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Kündigung droht: Was du von der Arbeit nicht mit nach Hause nehmen darfst


Autor: Oliver Jung-Kostick

Deutschland, Dienstag, 25. Juli 2023

Kündigung, weil du beim Arbeitgeber Kopierpapier mitgenommen hast? Oder Kavaliersdelikt, weil es in der Firma üblich ist? Wie schaut die Rechtslage aus, wenn du dich unerlaubt am Eigentum deines Betriebes bedienst?
Schreibwaren gehören zu den beliebtesten "Mitnahme"-Gegenständen am Arbeitsplatz


Du verbringst den größten Teil deiner wachen Zeit am Arbeitsplatz. Irgendwann verwischen sich die Grenzen zwischen "mein" und "dein". Ist es da wirklich so eine große Sache, ein paar Kugelschreiber mitgehen zu lassen?

Schreibwaren als beliebtes Selbstbedienungsobjekt

Vor fast zehn Jahren ließ der Online-Bürobedarfshändler Papersmart durch die Nürnberger GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) repräsentativ erheben, wie viele Mitarbeiter*innen am Arbeitsplatz bereits Schreibwaren mitgehen ließen. Ein Viertel der Befragten gaben an, sich schon einmal am Vorrat des Arbeitgebers bedient zu haben. Die Zahlen dürften sich tendenziell kaum geändert haben – der Büroklau gehört für viele zur Tagesordnung.

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Dabei scheint der geringe Wert der jeweils privat verbrauchten Gegenstände sich auf das Unrechtsbewusstsein der Täter*innen auszuwirken. Die Studie zeigt, dass die Zurückhaltung bei höherwertigen Gegenständen wie Tonerkartuschen ausgeprägter ist.

Für die Arbeitgeber*innen mag dies anders aussehen. Wer Tausende von Mitarbeiter*innen beschäftigt, dürfte aufs Jahr berechnet feststellen, dass das alte Sprichwort vom Kleinvieh, das auch Mist macht, zutrifft.

Grundsätzliches zu privater Nutzung von Diensteigentum

Surfen am Arbeitsplatz? Auch, wenn du das Internet in deiner Pause nutzt und der Betrieb eine Flatrate hat, gilt hier derselbe Grundsatz wie oben: Ohne ausdrückliche Erlaubnis oder nachweisbare stillschweigende Erlaubnis ist privates Surfen verboten. Das Gleiche gilt für Telefongespräche.

Besonders pikant sind Fälle, in denen etwa durch den Besuch von dubiosen Pornoseiten die Gefahr des Downloads von Schadsoftware auf Firmenrechner riskiert wird. Oder das Posten von strafbaren Inhalten, das sich zu den Firmenrechnern zurückverfolgen lässt und deinen Betrieb in den Fokus von Strafverfolgungsbehörden geraten lässt.

In der Praxis bedeutsam dürfte auch das Entleihen von Arbeitsgeräten für handwerkliche Arbeiten daheim oder Dienstfahrzeugen für private Umzüge sein. Sichere dich vorher ab (am besten schriftlich oder per E-Mail), dass dir die Nutzung erlaubt wurde. Wichtig ist, dass eine vertretungsberechtigte Person für den Arbeitgeber erklären muss, dass du etwas privat nutzen darfst. Die Zustimmung deiner Kolleg*innen reicht nicht. Klar sein muss auch, dass du für die entliehenen Gegenstände dem Arbeitgeber gegenüber verantwortlich bist und bei Verlust oder Beschädigung Schadensersatz zu leisten hast.

Wie ist die Lage bei der Mitnahme von Essen und Getränken?

Sehr kritisch ist auch das Mitnehmen von Essen und Getränken aus den Beständen des Arbeitgebers. Darf die Bäckereifachverkäuferin einfach so die am Abend nicht verkauften Backwaren an sich nehmen? Darf der Kellner, der den ganzen Tag über in der Arbeit nichts getrunken hat, Getränke für den Feierabend einpacken?

In diesem Fall kommt es wieder genau auf die vor Ort getroffenen Regelungen an. Ohne Erlaubnis keine Mitnahme. Aus steuerlichen Erwägungen könnte der Betrieb Ärger bekommen, wenn das Finanzamt zu viel Schwund feststellt und daher die ordnungsgemäße Buchführung anzweifelt. Die fehlenden Warenbestände würden im schlimmsten Fall als verkaufte Getränke und Artikel laut Preisliste behandelt. Dein Betrieb müsste also Einnahmen versteuern, die er gar nicht hatte.

Von daher gibt es in den meisten Betrieben klare Regelungen – leider oft nicht schriftlich fixiert, was im Streitfalle zu Beweisproblemen vor dem Arbeitsgericht führt. Allerdings betrifft diese Unsicherheit auch die Arbeitgeberseite und könnte sich prozessual als Bumerang erweisen.

Grauzonen und Beweisbarkeit von Pflichtverstößen

Problematisch ist, dass in vielen Arbeitsverträgen die private Verwendung von Diensteigentum streng verboten ist – im Büroalltag jedoch bekannt ist und auch geduldet wird. Insoweit unterscheiden sich die auf Papier vereinbarten und die konkret im Miteinander gelebten Werte und Regeln, was eine Grauzone schafft, in der die Beteiligten gar nicht genau wissen, was richtig und was falsch ist. Möglicherweise könntest du dich im Streitfall auf den Rechtfertigungsgrund der Einwilligung oder mutmaßlichen Einwilligung berufen.

Kannst du beweisen, dass der Arbeitgeber beziehungsweise dessen Führungskräfte deinen unerlaubten Privatgebrauch kannten und duldeten, macht dies Sanktionen gegen dich schwieriger. Das Argument "Das tun doch alle", zieht dabei nicht: Du hast keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht.

Pflichtverstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten muss immer der beweisen, der sie geltend machen will. Hier ist also dein*e Arbeitgeber*in gefordert. Fallen die Regelungen im Arbeitsvertrag und die konkrete Realität des Büroalltags auseinander, muss es dir gelingen, den entsprechenden Gegenbeweis zu führen. In Betracht kommen hier Zeugenaussagen deiner Kolleg*innen. Aber überlege selbst, wie sicher du dich darauf verlassen kannst, dass andere Beschäftigte vor Gericht gegen euren gemeinsame*n Arbeitgeber*in aussagen. Besser wäre es daher, für alle auf eine Klärung zu dringen, was im Büro erlaubt und verboten ist – und dies möglichst schriftlich fixiert zu bekommen.

Fazit: Was tun, wenn's Ärger gibt?

Bist du erwischt worden, wie du dich widerrechtlich am Eigentum des Betriebs bedient hast, sind arbeitsrechtliche Sanktionen wie Abmahnung, ordentliche und außerordentliche (fristlose) Kündigung denkbar. Ebenfalls Verlust von Privilegien, Führungsposition, Dienstwagen oder Versetzung in eine andere Filiale.

Allerdings kommt hier wieder der schon oben erwähnte Schutz der Arbeitnehmer*innen zum Tragen. Nur weil du nachweislich gegen deine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hast, bist du nicht sofort deinen Job los oder musst jede Reaktion deines Betriebs hinnehmen.

Sollte es zu Problemen mit deinem Arbeitgeber oder deiner Arbeitgeberin kommen, suchst du am besten einen Fachanwalt oder eine Fachanwältin für Arbeitsrecht auf. Als Gewerkschaftsmitglied kannst du dich im Rahmen deiner Mitgliedschaft auch dort beraten lassen.