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Krankenkassen ab jetzt ohne Bremse bei Beiträgen: Sparpaket gescheitert


Autor: Dominik Jahn

Deutschland, Dienstag, 25. November 2025

Der Bundesrat kippt das Sparpaket für Krankenkassen – mit Folgen für alle Versicherten. Experten sprechen von "deutlichen Anhebungen" der Beiträge.
Der Bundesrat blockiert das Sparpaket für Krankenkassen, was zu steigenden Beiträgen und finanzieller Unsicherheit führt.


Es hatte sich angedeutet, der Bundesrat hat sich gegen das geplante Sparpaket für Krankenkassen ausgesprochen. Schon in den Tagen davor gab es immer wieder Unstimmigkeiten. Gesundheitsministerin Nina Warken warnte Bundesrat sogar davor, die Maßnahmen zu blockieren. Jetzt ist er also da, der Supergau für alle Versicherten. 

Ohne eine entsprechende Lösung für die finanzielle Krise der Kassen fällt die Bremse für Beiträge weg. Der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas hat dazu in einem Statement eine klare Meinung: "Die Entscheidung der Bundesländer ist ein fatales Signal für Millionen Beitragszahler und die deutsche Wirtschaft. Die Kassen stecken gerade mitten in ihren Haushaltsplanungen."

Drama um Blockade des Sparpakets für Krankenkassen

Laut Baas erhöht diese Situation "den Druck auf die Beiträge noch mehr". Baas: "Es ist unverständlich, warum die Bundesländer die Kassen und damit die Beitragszahler in diese Lage bringen." Ein Hauptgrund für die Blockade gegen das Sparpaket ist die geplante Aussetzung der sogenannten Meistbegünstigungsklausel für Krankenhäuser. 

Für den TK-Chef total unverständlich, denn den Krankenhäusern werde damit "kein Geld weggenommen". 

Baas: "Der Anstieg der Zahlungen an die Kliniken wird vielmehr auf den tatsächlichen Kostenanstieg begrenzt."

Beiträge für Kassen "werden steigen müssen"

Auch beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen GKV ist man unglücklich über die Entwicklungen. Oliver Blatt, GKV-Vorstandsvorsitzender: "Es ist ein politisches Trauerspiel."

Blatt spricht in einer Stellungnahme von "schlechten Nachrichten für 75 Millionen Versicherte und die Arbeitgeber dieses Landes". Und Blatt ist sich über die drohenden Folgen sehr bewusst: "Denn ohne die dort vorgesehenen Einsparungen müssten die Beiträge der Krankenkassen zum Jahreswechsel noch stärker steigen, als sie es ohnehin müssen." Für die Versicherten stellt sich damit kurz vor Ende des Jahres die Frage, ob es sinnvoll ist, jetzt die Krankenkasse zu wechseln.

Grundsätzlich findet es der GKV-Chef gut, dass man zuletzt auch darüber gesprochen hatte, "neben den Krankenhäusern und den Krankenkassen auch die Pharmaindustrie und die niedergelassene Ärzteschaft mit in die Pflicht zu nehmen". Doch einzig der Plan reiche nicht aus, "wenn jetzt nicht endlich politische Weichen gestellt werden". 

Vorgabe von 2,9 Prozent Zusatzbeitragssatz nicht mehr umsetzbar

Beim AOK-Bundesverband warnte man nach dem Scheitern des Sparpakets direkt vor "deutlichen Anhebungen der Zusatzbeiträge zum Jahreswechsel".

Vorstandsvize Jens Martin Hoyer in einer offiziellen Erklärung der AOK: "Es gibt keine verlässliche Basis für die Finanzplanung der Krankenkassen im kommenden Jahr." Der ausgegebene durchschnittliche Zusatzbeitragssatz von 2,9 Prozent beruhte demnach auf den "Einsparungen im Umfang von zwei Milliarden Euro." Diese wird es jetzt nicht geben.

Hoyer: "Die gesetzlichen Krankenkassen stecken angesichts drastisch steigender Leistungsausgaben und zwangsweise abgeschmolzener Rücklagen in der Klemme."

