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Neue Regeln beim BAföG: Das sollten Studierende und Eltern wissen


Autor: Klaus Heimann

Deutschland, Samstag, 16. März 2024

Die Renten und die Abgeordnetendiäten steigen mit der Inflation, die BAföG-Sätze für das Studium nicht. Auch die jetzt vorgesehenen Regelungen für die 29. Novelle fallen hinter den objektiven Notwendigkeiten deutlich zurück.
Das BAföG ist nicht ausreichend und zukunftsfest.


Das ist die Chance für den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner und die Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (ebenfalls FDP), sich als die wahre Bildungspartei und die Anwälte der jungen Generation zu inszenieren. Die Rede ist von der Neujustierung des BAföGs, das ist der vom Staat ausgelobte Finanzzuschuss für rund 490.000 Studierende. Vollmundige Ankündigungen, wie von der "weltbesten Bildung für alle" (Bettina Stark-Watzinger im Bundestag), gab es genug. Aber sind sie mit der 29. BAföG-Novelle, immerhin schon die dritte BAföG-Novelle, die die Handschrift der liberalen Partei trägt, zumindest ansatzweise eingelöst?

Der Anspruch: Die weltbeste Bildung für alle

Die Erwartungen an die "Bildungspartei" FDP waren groß, nachdem sie in der Ampelkoalition auf eigenen Wunsch die Verantwortung für das Bildungsministerium übernommen hat. Die Versprechungen hörten sich gut an. Auf dem traditionellen "Dreikönigstreffen" 2023 in Stuttgart versicherte der FDP-Parteivorsitzende und Finanzminister Christian Lindner: "An allem kann gespart, überall kann konsolidiert werden, aber dieses Land sollte niemals sparen an den Bildungschancen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen."

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Und nur eine Woche später verkündete Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) in der Generaldebatte des Deutschen Bundestags zur Bildungspolitik, dass sie für die weltbeste Bildung für alle sorgen werde. Deutschland brauche endlich mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. Auch beim BAföG sei dringend eine Trendumkehr notwendig. Stark-Watzinger versicherte, sie werde die Förderhöchstdauer verlängern und die Antragsprozeduren erleichtern. Ziel sei es, das BAföG attraktiver, moderner, flexibler und elternunabhängig zu machen, sodass die Quote der Geförderten wieder kräftig steigt. "Wer studieren will oder eine schulische Berufsausbildung machen will, der muss die Chance bekommen. Bildung darf nicht am Geld scheitern." 

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Ein Jahr später ist zu überprüfen, ob und wie die vollmundigen Ziele der FDP-Oberen bei der Studierendenförderung in die Tat umgesetzt sind. Das Bundeskabinett hat auf der Grundlage eines Entwurfs der Bildungsministerin die 29. BAföG-Novelle als Gesetzentwurf für den Bundestag beschlossen. Ist die "weltbeste Bildung" also auf den Weg gebracht und steigt beim BAföG die "Quote der Geförderten" im nächsten Jahr wieder kräftig?

In München kostet das Zimmer in der Studenten-WG 720 Euro

Leider ist die Realität eine andere. Sparen zulasten der jungen Generation setzt sich auch unter den FDP-Politikern unverändert fort. Bei den Bedarfssätzen gibt es 2024 gar eine Nullrunde. Der monatliche Grundbedarf soll unverändert bei 452 Euro im Monat bleiben. Hinzu kommt bei auswärtiger Unterbringung eine BAföG-Wohnkostenpauschale in Höhe von 360 Euro im Monat. Beide Beträge sind viel zu niedrig.

Der BAföG-Grundbedarf liegt deutlich unter dem, was die Düsseldorfer Tabelle als Richtwert für den Elternunterhalt vorgibt. Für den ist nämlich 520 Euro pro Monat fällig. Auch der Grundbedarf beim Bürgergeld liegt mit 563 Euro im Monat deutlich höher. Beide Beträge definiert die Bundesregierung als soziokulturelles Existenzminimum, das den Studierenden aber nicht zugebilligt wird. Matthias Anbuhl, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Studierendenwerks (DSW) kritisiert, dass die Bundesregierung Lernende an Hochschulen wie Bürger zweiter Klasse behandelt. "Dabei müssen sie nicht weniger essen, trinken und heizen als andere Menschen." Für Anbuhl sind die Pläne für die BAföG-Novelle enttäuschend: "Trotz stark gestiegener Preise für Lebensmittel und Mieten sollen die Studierenden beim BAföG mit einer Nullrunde bei den Bedarfssätzen abgespeist werden."

Von der unverändert bleibenden BAföG-Wohnkostenpauschale in Höhe von 360 Euro im Monat kann sich kein Studierender in einer Hochschulstadt eine auch noch so kleine Wohnung oder ein WG-Zimmer leisten. Außer du schaffst es, einen der heiß begehrten Plätze in einem Wohnheim des Studierendenwerks zu ergattern (in München verlangt das Studierendenwerk 360,80 Euro im Monat für das Zimmer). Auf dem freien Wohnungsmarkt ist zu diesem Preis nichts zu bekommen. Schon im Jahr 2021 lagen die durchschnittlichen Mietausgaben der Studierenden laut 22. Sozialerhebung bei 410 Euro im Monat. Und das war vor Krieg und Inflation. Aktuell, berichtet der Bayerische Rundfunk, dass Münchner Studierende 720 Euro fürs WG-Zimmer zahlen. 

