Negativzinsen: So berechnest du, wieviel zu zahlen musst
Autor: Joachim Tiefenthal
Deutschland, Freitag, 11. März 2022
Bei Negativzinsen zahlen Anleger*innen Zinsen für ihr Geld. Eigentlich sollte es ja genau andersherum sein. Warum und seit wann es Negativzinsen gibt, wer sie wann zahlen muss und wie sie berechnet werden, erfährst du hier.
- Was sind Negativzinsen?
- Warum und seit wann gibt es sie?
- Wer muss sie zahlen?
- Wie werden Negativzinsen berechnet?
Volkswirtschaftlich betrachtet, sind Zinsen der Preis des Geldes. Wenn du dein Geld zur Bank oder Sparkasse bringst, zahlt dir das Geldinstitut etwas dafür, dass du ihnen dein Geld zur Verfügung stellst. Denn mit deinem Geld wird gearbeitet. Das heißt, es wird investiert. In Aktien- oder Immobilienfonds oder anderweitige, auch weltweite Geld- und Kapitalanlagen. In der Regel erwirtschaften Geldinstitute mit solchen Investitionen so viel Geld, dass sie dir davon deine Zinsen zahlen können und immer noch ausreichend selbst verdienen. Bei Negativzinsen ist das nun genau andersherum.
Negativzinsen verringern dein Vermögen
Bei Negativzinsen berechnet dir deine Bank oder Sparkasse Geld dafür, dass du ihnen es überlässt. Somit verringert sich dein Geldvermögen, anstatt es sich über die Zinsen vermehrt. Generell und ursprünglich bildet sich die Zinshöhe über Angebot und Nachfrage nach Geld auf dem Kapitalmarkt. Dabei besitzen die "Zinssätze auf dem Kredit- und Kapitalmarkt [...] als Preis für die Kreditaufnahme bzw. als Vergütung für das Sparen [...] eine wichtige Signal- und Lenkungsfunktion." Vereinfacht kannst du annehmen, dass bei einem hohen Zinsniveau die Nachfrage nach Geld bzw. Kapital gering ist, weil die Kosten im Umkehrschluss hoch sind. Nimmst du beispielsweise in einer Hochzinsphase einen Kredit für ein Auto oder Haus auf, musst du dafür mehr Zinsen zahlen, als zur Zeit einer Niedrigzinsphase. Bei einem geringen Zinsniveau spricht man häufig auch von "billigem Geld", weil es quasi wenig bis nichts kostet, sich bei der Bank Geld zu leihen. Eine solche niedrige Zinsphase haben wir seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2007.
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In diesem Szenario ist das geldpolitische Ziel, dass sowohl Investitions- als auch Konsumbereitschaft erhöht werden. Unternehmen sollen Kredite aufnehmen, um in Technologie, Produkte, Arbeitskräfte und Infrastruktur zu investieren. Die privaten Haushalte sollen sich möglichst viel Geld leihen, um auf den Märkten zu konsumieren. Damit bescheren sie den Unternehmen wiederum Umsätze und Gewinne, womit deren Investitionen sich refinanzieren. Über diesen Mechanismus steuert sich letztlich der Geld- und Kapitalkreislauf unserer Volkswirtschaft:
- Höhere Zinsen hemmen Kredit- und Investitionsnachfrage und damit auch die Nachfrage nach Geld und Kapital. Parallel entsteht der Anreiz, mehr zu sparen und weniger zu konsumieren.
- Niedrige Zinsen regen Kredit- und Investitionsnachfrage an und stimulieren die Nachfrage nach Geld und Kapital. Hier besteht wenig bis kein Sparanreiz, sondern eher die Tendenz zum Konsum.
Warum es Negativzinsen gibt
Wenn trotz niedriger Zinsen nicht deutlich mehr investiert wird, sprechen Experten auch von der sogenannten Investitionsfalle. Entweder erscheint in dem Fall die Kapitalproduktivität nicht ausreichend hoch oder aber, die Unternehmen erwarten trotz billiger Kredite bzw. einer geringen Verzinsung von Anleihen, dass es sich mehr lohnen würde, in "sichere" Wertpapiere zu investieren als in "risikoreiche" Investitionen. Ökonomisch gesehen stellen Negativzinsen somit eine geldpolitische Ausnahmesituation dar. Denn sie übersteigern den Effekt einer Nullzinsphase dahingehend, dass Anleger sogar dafür bestraft werden, wenn sie ihr Geld zur Bank oder Sparkasse bringen. Daher rührt auch der Begriff Strafzins. Geldinstitute hingegen nennen es eher gerne Verwahrgeld.
Negativzinsen stellen nun die lange Zeit in der Volkswirtschaft geltende Zinstheorie auf den Kopf. Der Grund hierfür ist etwas komplex. In Europa wird die Geldmarktpolitik von der Europäischen Zentralbank (EZB) gesteuert. Sie legt den sogenannten Leitzins fest. Zu diesem Zins können sich Geschäftsbanken (z.B. Sparkassen, Privatbanken) Geld beschaffen oder auch anlegen. Hierüber erfolgt dann die eigentliche Geldschöpfung.