Löhne in Deutschland: Wie stark Ost und West noch immer auseinanderliegen
Autor: Ellen Schneider, Agentur dpa
Deutschland, Freitag, 03. Oktober 2025
Eine aktuelle Analyse zeigt: Die Einkommenslücke zwischen Ost- und Westdeutschland bleibt weiterhin groß.
Im Zusammenhang mit dem Thema Gehalt haben viele Menschen in Deutschland zahlreiche Fragezeichen im Kopf. Etwa: Verdiene ich genug für mein Alter? Bekomme ich ein "gutes Gehalt" und ist die Bezahlung anderswo vielleicht höher? Je nach Region gibt es deutliche Unterschiede: Menschen in Westdeutschland beziehen laut einer neuen Untersuchung nach wie vor merklich höhere Gehälter als im Osten.
Doch die Einkommenslücke hat sich verringert: Vollzeitangestellte im Westen erhielten im vergangenen Jahr im Schnitt 4.810 Euro brutto monatlich. In den neuen Bundesländern waren es lediglich 3.973 Euro, was gut 17 Prozent weniger ist, wie eine Analyse des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt.
Immer noch Unterschiede bei Gehältern zwischen Ost und West
Seit 2014 ist der Einkommensunterschied zwischen Ost- und Westdeutschland um 7 Prozentpunkte zurückgegangen. Laut Forschern liegt das vor allem am 2015 eingeführten Mindestlohn. „Beschäftigte in den ostdeutschen Bundesländern haben überdurchschnittlich stark vom Mindestlohn profitiert“, erklärt Gehaltsexperte Malte Lübker. Nach der Wende habe sich dort ein besonders ausgeprägter Niedriglohnsektor entwickelt.
Die bereits beschlossene Anhebung des Mindestlohns auf 14,60 Euro bis zum Januar 2027 dürfte laut Lübker für eine weitere Annäherung sorgen. Bei Angestellten am unteren Ende der Einkommensverteilung gibt es heute schon kaum noch Differenzen. In diesem Bereich lagen die Stundenlöhne in Ostdeutschland im April 2024 gerade einmal ein Prozent unter dem Westniveau. Vor der Einführung des Mindestlohns waren die Fortschritte bei der Anpassung der Löhne geringer. So war die Einkommenslücke von 1999 bis 2014 lediglich um 1,6 Prozentpunkte zurückgegangen, wie das Institut berichtet.
Entscheidend für die Annäherung sind den Forschern zufolge Tarifverträge. Im Osten ist die Tarifbindung immer noch niedriger. Zwischen den Bundesländern gibt es laut WSI teils erhebliche Unterschiede bei den Einkommen. Spitzenreiter war zuletzt Hamburg mit einem Stundenlohn von 26,88 Euro. Deutlich dahinter lag Schleswig-Holstein mit 22,15 Euro. Mecklenburg-Vorpommern kam nur auf 20,33 Euro.
Gender Pay Gap: Frauen verdienen im Westen 16 Prozent weniger als die Männer
Auch bei der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit haben die Ostländer erheblich aufgeholt, jedoch nicht gleichgezogen. So erhöhte Thüringen sein inflationsbereinigtes Bruttoinlandsprodukt pro Kopf um 163 Prozent, deutlich stärker als der Bundesdurchschnitt, der nur um 40 Prozent gestiegen ist. Pro Kopf ist die Wirtschaftskraft der östlichen Bundesländer insgesamt um mehr als 130 Prozent gewachsen. Allerdings mussten die Länder auch erhebliche Bevölkerungsverluste hinnehmen, während im Westen die Zahl der Menschen seit der Einheit zugenommen hat.
Zudem sind im wiedervereinten Deutschland immer mehr Frauen im Alter zwischen 15 und 65 Jahren erwerbstätig. Die gesamtdeutsche Quote ist seit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 von 57 Prozent auf 74 Prozent angestiegen, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Auch im Osten stieg der Anteil der erwerbstätigen Frauen weiter an: von 66 Prozent im Einheitsjahr auf nun 74,4 Prozent. Das sind nur noch 0,3 Punkte mehr als in den westlichen Ländern.