Krankenkassen erhöhen Beiträge, aber informieren Millionen Deutsche nicht: Kritik an Lauterbachs "Schnapsidee"
Autor: Stefan Lutter, Teresa Hirschberg
Berlin, Donnerstag, 03. November 2022
Zum Jahreswechsel droht vielen Versicherten eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge. Normalerweise müssen die Kassen vorab darüber informieren - der Bund setzt diese Informationspflicht aber aus. Das kann zusätzliche Nachteile für Versicherte mit sich bringen.
- Krankenkassenbeiträge werden laut Karl Lauterbach ab 2023 erhöht
- Zusätzliche Änderung: Krankenkassen müssen vorab nicht Bescheid geben
- Kritik an ausgesetzter Informationspflicht: Bund hatte "Schnapsidee"
- Lohnt sich ein Krankenkassenwechsel und was gibt es zu beachten?
Alles wird teurer: Zunächst machten sich die steigenden Preise im Supermarkt und an den Tankstellen bemerkbar, dann auf der Stromrechnung und nun auch noch bei den Krankenkassenbeiträgen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte bereits angekündigt, dass der Zusatzbeitrag 2023 um ein Stück angehoben werden: nämlich um 0,3 Prozentpunkte auf 1,6 Prozent. Nun hat der Bund aber zusätzlich veranlasst, dass Versicherte nicht einmal über die Erhöhung informiert werden sollen. Zumindest für einen bestimmten Zeitraum.
Krankenkassenbeiträge 2023: So viel geht vom Bruttogehalt weg
Zusammen mit dem allgemeinen Beitragssatz von derzeit 14,6 Prozent müssten dann 16,2 Prozent vom Bruttolohn für die Krankenversicherung abgeführt werden. Damit würde der Beitrag zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf einen Rekordwert steigen. Grund sind nicht zuletzt die hohen Gesundheitskosten, die weiterhin durch die Corona-Pandemie verursacht werden.
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Normalerweise haben Krankenkassen die Pflicht, ihre Versicherten vorab schriftlich zu informieren, sollten die Beitragssätze steigen. Dazu zählt auch der Hinweis, dass ein Wechsel zu einer anderen gesetzlichen Krankenkasse möglich ist, und zwar unabhängig vom Alter und Gesundheitszustand der Versicherten. Diese Pflicht gilt aber nicht im ersten Halbjahr 2023. Doch warum hat der Bund diese Änderung überhaupt beschlossen?
Eine Sparmaßnahme steckt dahinter: Die Krankenkassenbeiträge werden zum Jahreswechsel erhöht, um ein finanzielles Defizit von 17 Milliarden Euro auszugleichen. Denn die Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen war bereits zum ersten Halbjahr 2022 kritisch. Lauterbach sprach von einem "historischen Defizit", wies aber auch darauf hin, die schwierige Lage von seinem Vorgänger "geerbt" zu haben. Mithilfe der ausgesetzten Informationspflicht sollen noch einmal 100 Millionen Euro eingespart werden. Der SPD-Politiker möchte zudem vermeiden, dass die Preise einer Krankenkasse das ausschlaggebende Kriterium für Versicherte sind, sondern vielmehr die angebotenen Leistungen.
Krankenkassen setzen Informationspflicht aus: Experte übt Kritik
Die Aussetzung der Informationspflicht wird prompt kritisiert: "Transparenz geht anders", urteilt beispielsweise Hermann-Josef Tenhagen auf seiner Twitter-Seite. Der Wirtschaftsjournalist ist Geschäftsführer der Finanztip Verbraucherinformation GmbH und befürchtet, dass viele Versicherte die steigenden Kosten gar nicht mitbekommen werden. Bei einer Erhöhung der Beiträge gilt nämlich ein Sonderkündigungsrecht, um den Wechsel zu einer anderen Krankenkasse zu ermöglichen. Doch um dieses anzuwenden, müssen Versicherte natürlich erst von der Erhöhung wissen. "Schaust du monatlich auf die Lohnabrechnung? Briege schreibt die Kasse nicht mehr. Mist!", lautet das Fazit des Finanzexperten. Seiner Meinung nach handle es sich dabei um eine "Intransparenzoffensive" des Bundes und eine "Schnapsidee", schreibt Tenhagen zudem in seiner Spiegel-Kolumne.
Mit welcher finanziellen Belastung Versicherte rechnen müssen
Ein Krankenversicherungsbeitrag von 16,2 würde einen Anstieg in Rekordhöhe bedeuten, den insbesondere Versicherte zu spüren bekommen. Der allgemeine Beitragssatz der GKV ist festgelegt und liegt bei 14,6 Prozent des Bruttoeinkommens. Im Jahr 2015 wurde ein Zusatzbeitrag für gesetzlich Versicherte eingeführt, um finanzielle Engpässe auszugleichen und die Kassen wettbewerbsfähiger zu halten. Für Angestellte und Rentenbeziehende wird die Hälfte des Beitrags vom Arbeitgeber übernommen.