Der "Gruppenspiegel": Klärung von Erwartungshaltungen in der Arbeitswelt
Autor: Joachim Tiefenthal
Deutschland, Mittwoch, 04. Januar 2023
Nicht erfüllte Erwartungen sind oftmals die Ursache für Frust und Enttäuschungen. Häufig sind uns bestehende Erwartungen gar nicht klar. Im Kontext von Arbeit hilft der Gruppenspiegel, Erwartungshaltungen im Team schnell und transparent zu klären.
- Rollen im Team und entsprechende Erwartungshaltungen
- Klärung von Erwartungen im Team
- Vorgehensweise: Sechs Fragen und die Spiegelungen
- Umgang mit Ergebnissen
- Fazit
In jedem Team, das zielführend und effizient zusammenarbeiten möchte, übernehmen die Teammitglieder bestimmte Rollen. Idealerweise sind diese Rollen untereinander abgestimmt, gegeneinander abgegrenzt und klar definiert. Denn nur dann weiß jede*r, was die eigne Aufgabe und ist und wofür man zuständig und verantwortlich ist. Daraus ergeben sich entsprechend Erwartungshaltungen von jedem und an jedes Teammitglied. Die Praxis zeigt jedoch, dass diese idealtypische Konstellation nur selten gegeben ist. Neben der fehlenden Klärung und Absprache liegt es meist daran, dass Organisationsbereiche, Abteilungen und auch Teams oft eher zufällig zusammengesetzt bzw. Veränderungsprozessen und individuellen Einflüssen unterworfen sind. So treffen viele unterschiedlich ungeklärte Erwartungshaltungen im Arbeitsalltag aufeinander. Konflikte sind dann vorprogrammiert.
Klärung von Erwartungen im Team
Unter Erwartungen können wir in erster Linie vorweggenommene Annahmen oder Wünsche verstehen, wie etwas nach unseren Vorstellungen sein sollte oder gar zu sein hat. Diese mehr oder weniger stark ausgeprägten Erwartungshaltungen beziehen sich auf uns selbst (Selbstkonzept) oder auch auf Personen in unserem privaten oder beruflichen Umfeld. Solche Erwartungsbilder entstehen überwiegend durch unsere individuelle Sicht auf die Dinge. Sozialisierung, erlebte Erfahrungen und deren Bewertung sowie der Umgang mit ihnen spielen dabei eine bedeutende Rolle. Denn hieraus bilden sich unser Wertesystem, unsere Haltung sowie unser Denken und Handeln. Dies alles manifestiert sich langfristig in unseren individuellen und mehrheitlich unbewusst gelebten Glaubenssätzen. Mit unserem eigenen Kompass navigieren wir uns dann durch das reale Leben.
Erwartungen beziehen sich je nach Kontext auf unterschiedliche Lebensbereiche. Im Privaten haben wir zum Beispiel Vorlieben und manchmal auch sehr konkrete Vorstellungen davon, wie der Partner oder die Partnerin aussehen soll, welche Interessen oder Charaktereigenschaften uns beim jeweils anderen in Bezug auf eine mögliche Partnerschaft wichtig sind. In der Arbeitswelt kommt es in dem Zusammenhang häufig zu sogenannten Rollenkonflikten. Sie entstehen, wenn eine Person in einer Gruppe nicht die an sie gestellte Erwartungen erfüllt. In einem Unternehmen sind das klassisch Konflikte zwischen Vorgesetzten und unterstellten Mitarbeitenden. Derartige Rollenkonflikte können aber auch auf einer Hierarchiestufe (zum Beispiel in der Führungsetage auf Bereichsleiter- oder Vorstandsebene) oder unter den gleichrangigen Mitarbeitenden in einer Abteilung oder in Teams auftreten.
Die rechtzeitige Klärung von Erwartungshaltungen vermindert das Risiko, dass Rollenkonflikte überhaupt entstehen können. Wenn sie jedoch bereits entstanden sind, so langsam vor sich hin schwelen, die Stimmung im Team und damit auch die Arbeitsleistung drücken, dann empfiehlt es sich, dringend Maßnahmen zu ergreifen, welche die unterschiedlichen Erwartungshaltungen im Team offenlegen. Dazu ist der erste Schritt, die wahrgenommenen Dissonanzen im Team konstruktiv anzusprechen. Um dies anzustoßen, kann zum Beispiel der Teamleiter seinem Team die offene Frage stellen, ob man sich als Team fühle und wenn nicht, was denn dazu notwendig wäre. Im zweiten Schritt sollte sich das Team dann einig werden, gemeinsam daran arbeiten zu wollen. Das liest sich vermutlich einfacher, als es sich vielleicht in manch bereits sehr festgefahrenen Teamstrukturen umsetzen lässt. Allerdings sind die gemeinsame Arbeit und das klärende Auflösen von gegenseitigen Erwartungen alternativlos, wenn dann die Zusammenarbeit und die Stimmung im Team besser werden sollen.
Vorgehensweise: Sechs Fragen und die Spiegelung
Wenn du im Internet nach "Gruppenspiegel" recherchierst, stößt du darauf, dass mit dem Begriff eine Methode beschrieben wird, die häufig zu Beginn von Seminaren eingesetzt wird. In dem Zusammenhang dient der Gruppenspiegel dazu, eine Übersicht (zum Beispiel Name, Abteilung, Funktion, seit wann im Unternehmen) in Bezug auf die Gruppe der Seminarteilnehmenden zu gewinnen. Hinsichtlich der konkreten Klärung von Erwartungshaltungen in Teams wird in der Regel vom "Marktplatz der Erwartungen" gesprochen. Da das jeweilige Prinzip (Herstellen von Transparenz) sehr ähnlich ist, wird folgend der Gruppenspiegel in verkürzter Kombination mit dem Marktplatz als Methode vorgestellt, mit der du relativ schnell die unterschiedlichen Erwartungen im Team transparent offenlegen kannst.
Ausgehend davon, dass sich das Team aus einem Teamleiter oder einer Teamleiterin (Führungskraft) und einer gewissen Anzahl an Teammitgliedern (Mitarbeitende) zusammensetzt, beantworten Teamleiter*in und Teammitglieder jeweils für sich drei Fragen. Die Antworten können dabei zum Beispiel auf farbigen Moderationskarten notiert werden.