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Inflation sinkt: Bleiben die hohen Preise dennoch? - Experten uneins über Herbst-Prognose


Autor: Klaus Heimann

Deutschland, Donnerstag, 25. Juli 2024

Die Inflation sinkt – langsam, aber stetig. Wird sich der Preis-Trend in den Herbst-Monaten fortsetzen? Die Experten sind sich nicht einig.
Trotz sinkender Inflationsrate in Deutschland bleiben einige Preise hoch. Wird die EZB ihre restriktive Zinspolitik beibehalten?


  • Die Inflationsrate sinkt im Juni
  • Rückgang der Energiepreise
  • Preisentwicklung bei Nahrungsmitteln
  • Das ist teurer oder preiswerter gegenüber dem Vorjahr

Der Abwärtstrend bei der Inflation in Deutschland hält an. Der Preisanstieg betrug im Juni 2,2 %, etwas weniger als noch im Mai (2,4 %). In Bayern fällt sie allerdings mit 2,7 % deutlich höher aus. Ausreißer im Juni: Olivenöl und Schokolade sind deutlich teurer. Bei den Energiepreisen gibt es allerdings eine Überraschung.

Die Inflationsrate sinkt im Juni – sinken jetzt auch die Preise?

Auf dem Kurznachrichtendienst X zeigt sich Marcel Fratzscher, Chef-Volkswirt des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hocherfreut über die Inflationsentwicklung im Juni. Mit der Absenkung auf 2,2 % sei nun wieder das Ziel der Preisstabilität erreicht. Fratzscher verkündet dann noch eine volkswirtschaftliche Grundweisheit, damit sich niemand Illusionen macht: "Eine geringe Inflation bedeutet jedoch nicht, dass die Preise sinken, sondern lediglich, dass sie nicht mehr steigen."

Im Klartext heißt das: Für Nahrungsmittel und andere Dinge der Grundversorgung, die sich in den letzten drei Jahren nicht selten um über 30 % verteuerten, werden laut Fratzscher diese hohen Preise in den meisten Fällen von Dauer sein.

Noch nicht zufrieden mit der Höhe der Inflationsrate ist dagegen Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main. Sie sieht den Idealwert bei 2 %. Weil der noch nicht erreicht ist, hält die EZB an der bisherigen restriktiven Zinspolitik fest. Noch vor einem Jahr hatte die Inflation bei 6,4 % gelegen und die Verbraucher mächtig erschreckt.  

Ist der Rückgang der Energiepreise verantwortlich für die geringere Inflationsrate?

"Die Energie- und Nahrungsmittelpreise dämpfen seit Jahresbeginn die Inflationsrate", erklärte Ruth Brand, Präsidentin des Statistischen Bundesamtes. "Demgegenüber beobachten wir weiterhin überdurchschnittliche Preiserhöhungen bei Dienstleistungen."

Und in der Tat, die Preise für Energieprodukte verbilligten sich im Juni 2024 nochmals gegenüber dem Vorjahresmonat um 2,1 % (Mai 2024: -1,1 %). Binnen Jahresfrist gingen sowohl die Preise für Haushaltsenergie (-3,0 %) als auch für Kraftstoffe (-0,6 %) zurück. Wobei der Spritpreis stark schwanken und jetzt in der Urlaubssaison anziehen kann.

Vor allem konnten die Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin von günstigeren Preisen für Brennholz, Holzpellets oder andere feste Brennstoffe (-13,7 %) sowie für Strom (-6,3 %) und Erdgas (-4,3 %) profitieren. Dagegen waren einige Energieprodukte teurer als ein Jahr zuvor. Insbesondere Fernwärme (+27,6 %) und leichtes Heizöl (+7,9 %) machten gewaltige Sprünge nach oben.

Was ist teurer geworden gegenüber dem Vorjahr?

Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden gibt einen Überblick über die auffälligsten Preisveränderungen gegenüber dem Vorjahresmonat. Zunächst die Produkte und Dienstleistungen, die teurer sind:

  • Olivenöl
  • 46,7 %

 

  • Fernwärme
  • 27,6 %

 

  • Kfz-Versicherungen
  • 26,3 %

 

  • Butter
  • 16,8 %

 

  • Frucht- und Gemüsesäfte
  • 11,7 %

 

  • Häusliche Pflege
  • 10,9 %

 

  • Schokolade
  • 10,7 %

 

  • Pommes frites
  • 9,8 %

 

  • Urlaubspauschalreisen
  • 9,3 %

 

  • Zigarren, Zigarillos
  • 9,3 % 

Ist etwas preiswerter geworden gegenüber dem Vorjahr?

Die Statistiker haben nicht nur die "Teuer-Preise" untersucht, sondern ebenso diejenigen, bei denen es in die umgekehrte Richtung ging: also Produkte, die gegenüber dem Vorjahresmonat günstiger geworden sind.

  • Mehl
  • 6,2 %

 

  • Strom
  • 6,3 %

 

  • Flugreisen
  • 6,4 %

 

  • Mobiltelefon ohne Vertrag
  • 7,2 %

 

  • Fernsehgeräte
  • 9,1 %

 

  • PC
  • 10,9 %

 

  • Sonnenblumen- und Rapsöl
  • 11,1 %

 

  • Spielwaren
  • 13,6 %

 

  • Brennholz, Pellets
  • 13,7 %

Wie sieht die Preisentwicklung bei den Nahrungsmitteln aus?

Die Preise für Nahrungsmittel insgesamt stiegen im Juni leicht – die Teuerung blieb aber mit 1,1 % unter der Gesamtteuerungsrate, wie die Statistiker aus Wiesbaden erläutern. Absoluter Ausreißer bei den Lebensmitteln ist allerdings ein Produkt: Deutlich mehr mussten Kaufende für Olivenöl zahlen (plus 47 %). Zucker, Marmelade und Honig waren rund 6 % teurer als im Juni 2023, Schokolade fast 11 %.

Auch für andere Nahrungsmittelgruppen wie Obst (+1,5 %) oder Brot und Getreideerzeugnisse (+1,2 %) mussten die Verbraucherinnen und Verbraucher im Juni 2024 mehr bezahlen als ein Jahr zuvor. In der Jahresbilanz von Juni 2023 bis Juni 2024 sind dagegen vor allem Molkereiprodukte (-3,0 %) günstiger. 

Überdurchschnittlich stiegen die Preise für Dienstleistungen – für Versicherungen etwa um rund 12 %, für Restaurantbesuche um fast 7 % oder für Übernachtungen um rund 5 %. Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust, erwartet weiter steigende Dienstleistungspreise, insbesondere durch höhere Löhne, und ist deshalb skeptisch, ob die sinkenden Inflationszahlen auf Dauer von Bestand sind. Komplett anders sieht das der ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser: "Die Inflationsrate dürfte ihren Rückgang langsam fortsetzen und im August erstmals seit März 2021 unter die Zwei-Prozent-Marke sinken." In der Industrie und in konsumnahen Bereichen haben laut dem Münchner Forschungsinstitut im Juni bereits etwas weniger Unternehmen als im Vormonat Preiserhöhungen geplant.