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Entlassung und Stellenstreichungen: Fünf Fehler bei der Abfindung


Autor: Klaus Heimann

Deutschland, Mittwoch, 15. Januar 2025

Hiobsbotschaften über Werksschließungen sind inzwischen Alltag. Für die Beschäftigten ist das schmerzlich. Sie müssen sich neu orientieren und finanzielle Einbußen akzeptieren. Da hilft eine Abfindung. Aber fünf Fehler dürfen dir nicht passieren.
Die Industrie in Franken steckt in einer tiefgreifenden Transformation.


Die Absatzflaute und Transformation zeigen bei den Industriefirmen und auf dem Arbeitsmarkt allerorts ihre Auswirkungen. Eine Reihe von Unternehmen macht komplett zu oder es werden Beschäftigte entlassen. Umso wichtiger ist die Frage, worauf du achten musst, um wenigstens eine möglichst hohe Abfindung zu bekommen. Wir gehen auf fünf Fehler ein, die du besser vermeidest. Arbeitnehmer sollten sich ihrer Rechte unf Pflichten bewusst sein.

Erster Fehler: Du verzichtest auf die Kündigungsschutzklage

Du kannst eine Entlassung nur mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht (Kündigungsschutzklage)  komplett aus der Welt schaffen. Ohne Klage ist das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet, selbst wenn es gegen gesetzliche Vorgaben verstößt. Nur ein Arbeitsrichter kann im Rahmen einer Kündigungsschutzklage die Unwirksamkeit feststellen und dafür sorgen, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht.

Verzichtest du auf eine Kündigungsschutzklage, ist dein Job nicht mehr zu retten. Auch eine mögliche Abfindung rückt damit in weite Ferne. Bei Abfindungsverhandlungen wird nicht nur über den eigentlichen Wegfall des Arbeitsplatzes verhandelt. Üblich sind auch Abfindungsklauseln, die sämtliche vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche ausschließen.

Deshalb solltest du deine Unterschrift auf keinen Fall unter folgende Klausel setzen: "Ich erhebe gegen die Kündigungsklage keine Einwände und werde mein Recht, das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen, nicht wahrnehmen oder eine mit diesem Ziel erhobene Klage nicht durchführen“. Unterschreibst du, gibt es kein Zurück mehr und kein Arbeitsgericht kann dir mehr helfen. Übrigens: Wenn du trotz einer ungültigen Kündigung keine Klage einreichst, fällst du unter die Sperrzeitregelung beim Arbeitsamt. 12 Wochen lang erhältst du dann kein Arbeitslosengeld ALG I.

Zweiter Fehler: Nichtbeachten der Frist für die Kündigungsschutzklage

Die Kündigungsschutzklage ist nur bis maximal drei Wochen nach Zugang des Kündigungsschreibens möglich (§ 4 Kündigungsschutzgesetz). Verpasst du diese Frist und wartest zu lange, hast du regelmäßig keine Chancen mehr, gegen die Kündigung vorzugehen. Die Kündigung ist dann unwiderruflich in der Welt. Die Fristberechnung startet mit dem Erhalt der Kündigung. Nur unter besonderen Umständen ist eine Fristverlängerung möglich, beispielsweise bei schwerer Krankheit.

Vielen Arbeitnehmern ist die Dreiwochenfrist für die Kündigungsschutzklage zwar bekannt. Nach Erhalt der Kündigung lassen sie sich aber trotzdem viel Zeit. Viele sprechen zuerst mit ihrem Partner und mit der Familie und Freunden über die richtige Vorgehensweise.

Das ist zwar verständlich, aber trotzdem gefährlich. Dadurch verlierst du wertvolle Zeit. Nicht wenige verpassen deshalb die Frist für die Kündigungsschutzklage. Jedenfalls nutzen sie einen möglichen ersten Angriffspunkt nicht: die sofortige Zurückweisung der Kündigung wegen fehlender Bevollmächtigung. Diese Frist dauert je nach Fall drei bis fünf Werktage nach Zugang des Kündigungsschreibens. Wer unverzüglich beim Anwalt anruft oder die Kündigung fristgerecht zurückweist, nutzt diese erste Chance.

Dritter Fehler: Du denkst, der Sozialplan schließt eine Kündigungsschutzklage aus

Schließt der Betrieb mit dem Betriebsrat einen Sozialplan ab, der die Entlassungen regelt, hast du als Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer meist einen Anspruch auf eine Abfindung. Aber hast du damit dein individuelles Recht auf eine Kündigungsschutzklage verloren? Nein, du kannst trotzdem beim Arbeitsgericht klagen.

