Soziales Jahr für Rentner? DIW-Chef verteidigt Vorstoß - "geht nicht um Strafe"
Autor: Dominik Jahn, Ellen Schneider
Deutschland, Dienstag, 09. Sept. 2025
Für seine Forderung nach einem sozialen Pflichtjahr für Rentner erntete der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ordentlich Kritik. Nun legt er nach.
Ein Pflichtjahr für Senioren? Was Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), derzeit vorschlägt, kommt bei vielen Menschen überhaupt nicht gut an. Dennoch hält er an seiner Idee fest: Er fordert ein verpflichtendes soziales Jahr für alle Rentner. In seiner Kolumne bei der Zeit betont er: "Es geht nicht um Strafe, sondern um die Chance, den Generationenvertrag gemeinsam zu erneuern."
Damit die Sozialsysteme finanzierbar bleiben, müssten sich Senioren stärker einbringen, sagte er zuvor unter anderem dem Tagesspiegel und dem Spiegel. Potenzial dafür sehe er im Sozialbereich. "Die Empörung über den Vorschlag zeigt, wie schwer es uns fällt, Solidarität neu zu denken. Viele Babyboomer verstehen ein Pflichtjahr als Zumutung. In Wahrheit wäre es eine Chance für die Älteren, etwas weiterzugeben und für die Jüngeren, mehr Unterstützung zu erfahren", schreibt er in der Zeit-Kolumne.
DIW-Chef fordert Pflichtjahr für Senioren: Was steckt dahinter?
Seinen Vorschlag eines Pflichtjahrs führt er gegenüber dem Spiegel aus: "Gesundheitlich werden das manche nicht können, aber dafür gibt es auch bei jungen Leuten Regelungen." Gerade die technischen Fähigkeiten der älteren Generation könnten auch für den Bereich der Verteidigung sehr nützlich sein. Fratzscher: "Warum sollten wir die nicht nutzen, gerade von Leuten, die früher bei der Bundeswehr ausgebildet wurden?"
Der Ökonom fordert einen neuen Generationenvertrag: "Wir brauchen mehr Solidarität der Alten mit den Jungen." Und der DIW-Chef übt harte Kritik an den Älteren: "Zu viel Ignoranz, Selbstbezogenheit und Naivität. Wir wollen zu lange schon die Realität nicht sehen." Ein Pflichtjahr für die junge Generation hingegen sei seiner Meinung nach kontraproduktiv, da Menschen im erwerbsfähigen Alter dringend auf dem Arbeitsmarkt gebraucht würden, um ihren Beitrag für die Sozialsysteme leisten und ihre Elterngeneration finanzieren zu können.
Man habe nach dem Ende des Kalten Krieges gedacht, man müsste sich nie mehr verteidigen – und dabei habe man "die Friedensdividende verfrühstückt". Fratzscher: "Deshalb müssen wir jetzt über fünf Prozent Verteidigungsausgaben reden, um die Schäden zu beheben, die in 35 Jahren entstanden sind. Oder nehmen Sie die Klimapolitik. Wir wissen seit Jahrzehnten, auf welchem explosiven Pfad wir sind."
Warum sind die Babyboomer eine Gefahr für die Rente?
Und ganz speziell die Babyboomer nimmt er im Spiegel-Bericht ins Visier. Sie hätten viel zu wenige Kinder bekommen. Der DIW-Präsident erklärt: "In den Sechzigerjahren versorgten sechs Beitragszahler eine Rentnerin oder einen Rentner. Bald sind es nur noch zwei. Wieso sollten ausschließlich die Jungen für diese Lebensentscheidungen der Babyboomer geradestehen?"
Die Boomer würden sich selbst "seit 20 Jahren dieser Verantwortung verweigern ". Aber: Die Last für die junge Generation müsse tragfähig bleiben. Denn aktuell müsse diese Generation die "Hauptlast der Fehler der Vergangenheit schultern", beklagt der Ökonom in seiner Zeit-Kolumne.