Verband der Ersatzkassen kritisiert politische "Machtspiele"

Auf Nachfrage von inFranken.de verweist der Verband der Ersatzkassen (vdek) auf eine offizielle Erklärung zum Aus des Sparpakets. Boris von Maydell, Vertreter des Vorstandes des Verbandes, wird dabei sehr deutlich: "Die Machtspiele zwischen Bund und Ländern müssen ein Ende haben. Sie gehen vollständig zu Lasten der beitragszahlenden Versicherten und Arbeitgeber der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)."

In der vdek-Stellungnahme heißt es: "Finden die politisch Verantwortlichen bis zum 19. Dezember 2025 (Bundesratssitzung) keinen tragfähigen Kompromiss, so wird der durchschnittlich erhobene Zusatzbeitragssatz von jetzt 2,9 auf bis zu 3,2 Prozent ansteigen."

Damit teilen die Ersatzkassen die Auffassung des AOK-Bundesverbandes. Stabile Beiträge sind nicht zu erreichen. Laut vdek sind dafür "Bund und Länder, aber auch die Koalitionspartner von SPD und CDU/CSU gefordert". Sie müssten schnell ein "geeintes großes Sparpaket in Höhe von mindestens sechs Milliarden Euro auf den Weg zu bringen". Demnach müssten "alle Beteiligten einen angemessenen Sparbeitrag leisten". 

Die Krankenkassen brauchen ein großes Sparpaket

Wenn es nach dem Verband der Ersatzkassen ginge, dann braucht es für die Krankenkassen vor allem ein großes Sparpaket und Verlässlichkeit für die Finanzplanungen. Im ersten Schritt müsste man dafür aber für eine schnell erste Hilfe, am "kleiner Sparpaket" festhalten. 

Das von den Bundesländern kritisierte Aussetzen der Meistbegünstigungsklausel für Krankenhäuser dürfe dabei "nicht reduziert werden". Der vdek würde zusätzlich noch die Pharmaindustrie mit in die Verantwortung nehmen. Dazu heißt es: "Ergänzt werden sollten die Maßnahmen durch die Anhebung des Herstellerabschlags für patentgeschützte Arzneimittel auf 16 Prozent (1,8 Milliarden Euro), die Dynamisierung des Bundeszuschusses in Höhe von mindestens einer Milliarde Euro sowie durch Einsparungen in weiteren kostenintensiven Leistungsbereichen."

Der komplette Artikel "Krankenkassen in Not – aber die Pharmaindustrie kassiert ab?" zum Nachlesen

Boris von Maydell ist sich sicher: "Schafft es die Politik, doch noch ein Sparpaket auf den Weg zu bringen, wäre das ein wichtiges Signal für die anstehenden Verhandlungen im nächsten Jahr zu den großen und weit schwierigeren Reformblöcken. Hier sind Kompromiss- und Kommunikationsbereitschaft gefragt."

Kritik am bisherigen Sparpaket der Regierung war groß

Das Scheitern des Sparpakets war im Grunde schon vorgezeichnet, wenn man in den vergangenen Wochen auf die vielen kritischen Stimmen dazu gehört hat. So wurde die Stabilisierung der Krankenkassenbeiträge durch die Maßnahmen, als relativ unrealistisch angesehen. 

Die Reform der Krankenkassen sahen Experten ohne richtigen Effekt. Für die Präsidentin der Sozialverbandes VdK waren dafür die Warnungen der Krankenkassen genug: "Die von der Regierung vorgeschlagenen Änderungen sind nicht nachhaltig. Trotz der angekündigten Ausgabenbegrenzungen gehen die Krankenkassen von einer weiteren Beitragssteigerung aus, Zusatzbeiträge von über drei Prozent könnten die Regel sein."

Auch TK-Chef Baas bereits über mehrere Wochen immer wieder vor mangelhaften Reform-Willen der Regierung gewarnt. Baas: "Die steigenden Ausgaben werden das Versprechen von stabilen Beiträgen zunichtemachen." Die Pläne zu den Sparmaßnahmen würden an weiteren Erhöhungen nichts ändern. Die vorgeschlagenen Maßnahmen reichen demnach "absehbar nicht aus".