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Krankenkassen gegen Medikament-Geheimpreise: Was sie für Versicherte bedeuten


Autor: Dominik Jahn

Deutschland, Montag, 28. Juli 2025

Kritiker befürchten steigende Kosten für Versicherte ohne verbesserten Nutzen.
Eli Lilly nutzt ein neues Gesetz zur Geheimhaltung von Medikamentenpreisen, was zu steigenden Kosten für Krankenkassen und Versicherte führen kann.


Mitten in der finanziellen Krise der Krankenkassen zeigen sich immer neue Problemfelder des Systems. Ganz aktuell wird zum ersten Mal ein Pharmakonzern ein spezielles Gesetz ausnutzen, dass noch unter der Scholz-Regierung installiert wurde – im Medizinforschungsgesetz (MFG). 

Damit haben Arzneimittelhersteller die Möglichkeit künftig den Preis geheim zu halten, den sie für ein neues Medikament von den Krankenkassen verlangen. Laut NDR, WDR und der Süddeutschen Zeitung handelt sich um das Diabetes-Medikament Mounjaro von Eli Lilly. Aber was bedeuten Geheimpreise eigentlich? Welche Folgen hat das für Krankenkassen und Versicherte?

Gesetz zu Verhandlungen mit Krankenkassen vom Konzern unterstützt

Hintergrund: Dass jetzt ausgerechnet Eli Lilly dieses Gesetz zur Anwendung bringt, ist durchaus kritisch zu betrachten. Das Pharmaunternehmen hatte sich in der Zeit der Bundesregierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz stark für die Umsetzung im MFG eingesetzt. Erst vor neun Monaten ist es in Kraft getreten. 

Wegen des massiven Lobbyeinsatzes von Eli Lilly wird das Gesetz auch "Lex Lilly" genannt. 

Nach eigenen Angaben habe das Unternehmen jetzt laut dem Bericht einen Preis verhandelt, der wirtschaftlich ist und nicht veröffentlicht wird. Die Folgen für Krankenkassen und Versicherte sind mit den Geheimpreisen enorm. 

Die Folgen für Kassen und Versicherte durch Geheimpreise

Den Beiträgen von NDR, MDR und der SZ zufolge lehnt der Spitzenverband der Krankenkassen GKV die Geheimpreise ab. Sie "verteuern die Versorgung zugunsten höherer Gewinne der Pharmaindustrie und ohne die Versorgung zu verbessern", heißt es dazu.

Auch inFranken.de hat beim Spitzenverband zu den Geheimpreisen für Medikamente nachgefragt. In der Antwort heißt es: "Der Pharmaindustrie wurde mit der Möglichkeit zu Geheimpreisen ein Geschenk für Gewinnsteigerungen gemacht." Die Rechnung wird am Ende von den Versicherten zu zahlen sein. GKV: "Die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler werden dafür voraussichtlich jedes Jahr Mehrkosten in Milliardenhöhe bezahlen, ohne dass sich dadurch auch nur im Geringsten ihre Versorgung verbessert."

Jens Baas, Vorsitzender des Vorstands, Techniker Krankenkasse (TK) hatte vor einigen Wochen in einem Bericht der Sendung WISO bereits auf das Thema Rabatte aufmerksam gemacht. Er erklärte, dass die Pharmaindustrie zu den Gewinnern im aktuellen System zählt. Es werde gerade mit Originalprodukten sehr viel Geld umgesetzt, da die Kassen hier keine oder sehr wenige Rabatte bekämen – ein Spiel mit der Gesundheit

Was sagt Eli Lilly zum eigenen Vorgehen mit den Preisen?

Auf eine Nachfrage der Redaktion beim Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) zur Vorgehensweise des Herstellers und den möglichen Folgen heißt es: "Hierzu sollten sie sich direkt an Eli Lilly wenden." inFranken.de hat sich mit folgenden Fragen an den Pharmakonzern gewandt:

  • Was verspricht man sich gerade bei diesem Produkt von einem Geheimpreis?
  • Müsste der Preis grundsätzlich nicht niedrig angesetzt werden, da bei der Bewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) nur bei einer von acht Anwendungen die Prüfer einen geringen Zusatznutzen erkannt hatten. 

Dazu heißt es von Eli Lilly: "Vertrauliche Erstattungsbeträge unterstützen dabei, Innovationen im deutschen Markt zu halten oder überhaupt einzuführen. Denn Deutschland ist Preisreferenzland für viele andere Länder." Heißt andere Länder orientieren sich bei der Preisvergabe an Deutschland. Eli Lilly: "Ein vertraulicher Erstattungspreis, ermöglicht es Pharmaunternehmen, größere Preisnachlässe zu gewähren und Innovationen im Markt zu halten, ohne dass eine weltweite Preiserosion in Gang gesetzt wird."