Der Vorteil einer Klage ist in diesem Fall, dass dir kann in der Regel nichts passieren kann. Natürlich wird der Richter die Ergebnisse der Sozialplanverhandlungen in seine Entscheidung einbeziehen. Wenn du die Klage verlierst, fällst du "nur" auf die Sozialplanabfindung zurück. Das bedeutet in der Praxis, dass du immer klagen solltest, egal ob ein Sozialplan besteht oder nicht. Oft ist es so, dass der Arbeitgeber immer noch was auf die Sozialplanabfindung drauflegt, um dich als Arbeitnehmender loszuwerden.

In der Praxis gibt es bei der Abfassung des Sozialplans oftmals Fehler, die einen rechtlicher Ansatzpunkt für die Klage bieten. Sie können insbesondere entstehen bei der Abwicklung der Massenentlassung, der notwendigen Sozialwahl oder durch die Nichtbeachtung von besonderen gesetzlichen oder tariflichen Kündigungsschutzbestimmungen (Mitglieder des Betriebsrats, Schwerbehinderte, Datenschutzbeauftragte, Eltern in Elternzeit, Auszubildende und Schwangere). In einigen Sozialplänen gibt es eine Klausel über eine sog. "Turboprämie". Sie besagt, dass Arbeitnehmer, die das Unternehmen bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist verlassen, eine höhere Abfindung erhalten.

Vierter Fehler: Du schätzt die Chance auf Abfindung falsch ein

Arbeitgebende sind zur Zahlung einer Abfindung meistens nur bereit, wenn sie vor Gericht merken, dass sie die Klage verlieren könnten. Ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar, lohnt sich eine Kündigungsschutzklage so gut wie immer. Denn: Fast jede Klage endet mit einem Abfindungsvergleich. Laut Statistik des Statistischen Bundesamtes (StaBu) gab es 2023 insgesamt 275.550 Arbeitsschutzklagen bei deutschen Gerichten. Davon wurden lediglich 16.575 durch ein streitiges Urteil, d.h. ohne Einigung der Parteien, entschieden. 

Dies bedeutet, dass mehr als neunzig Prozent aller arbeitsrechtlichen Streitigkeiten durch einen Vergleich bzw. eine anderweitige Einigung enden. Mit anderen Worten: In diesen Fällen erhält der Arbeitnehmer eine Abfindung in Geld oder die Wiedereinstellung. Kündigungsschutzklagen sind also durchaus Erfolg versprechend. Viele Arbeitnehmende verkennen aber ihre meistens guten Abfindungschancen und bleiben nach der Kündigung untätig.

Die Abfindung unterliegt übrigens der regulären Besteuerung. Allerdings kannst du die sogenannte "Fünftelregelung“ (§§ 34, 24 Einkommenssteuergesetz) in Anspruch nehmen, sodass die Steuerlast über fünf Jahre verteilt ist und nicht sofort komplett an das Finanzamt zu zahlen ist.

Fünfter Fehler: Du informierst dich nicht über die Prozess- und Anwaltskosten

Arbeitnehmer und Arbeitgeber tragen zunächst selbst die Kosten für ihre Anwälte. Über die Prozesskosten entscheidet der Richter. In der Regel sind sie von der unterlegenen Partei zu tragen. Arbeitnehmer müssen sich vor dem Arbeitsgericht bei Einreichung einer Kündigungsschutzklage nicht zwingend durch einen Arbeitsrechtsanwalt vertreten lassen. Verzichtest du darauf, entfallen für dich die Anwaltskosten. Zu empfehlen ist der Verzicht auf einen Anwalt allerdings nicht.

Die Kosten für eine Kündigungsschutzklage ergeben sich aus den Gerichtskosten und dem Honorar deines Anwalts. Beide sind gesetzlich verankert und orientieren sich am Streitwert.

Je höher dein Gehalt, desto teurer der Prozess. Mit einem Anwaltskosten-Rechner kannst du das Honorar zumindest abschätzen. Gleiches gilt für die Gerichtskosten. Die ungefähre Abfindungssumme und damit auch den Streitwert in einem Arbeitsgerichtsverfahren kannst du wie folgt ausrechnen: Halber Brutto-Monatslohn multipliziert mit den Beschäftigungsjahren.

Absichern kannst du dich mit einer Arbeitsrechtsschutzversicherung (Hier geht es zur Rechtsschutz-Versicherung von BavariaDirekt*).

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