Nur knapp ein Fünftel der Studierenden erhält BAföG

Nur eine Minderheit der Studierenden bekommt überhaupt BAföG. Viele erhalten kein Geld, weil das Einkommen der Eltern zu hoch ist. Der Bundesrechnungshof schreibt in seinem Bericht, dass die Gefördertenquote 1972 bei 45 % lag. Bis 2022 ist sie kontinuierlich bis auf 17 % gesunken. Ob die zum Wintersemester 2024/25 geplante Erhöhung der Freibeträge bei den Eltern um 5 % zu einer positiven Entwicklung führt, bleibt abzuwarten. Der neue Grundfreibetrag beim Elterneinkommen steigt jedenfalls von 2.415 auf 2.523 Euro im Monat ist wahrlich nicht üppig.

Laut Ministerium ist die Zahl der Studierenden mit BAföG-Förderung in den vergangenen beiden Jahren allerdings erstmals wieder gestiegen. 2022 bezogen laut Statistischem Bundesamt 630.000 Personen (Studenten und Schüler) BAföG, zehn Jahre zuvor waren es noch 979.000. Durch die Erhöhung der Freibeträge soll die Zahl der Geförderten wieder an die Millionengrenze herankommen. Aber ob das mit dieser Erhöhung wirklich gelingt, darf man getrost bezweifeln.

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Das Grundproblem besteht darin, dass es keine elternunabhängige Förderung gibt. Durch jede tarifliche Entgeltsteigerung oder Gehaltserhöhung bei den Eltern von Studierenden fallen wieder welche aus der Förderung. Eine jährliche und automatische dynamisierte Einkommensgrenze gibt es nicht beim BAföG. Die im Koalitionsvertrag angekündigte automatische Anpassung wird einfach nicht umgesetzt.

Wie viel Geld brauchen Studenten im Monat?

In einer Pressemitteilung der FDP zu d

en Schwerpunkten liberaler Bildungspolitik ist sogar von einer elternunabhängigen BAföG-Förderung die Rede. Was das konkret in Euro bedeutet, hat das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) nachvollziehbar und seriös ausgerechnet. Eine Gruppe von drei Forschenden berichtet im DZHW-Brief von ihren Berechnungen und Schätzungen. Für das Jahr 2021 wird der Bedarf, den eine durchschnittliche Studentin oder ein Student (Fokus-Typ) hat, mit 1.168 Euro beziffert (ohne Kinder). Durchschnittswert heißt hier: Unverheiratet, nicht bei den Eltern oder Familienangehörigen wohnend bzw. wirtschaftend (auch in Wohngemeinschaften), Erststudium: ohne ersten Hochschulabschluss (Ausnahme Bachelor-Abschluss bei Master-Studierenden), Vollzeit-Präsenzstudiengang, Studierende aus Deutschland. Die Ausgaben beruhen auf einer Selbstauskunft. Allerdings: Die Spannbreite der studentischen Budgets ist enorm und weicht zum Teil dramatisch vom statistischen Mittelwert ab.

Für das Jahr 2022 geht das DZHW von einer Preissteigerung bei den Wohnkosten von 10,4 % aus. Insgesamt wird mit einem Anstieg für die Fokus-Gruppe von 7,1 % gerechnet. Zum Vergleich: Die BAföG-Förderung im Höchstsatz, die unverändert bestehen bleiben soll, liegt bei 812 Euro (Grundbedarf und Wohnungskostenpauschale). Die Sozialerhebung des Bildungsministeriums und des DSW weist 16,4 % der Studierenden aus, die mit weniger als 500 Euro pro Monat auskommen müssen. 11 % sagen, dass sie nicht wüssten, wie sie dauerhaft ihren Lebensunterhalt sichern können.

Weil 812 Euro BAföG-Höchstbetrag nicht ausreichen, jobben inzwischen 63 % der Studierenden neben dem Studium, im Schnitt 15 Stunden pro Woche. Das DZHW fasst vorsichtig zusammen: Die Ergebnisse zeigen deutliche Belastungen für verschiedene Studierendengruppen in den Jahren 2022 und 2023, ohne dass ein ausreichender finanzieller Ausgleich durch BAföG-Erhöhungen stattfand. Zwar gab es Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung, die die Finanzmisere der Studierenden temporär abfederten. "Durch den Einmalcharakter der Zahlungen kommt es aber zu Nachholeffekten in den Folgejahren", so die Forschergruppe.