Hintergrund zu den Verhandlungen mit dem GKV: "Lilly hat die Vertraulichkeit des Erstattungspreises für Mounjaro in der Indikation Typ-2-Diabetes beim GKV-SP beantragt und genehmigt bekommen. Dafür zahlt Lilly auf den mit dem GKV-Spitzenverband ausgehandelten Erstattungsbetrag einen zusätzlichen Rabatt von neun Prozent." Heißt: Für die Möglichkeit einen Geheimpreis zu bekommen, gewährt der Hersteller auf den Verhandelten Preis einen zusätzlichen Nachlass. 

Das Thema Zusatznutzen aus Sicht von Eli Lilly

Zur Bewertung durch das IQWIG erklärt der Pharmakonzern: "Für die Bestätigung eines Zusatznutzens ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zuständig. Das IQWiG erarbeitet eine Nutzenbewertung, die der G-BA in seine Entscheidung einfließen lässt. Sie hat ausschließlich empfehlenden Charakter".

Die Nutzenbewertung folgt demnach "sehr strengen methodischen Vorgaben, die nicht zwingend versorgungsrelevant sind". Eli Lilly: "Sie ist die Grundlage für die Preisverhandlung zwischen pharmazeutischem Unternehmen und dem GKV-Spitzenverband."

Ein weiteres Argument des Unternehmens: "Die wissenschaftliche Evidenz aus unserem umfassenden Studienprogramm gegen alle modernen Antidiabetika hat die überzeugende Wirkung von Mounjaro bestätigt. In den Zulassungsstudien hat Mounjaro gegenüber allen Vergleichssubstanzen eine überlegene Reduktion des HbA1c und des Gewichts gezeigt." heißt: Für Eli Lilly ist das eigene Produkt den Vergleichsprodukten überlegen. 

Eine Einschätzung die Andreas Klinge von der Arzneimittelkommission nicht ganz teilt. In einem Bericht der Tagesschau mit Bezug auf den SZ-Beitrag heißt es, dass laut Klinge nicht gesagt sei, "ob Patienten unter diesem Präparat auch weniger Schlaganfälle oder Herzinfarkte haben, ob sie also länger leben mit diesem Medikament".  Weitere Studien sollen laut Unternehmen aber folgen.

Wie funktioniert das Spiel mit den Arzneimittelpreise?

Kommt ein neues Produkt auf den Markt, kann das herstellende Pharmaunternehmen zunächst einen beliebigen Preis verlangen. Damit wird gewährleistet, dass in Deutschland so schnell neue Medikamente verfügbar sind wie in keinem anderen Land in Europa.

Wenn es dann auf dem Markt ist, folgt eine Bewertung durch das IQWiG. dabei geht es um den besagten Zusatznutzen. Danach geht es in Verhandlungen zwischen Unternehmen und Krankenkassen über den Erstattungspreis. 

Das Bundesministerium für Gesundheit schreibt zur Entstehung von Arzneimittelpreisen für verschreibungspflichtige Arzneimittel: "Der Preis des Medikaments spielt für Patient, Arzt und Apotheker erst einmal keine Rolle. Die Krankenkasse bezahlt. Letztlich zahlt aber nicht die Krankenkasse, sondern der Versicherte über seinen Beitrag. Damit die Beiträge zur Krankenversicherung bezahlbar bleiben, dürfen die Ausgaben nicht unbegrenzt steigen." 

Der Preis von Eli Lilly für sein Produkt

Wie unter anderem auch die Deutsche Apotheker Zeitung schreibt, liegt der aktuelle Listenpreis, den jeder Apotheker einsehen kann, für die Drei-Monats-Packung Mounjaro in der 10 Milligramm-Dosis bei 1.126 Euro.

Ozempic als Vergleichsprodukt in der vergleichbaren Dosierung ist mit 291,60  Euro deutlich günstiger.

Wer die Spritze nicht als Diabetes-Präparat nutzt, sondern als Abnehmspritze, der zahlt den Kauf aus eigener Tasche zum offiziellen Listenpreis. DENN: Laut Sozialgesetzbuch dürfen Krankenkassen grundsätzlich, Medikamente zur Gewichtsreduktion nicht bezahlen. Der Geheimpreis kann sich damit für Eli Lilly besonders auf dem Markt der Abnehmprodukte lohnen.