mio.
  • Pflegezusatzversicherung: 3,3 Mio.

Darüber hinaus gibt es weitere Zusatzversicherungen (wie z. B. eine Brillenversicherung), die aber nur relativ wenige Versicherungspolicen haben. Gerade diese Versicherungen hält die Stiftung Warentest für überflüssig. 

Die Auslandsreise Krankenversicherung ist weit verbreitet

Mögliche Leistungen der GKV im Ausland sind begrenzt. Die Kasse zahlt zwar für die Behandlung vor Ort und orientiert sich dabei an den Vorschriften des Reiselandes. Eine Erstattung ist also möglich, jedoch maximal in Höhe der Kosten, die sie auch für eine Behandlung im Inland übernehmen. Für einen Rücktransport nach Hause müssen Versicherte selbst aufkommen.

Bei einer Erkrankung auf Reisen außerhalb der EU bzw. in Länder, mit denen kein Sozialversicherungsabkommen besteht, übernimmt die Kasse überhaupt keine Kosten. Der Abschluss einer Reisekrankenversicherung für Auslandsaufenthalte ist deshalb sinnvoll.

Das sind die TOP 3 der günstigsten Aus­lands­kran­ken­ver­si­che­rungen, die das Handelsblatt im Juli 2024 ermittelte:

  • Inter Versicherungsgruppe: Auslandsreisekrankenschutz    
  • Preis: 9,00 Euro im Monat           
  • Zahnbehandlungen, Bergungskosten bis 10.000 Euro, Krankenrücktransport zum Wohnort, ohne Selbstbeteiligung, Corona Erkrankung ist abgesichert.

 

  • Travel Secure: Krankenschutz       
  • Preis: 11,00 Euro im Monat       
  • Zahnbehandlungen, Bergungskosten bis 10.000 Euro, Krankenrücktransport zum Wohnort, mit Selbstbeteiligung, Corona Erkrankung ist abgesichert.

 

  • Nexible: Kranken-Schutz   
  • Preis: 11,00 Euro im Monat        
  • Zahnbehandlungen, Bergungskosten bis 10.000 Euro, Krankenrücktransport zum Wohnort, mit Selbstbeteiligung, sofortige Bestätigung, Corona Erkrankung ist abgesichert. 

Die Zahnzusatzversicherung gibt es schon für rund 20 Euro

Die Zahnzusatzversicherungen bieten Kostenerstattung bei Leistungen, die von der GKV nicht abgedeckt sind. Die Versicherungen bietet in der Regel nur eine Grundversorgung an. Bei speziellen oder hochwertigeren Behandlungen kann der Eigenanteil für den Patienten hoch sein. In diesem Fall springt die Zahnzusatzversicherung ein.

Der Leistungsumfang umfasst eine Kostenerstattung für den Zahnersatz von in der Regel mindestens 90 %, eine Erstattung für die Zahnbehandlung (etwa Kunststoff-Füllungen) von mindestens 90 % und die Erstattung für professionelle Zahnreinigung in Höhe von mindestens 180 Euro pro Jahr. 

Und das sind die TOP 3 der günstigsten Zahnzusatzver­si­che­rungen mit höherem und gleichbleibenden Beitrag im Alter, die das Handelsblatt im Juli 2024 ermittelte:

  • LKH: ZU90+ (höherer Beitrag im Alter)
  • Preis: 20,50 Euro im Monat   
  • LKH: ZU90+L (gleichbleibender Beitrag)
  • Preis: 34,79 Euro im Monat 
  • Erstattungshöhe vom Bonusheft abhängig, inkl. Bleaching und Narkose

 

  • Astra Versicherung AG: ZahnMega (36 bis 40 Jahre)    
  • Preis: 20,79 Euro im Monat
  • ZahnMega (ab 61 Jahren)
  • Preis: 41,77 Euro
  • Vertragsunterlagen nur digital, inkl. Narkose

 

  • Allianz: MeinZahnschutz 90            
  • Preis: 23,58 Euro im Monat (höherer Beitrag im Alter)
  • Allianz: MeinZahnschutz 90 AR (gleichbleibender Beitrag)
  • Preis: 38,00 Euro im Monat    
  • Höhere Beitragsgruppe ab 1.06.2025, nicht abschließbar bei Knirscherschiene, inkl. Bleaching und Narkose

Die Krankentagegeldversicherung sichert den Lebensstandard

Wer auf sein volles laufendes Einkommen angewiesen ist, für den lohnt sich der Abschluss einer Krankentagegeldversicherung. Diese Police hilft, die Differenz zwischen dem Krankengeld, das bei Erkrankung oder Unfall gezahlt wird, und dem Nettogehalt auszugleichen. Denn Lohn und Gehalt zahlt im Krankheitsfall in der Regel nur bis zu sechs Wochen weiter der Arbeitgeber. Danach übernimmt die GKV 70 % des Bruttoeinkommens. Von diesem Betrag sind die Anteile zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung abzuziehen.

Alle diejenigen, die auf ihr volles Nettogehalt angewiesen sind, sollten den Abschluss einer Krankentagegeldversicherung prüfen.

