Deutschland bald in der Mega-Krise? Drohen Stellenabbau und "neue" Agenda 2010?
Autor: Joachim Tiefenthal
Deutschland, Donnerstag, 26. Dezember 2024
Stellenabbau, Fachkräftemangel und kein Wirtschaftswachstum - während Nachbarländer wie Frankreich, Italien oder Spanien im Vergleich auf positive Wachstumsraten blicken können, herrscht in Deutschland Stagnation. Droht nun bald die Mega-Krise?
- Wie ist die aktuelle Situation in Deutschland?
- Stellenabbau und Fachkräftemangel – wie passt das zusammen?
- Brauchen wir eine neue Agenda?
- Prognose: Wie wird das Jahr 2025?
Die jüngsten Ankündigungen von Ford und dem Industriekonzern Thyssenkrupp, etwa 2.900 Stellen bis 2027 bzw. 11.000 bis 2030 Stellen abbauen zu wollen, sind in ohnehin turbulenten Zeiten eine weitere Hiobsbotschaft. Zuerst vor allem für die betroffene Belegschaft, aber auch für die deutsche Wirtschaft insgesamt. Denn der geplante Stellenabbau in beiden Großkonzernen reiht sich nahtlos ein, in die Entlassungswellen bspw. bei Schaeffler (2.800), Volkswagen (bis zu 30.000 Stellen), ZF (14.000) oder Bosch (3.500). Es sind jedoch nicht nur die Automobil- und deren Zulieferindustrien, die nicht nur wegen zu geringer Nachfrage nach Elektroautos in wirtschaftliche Schieflage geraten. Auch Großunternehmen wie Coca-Cola, SAP oder Bayer müssen ihren Personalstand hierzulande reduzieren. Zwar konnte sich die Wirtschaft in Deutschland allen Prognosen zum Trotz im 3. Quartal 2024 leicht erholen. Allerdings steht der Stimmungsindikator der Deutschen Industrie und Handelskammer derzeit auf "pessimistisch".
Stellenabbau und Fachkräftemangel - wie passt das zusammen?
Die aktuellen Zahlen weisen auf dem hiesigen Arbeitsmarkt momentan noch nicht auf ein Katastrophenszenario hin: Mit Stand September 2024 waren rund 46,24 Millionen Menschen in Deutschland erwerbstätig. Dem gegenüber standen im Oktober 2024 rund 2,71 Millionen Personen, die als arbeitslos gemeldet waren. Die Arbeitslosenquote blieb unverändert bei 6,0 Prozent und hat sich gegenüber dem Vorjahresmonat nur leicht um 0,3 Prozentpunkte erhöht.
Darüber hinaus wurden im Oktober 2024 der Bundesagentur für Arbeit ca. 689.000 offene Stellen gemeldet. Angesichts der angekündigten Stellenabbaumaßnahmen wird dies vermutlich jedoch nur die Ruhe vor dem Sturm sein. Denn gleichzeitig setzte sich der, mit Blick auf die im Vorjahresvergleich noch leicht steigenden Zahlen der Erwerbstätigen, langfristig positive Trend zwar weiter fort, jedoch versiegt dieser zarte Zuwachs inzwischen nahezu vollständig. Der für die kommenden Monate und Jahre massiv geplante Abbau von Arbeitsplätzen wird sich daher bereits ab dem nächsten Jahr auch in den Zahlen der Arbeitsagentur bemerkbar machen.
Um dabei die gegensätzlichen Positionen Stellenabbau und Fachkräftemangel besser verstehen und erklären zu können, bedarf es einer weitaus tiefergehenden Analyse: Welche Arbeitsplätze fallen aus welchen Gründen in welchen Bereichen weg, welche Ressourcen stehen zur Verfügung und welcher Bedarf wird in welchem Ausmaß an welchen Orten benötigt. Nicht außer Acht zu lassen ist die Tatsache, dass im August 2024 rd. 7,64 Millionen Personen nur eine geringfügig entlohnte Beschäftigung hatten. Das waren 52.000 mehr als im Vorjahresmonat Juli. Von diesen 7,64 Millionen Personen waren wiederum 4,20 Millionen ausschließlich und 3,44 Millionen im Nebenjob geringfügig entlohnt beschäftigt. Sie fallen damit zwar nicht in die Arbeitslosenstatistik, arbeiten aber aufgrund ihres niedrigen Einkommens mitunter in sog. prekären Arbeitsverhältnissen, die in Krisenzeiten schnell gekündigt werden können.
"Stellenabbau" heißt nicht immer gleich Entlassungen
In den Ankündigungen von Stellenabbauplänen tauchen in dem Zusammenhang immer auch die Hinweise auf, dass diese nicht zwangsläufig Entlassungen bedeuten müssen. Man sei bemüht, sozialverträglich vorzugehen. So könne der Abbau von Arbeitsplätzen auch so gestaltet werden, dass Stellen einfach nicht nachbesetzt werden oder offene Planstellen erst gar nicht besetzt werden. Geht z. B. jemand vorzeitig in den Ruhestand, wechselt die Arbeitsstelle oder möchte sich selbständig machen, lassen sich Stellen abbauen, ohne dass letztlich eine Beschäftigung verloren geht.
Gerade im Hinblick auf die massiven Abbaupläne gleich mehrerer Branchen wird es aber nicht gelingen können, diese alle sozialverträglich umzusetzen. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass der Arbeitsmarkt keineswegs ein spielerisches Nullsummenspiel ist, bei dem man beliebig z. B. wegfallende gegen offene Stellen gegenrechnen kann. Erst recht, wenn Jobs jetzt mehrheitlich im produzierenden Gewerbe gestrichen werden, hohe Nachfrage aber vor allem auch in sozialen Dienstleistungsberufen besteht. Zwar behaupten Experten, wie Clemens Schömann-Finck in seinem Interview bei Focus online, es läge nur an der Flexibilität und der Qualifikation eines jeden einzelnen Arbeitnehmers, auf einem eigentlichen Arbeitnehmermarkt jederzeit eine Anstellung zu finden.