Die wichtigen Neuerungen der BAföG-Novelle

Es gibt allerdings auch einige Verbesserungen durch die 29. BAföG-Novelle. Und zwar bei der Förderhöchstdauer, dem Studienfachwechsel oder der Einführung einer Studienstarthilfe. Für die Förderhöchstdauer gilt: Die Dauer der BAföG-Zahlungen ist ohne Angabe von Gründen um ein sogenanntes Flexibilitätssemester (Regelstudienzeit +1) zu verlängern. Bislang ist nach der Regelstudienzeit Schluss. Das Zusatzsemester kannst du nur einmal nutzen (also nicht jeweils im Bachelor- und Masterstudium).

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Ein Studienfachwechsel, also ein in Wechsel der Fachrichtung "aus wichtigem Grund", soll künftig ein Semester länger, und zwar bis zum Beginn des fünften Semesters, möglich sein. Das Vorliegen eines "wichtigen Grundes" wird bis zum Beginn des vierten Fachsemesters (bisher drittes Semester) vermutet – bis dahin ist also keine Begründung für den Wechsel nötig. Ziel der Verlängerung ist insbesondere, Ausbildungsabbrüche zu vermeiden.

Junge Menschen (unter 25 Jahren) aus einkommensschwachen Haushalten mit Sozialleistungsbezug (Bürgergeld) erhalten 1.000 Euro als Starthilfe (beispielsweise für Laptop, Lehr- und Lernmaterialien, Mietkaution). Die Studienstarthilfe ist unabhängig von einem späteren BAföG-Bezug und wird nicht angerechnet. Das Bundesbildungsministerium schätzt in seinem Gesetzentwurf, dass jährlich etwa 15.000 Studienanfänger hiervon profitieren könnten. Die Änderungen bei der Rückzahlung sind dagegen weniger erfreulich: Ab Oktober 2025 kommt es zu einer Anhebung der monatlichen BAföG-Rückzahlungsrate um 20 Euro, also von 130 Euro auf 150 Euro. Gleichzeitig steigt die maximale Rückzahlung bei der Restschuldbefreiung nach 77 Monaten von 10.010 Euro auf 11.550 Euro – also um über 15 %. Im Koalitionsvertrag war das Gegenteil – nämlich eine Absenkung des Darlehensanteils – versprochen.

Nicht vermengen: Kindergeld und BAföG

Um die Bilanz bei den BAföG-Zahlen aufzuhübschen, rechnet die Bildungsministerin kurzerhand das Kindergeld in Höhe von 250 Euro hinzu. Bettina Stark-Watzinger spricht im BR24-Interview der Woche von einem BAföG-Höchstsatz von 934 Euro plus 250 Euro Kindergeld. Der Höchstsatz von 934 Euro können aber nur für Studierende ab dem 25. Lebensjahr erhalten. Der Kindergeldbezug ist grundsätzlich nur bis zum 25. Lebensjahr möglich. Die von der Ministerin genannte Konstellation gibt es so also nicht.

Generell gilt: Kindergeld bis zum 25. Lebensjahr und BAföG schließen einander nicht aus. Zwar musst du beim BAföG-Antrag Angaben zu deinem Vermögen und Einkünften machen, jedoch wird das Kindergeld nicht angerechnet. Du kannst also Kindergeld bei gleichzeitigem BAföG-Höchstsatz beziehen.

Kindergeld ist allerdings ein Rechtsanspruch der Eltern, der Familien insgesamt fördern soll. Studierende haben keinen Anspruch darauf, dass ihnen die Eltern die 250 Euro weiterreichen. Beim DSW ist man verwundert, dass die Ministerin diese Zusammenhänge ignoriert und nicht sauber darstellt, wie der Spiegel berichtet.

Fazit: Den Anforderungen nicht gerecht geworden

Während völlig zurecht das Bürgergeld, die Renten und die Abgeordnetendiäten an die Inflation angepasst und angehoben sind, bleibt dies ausgerechnet bei einem zentralen Instrument der Bildungsgerechtigkeit, dem BAföG, außen vor. Das sendet ein fatales Zeichen an die junge Generation. Der Bundesrechnungshof hat in seinem Bericht klar definiert, was vom Bildungsministerium in der 29. Novelle zu leisten gewesen wäre: Die nächste (grundlegende) BAföG-Reform vorzubereiten sowie eine Systematik für die regelmäßige Anpassung der Freibeträge und Bedarfssätze zu schaffen. Diese Herausforderungen hat das Ministerium nicht umgesetzt. Deshalb geht das Bildungsministerium das Risiko ein, seinen erfolglosen "Blindflug"– wie bei den bisherigen Reformen – fortzusetzen.

Besonders ärgerlich ist, dass die Bildungsministerin die vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags durch Beschluss anvisierten 150 Mio. Euro an zusätzlichen BAföG-Mitteln nicht ausgeben will. 62 Mio. Euro kosten die leichten Verbesserungen der Novelle. Der restliche Betrag verfällt. Mit dieser Politik ist das Ziel jedenfalls nicht zu schaffen, die weltbeste Bildung für alle zu erreichen. Es ist deshalb gut, dass die SPD, CDU und die Grünen angekündigt haben, dem Gesetzesvorschlag der Bundesregierung so nicht zuzustimmen.