Und das sind TOP 3 der günstigsten Krankentagegeldversicherung, die Stiftung Warentest im Juni 2018 ermittelt:

  • Deutsche Familienversicherung (DFV): Krankengeld/40
  • Qualitätsurteil: "gut" (1,8)
  • Monats­beitrag für Ein­tritts­alter 32 Jahre  
  • Preis: 13 Euro

 

  • Huk-Coburg: Krankentagegeld 5/40
  • Qualitätsurteil: "gut" (1,8)
  • Monats­beitrag für Ein­tritts­alter 32 Jahre  
  • Preis: 10 Euro

 

  • Bayer.Beamten Krankenkasse: TA43/40
  • Qualitätsurteil: "gut" (2,1)
  • Monats­beitrag für Ein­tritts­alter 32 Jahre  
  • Preis: 14 Euro

Die Pflegegeldzusatzversicherung wird immer wichtiger

Die Pflegegeldzusatzversicherungen boomen. Der Grund ist einfach erklärt: Die Kosten für die ambulante und stationäre Pflege steigen rapide. Dagegen steuern immer mehr Betroffene und die Angehörigen mit einer Pflegegeldzusatzversicherung an. Je nach Tarif steht ein monatlicher Geldbetrag zur freien Verfügung oder es gibt einen Zuschuss zu den Pflegekosten zu Hause oder im Pflegeheim

Es handelt sich um eine Ergänzung zur gesetzlichen Pflegeversicherung, die oft nur noch einen Teil der Kosten im Pflegefall abdeckt. Kannst du den fehlenden Betrag nicht aufbringen und keine Pflegegeldzusatzversicherung haben, müssen die Angehörigen (Kinder etc.) zahlen. Dies wollen viele ältere Menschen unbedingt vermeiden.

Funktioniert das nicht, zahlt die Sozialhilfe die verbleibenden Kosten. Sowohl die Beitragshöhe als auch die Tagesgeldhöhe richten sich nach den individuellen Vereinbarungen der Zusatzversicherung. Wer zum Beispiel ein Pflegetagegeld von 50 Euro vereinbart, erhält monatlich 1.500 Euro (30 Tage x 50 Euro).

Die Top 3 bei der Pflegezusatzvericherung

Und das sind TOP 3 der günstigsten Pflegezusatzversicherungen, die Morgen & Morgen im Juli 2023 im Auftrag der Wirtschaftswoche ermittelte. Bedingung: Sehr früher Eintritt, mit 30 Jahren. Je älter eine Person bei Versicherungsabschluss ist, desto höher ist der zu zahlende Monatsbeitrag. Zum Vergleich: Eine 40-jährige Angestellte würde für die gleiche Pflegegeldzusatzversicherung bei der Deutschen Familienversicherung 40,65 Euro bezahlen.

  • Deutsche Familienversicherung:
  • DeutschlandPflege Flex 1-5
  • Note: "sehr gut"
  • Monatlicher Betrag: 22,97 Euro 
  • Pflegegrad 1 ambulant: 150 Euro; Pflegegrad 4 ambulant: 1.050 Euro
  • Pflegegrad 1 stationär: 150 Euro; Pflegegrad 4 stationär: 1.500 Euro

 

  • ARAG: PIN 1 bis PIN 5
  • Note: "sehr gut"
  • Monatlicher Betrag: 26,37 Euro 
  • Pflegegrad 1 ambulant: 150 Euro; Pflegegrad 4 ambulant: 1.050 Euro
  • Pflegegrad 1 stationär: 150 Euro; Pflegegrad 4 stationär: 1.050 Euro

 

  • HUK-Coburg: PMv a/s 1 bis 5,
  • Note: "sehr gut"
  • Monatlicher Betrag: 27,89 Euro
  • Pflegegrad 1 ambulant: 60 Euro; Pflegegrad 4 ambulant: 1.050 Euro
  • Pflegegrad 1 stationär: 60 Euro; Pflegegrad 4 stationär: 1.050 Euro

Unsere Tipps zu den Zusatzversicherungen

Üblicherweise schließen die GKV mit privaten Versicherern Kooperationsvereinbarungen, um ihren Mitgliedern Zusatzversicherungen anzubieten. Das hat aber einen Haken: Die GKV bietet ihren Mitgliedern nur die Versicherung an, mit dem sie einen Partnervertrag haben. Das kann eine teure oder preiswerte Zusatzversicherung sein. Versicherte müssen das Angebot nicht annehmen, sie können frei wählen. 

Die GKV ist in jedem Fall nicht der Vertragspartner. Bei Unstimmigkeiten musst du dich an die Versicherung wenden, mit der du einen Vertrag abgeschlossen hast. Manchmal sind die Partner der GKV günstig, weil sie einen Rabatt einräumen, das muss aber nicht so sein. Deshalb gilt: Mehrere Angebote einholen und genau vergleichen.

Sehr oft gibt es bei Zusatzversicherungen eine Gesundheitsprüfung. Du solltest die Fragen unbedingt wahrheitsgemäß beantworten. Meistens erfolgt die Prüfung durch das Ausfüllen eines Gesundheitsfragebogens, in dem Angaben zu Krankheiten, Operationen, Krankenhausaufenthalten und Medikamenteneinnahmen zu machen sind.