Lohn-Preis-Spirale oder Stagflation: Was die Worst-Case-Szenarien für uns bedeuten
Autor: Klaus Heimann
Deutschland, Donnerstag, 12. Januar 2023
Die Inflation steigt, aber die Löhne noch nicht: Ökonom*innen diskutieren, ob das gut oder falsch ist. Viele fragen sich, kommt jetzt eine Lohn-Preis-Spirale in Gang? Oder steuern wir auf eine Stagflation zu? Beides wäre nicht gut für uns.
- Das Phänomen: die Lohn-Preis-Spirale
- Die Tarifparteien zeigen noch Augenmaß
- Angemessenes Einkommensplus setzt die Spirale nicht in Gang
- Was ist Stagflation?
- Bekämpfung der Stagflation
Am 4. Juli tagt erstmals die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigte "Konzertierte Aktion" mit Vertreter*innen von Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen. Das berichtete die Deutschen Presse-Agentur. Jeweils acht Teilnehmende von Gewerkschaften und Arbeitgebern treffen sich im Bundeskanzleramt. Darüber hinaus sind die Deutsche Bundesbank und der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit dabei. Beraten wollen die Expert*innen die wirtschaftliche Lage, also die drohende Lohn-Preis-Spirale und Stagflation. Aber um was geht es dabei eigentlich?
Das Phänomen: die Lohn-Preis-Spirale
Wirtschaftsexpert*innen kennen sie schon länger, die Lohn-Preis-Spirale. Obwohl es diesmal besser "Preis-Lohn-Spirale" heißen müsste. Denn: Die galoppierenden Preise haben im Monat April in Deutschland eine Preissteigerung oder Inflation von 7,9 Prozent produziert. Die Löhne sind dagegen in den beiden letzten Jahren langsamer gestiegen als die Inflation. Das Geld im Portemonnaie hat also deutlich weniger Wert als früher.
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Das benutzte Bild einer Spirale deutet an, was gemeint ist: Preise und Löhne schaukeln einander hoch. Konkret läuft das in diesem Jahr so: Die Kosten für die Unternehmen sind deutlich gestiegen (Energie, Logistik, Vorprodukte), hinzukommen Störungen im Warenverkehr und in der Produktion. Dies ist unter anderem auf die Corona-Pandemie und den Krieg gegen die Ukraine zurückzuführen.
In einer Konjunkturumfrage des Familienunternehmer-Verbands geben die Unternehmen an, dass sich Rohstoffe im Vergleich zum Vorjahresmonat um durchschnittlich 46 Prozent verteuert haben. 89 Prozent der Unternehmen bezeichnete die Gefahr einer Lohn-Peis-Spirale als "groß" oder "sehr groß". Das ifo-Institut München hat ermittelt, dass in der Industrie etwa die Hälfte des Preisanstieges an die Kund*innen weitergegeben werden. Das bedeutet, dass die andere Hälfte der Unternehmen auf einen Teil der Gewinnmargen verzichten muss. Für rund 13 Prozent der Befragten ist es nicht möglich, die gestiegenen Einkaufspreise weiterzugeben.
Die Tarifparteien zeigen noch Augenmaß
Arbeitnehmer*innen und ihre Gewerkschaften reagieren auf die Preissteigerungen und verlangen ein höheres Gehalt oder verbesserte Tarifverträge, die ein höheres Entgelt vorsehen. Damit steigen erneut die Kosten der Unternehmen. Diese wälzen diese wiederum auf die Verbraucher*innen ab, das Preisniveau steigt also.
Erste Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale kommen aus der Stahlindustrie. Dort gab es in letzten Tagen einen ersten Tarifabschluss. Am 1. August steigen die Löhne und Gehälter der Beschäftigten um 6,5 Prozent. Der Tarifvertrag läuft 18 Monate und beginnt noch im Juni. Für die ersten zwei Monate gibt es eine Einmalzahlung von insgesamt 500 Euro. Der Abschluss gilt für rund 68.000 Beschäftigte in den Bundesländern Niedersachsen, Bremen und Nordrhein-Westfalen. Der Abschluss ist aber durchaus moderat und bleibt vermutlich hinter der Preissteigerung im Jahr 2022. In der Chemie-Industrie hatten sich die Tarifparteien Anfang April auf eine einmalige "Brückenzahlung" verständigt, wollen aber im Oktober wieder über eine dauerhafte Lohnerhöhung verhandeln. Sie warten ab, wie bei der "Lokomotive", der Metallverarbeitung, die Runde ausgeht.