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Betriebsferien: Muss ich mir Urlaub nehmen?


Autor: Klaus Heimann

, Montag, 23. Sept. 2024

Betriebsferien über Weihnachten und im Sommer sind bei Arbeitgebern beliebt. Mitarbeiter bevorzugen eher individuell festgelegten Urlaub. Wie sind hier die genauen Regelungen?
Bei Betriebsferien ist die Firma vorübergehend geschlossen und die Mitarbeiter müssen Urlaub nehmen. Aber geht das so einfach?


  • Das Bundesurlaubsgesetz kennt keine Betriebsferien
  • Was rechtfertigt den Betriebsurlaub?
  • Betriebsvereinbarungen schaffen Klarheit
  • Das sind die Regeln für den Betriebsurlaub
  • Darf mein Chef mir vorschreiben, wann ich Resturlaub nehmen soll?

Betriebsferien, das ist doch Urlaub, angeordnet vom Chef, oder? Egal ob Werkstatt, Fabrik, Einzelhandel oder Restaurant: Betriebe nutzen die Sommermonate oder die Weihnachtszeit gerne für eine generelle Schließzeit. Mit den Werksferien haben die Betriebe die Chance, einen Zeitraum festzulegen, in dem alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Urlaub nehmen müssen, ob sie wollen oder nicht. Aber: Einfach so und spontan geht das nicht.

Das Bundesurlaubsgesetz kennt keine Betriebsferien

Gemäß Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) gilt laut § 1: "Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub." Konkret: Die Betriebe müssen laut § 3 BUrlG "jährlich mindestens 24 Werktage" an Urlaub gewähren. Die Frage, wer über den Zeitpunkt des Urlaubs entscheidet, ist in § 7 Abs. 1 BUrlG unklar bestimmt. Aber: Immerhin sind die Wünsche des Arbeitnehmers zum Zeitraum des Urlaubs zu berücksichtigen, soweit dringende betriebliche Belange dem nicht entgegenstehen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Arbeitnehmer in Eigeninitiative über den Urlaubszeitraum bestimmen. Betriebsferien kennt das Gesetz nicht.

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Trotzdem können Arbeitgeber kollektive Urlaubszeiten anordnen, wobei sie nicht den gesamten dem Mitarbeiter zustehenden Jahresurlaub ansetzen können. Bereits 1981 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) zum Verhältnis der Betriebsferien versus individuelle Urlaubstage eine Grundsatzentscheidung getroffen, die immer noch Bestand hat (BAG, Urteil vom 28.7.1981, Az.: 1 ABR 79/79).

Danach ist es angemessen, wenn der Arbeitgeber bis zu drei Fünftel des Urlaubsanspruchs für Betriebsferien ansetzt. Die Beschäftigten müssen also bis zu 60 % ihres Jahresurlaubs zu einem vom Arbeitgeber festgelegten Zeitpunkt nehmen. Das bedeutet, dass von einem 30-tägigen Jahresurlaub maximal 18 Tage für Betriebsferien zu nutzen sind. Es bleiben also 40 % Urlaubszeit übrig, die du selbst verplanen kannst, die der Arbeitgeber dann lediglich genehmigen muss.

Was rechtfertigt den Betriebsurlaub?

Betriebe benötigen üblicherweise eine stichhaltige Begründung, für die Abweichung vom individuellen Urlaubsanspruch. Nur dann müssen die Mitarbeitenden die Werksferien akzeptieren (LAG Düs­sel­dorf, Urteil vom 20.6.2002, Az.: 11 Sa 378/02). Folgende betriebliche Bedingungen rechtfertigen einen Betriebsurlaub:

  • Eine deutlich niedrigere Auftragslage in einem vorhersehbaren oder immer wiederkehrenden Zeitraum. Ein solcher Auftragsmangel kommt häufig zwischen Weihnachten und Neujahr vor.
  • Eine zentral wichtige Person ist im Urlaub – das gilt beispielsweise in einer Praxis, wenn der Arzt Ferien macht. Oder wenn in einer Kanzlei der Steuerberater oder Rechtsanwalt eine Pause einlegt.
  • Umbauarbeiten im Betrieb und den Geschäftsräumen
  • Wichtige Zulieferer oder Kunden machen auch Werksferien – mit der Folge, dass die Zulieferkette nicht mehr funktioniert.

Kein betrieblicher Grund liegt bei einem kurzfristigen Auftragsmangel und Umsatzrückgang vor. Das Betriebsrisiko, keine Arbeit zu haben, kann der Arbeitgebende nicht einseitig auf die Arbeitnehmer abwälzen. Deshalb darf ein Unternehmen seine Angestellten nicht in den Zwangsurlaub schicken, nur weil durch den Ausfall einer wesentlichen Maschine die Produktion stillsteht. Kommt es zu Störungen im Betriebsablauf, trägt der Arbeitgeber allein das Risiko.

Betriebsvereinbarungen schaffen Klarheit

Hat das Unternehmen einen Betriebsrat, so hat dieser nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein Wörtchen bei der Festlegung der Betriebsferien mitzureden. Laut BAG gehört dazu auch die Frage, ob der gesamte Betrieb oder nur einzelne Betriebsabteilungen Betriebsferien machen (BAG, Urteil vom 09.05.1984, Az.: 5 AZR 412/81)

In der Betriebsvereinbarung, wie es sie beispielsweise bei Volkswagen in Wolfsburg oder an den BMW-Standorten gibt, können Arbeitgeber und Betriebsrat alle grundsätzlich den Werksurlaub betreffenden und alle üblichen anfallenden Fragen (Ankündigungsfristen, Dauer, Umfang etc.) klären.

Durch die Betriebsvereinbarung muss der Arbeitgeber die dringenden betrieblichen Belange nicht jeweils einzeln gegenüber den Arbeitnehmenden begründen und nachweisen. Komplett still steht die Produktion allerdings nicht: Bei Volkswagen in Wolfsburg gibt es trotz Werksferien Schichten mit wenigen Mitarbeitern, die keinen Urlaub nehmen wollen, oder mit Ferienjobbern. 

Welche Regeln gelten für einen Betriebsurlaub?

Betriebsferien sind übrigens normaler Urlaub. Die Tage werden also auf den Urlaubsanspruch des Mitarbeiters eins zu eins angerechnet. Sind Mitarbeiter während des Betriebsurlaubs krank, gilt § 9 BUrlG. Danach sind Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf die Urlaubstage anzurechnen, wenn eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vorliegt. Haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bereits ihren gesamten Urlaub genommen, bevor die Betriebsferien beginnen, muss der Arbeitgeber entweder eine Beschäftigung während der Betriebsferien anbieten oder dich für diese Zeit bezahlt freistellen. Unbezahlte Urlaubstage sind nicht möglich. Der Betriebsurlaub an Weihnachten/Neujahr ist nicht auf den Urlaub des kommenden Jahres anzurechnen.

Ankündigungen des Chefs wie "Nächste Woche haben alle Urlaub" haben keinen Bestand. Der Betriebsurlaub ist rechtzeitig anzukündigen. Der Zeitraum ist nicht klar geregelt. Es ist die Pflicht des Arbeitgebenden, die Angestellten frühzeitig über die geplanten Betriebsferien zu informieren und eine Ankündigungsfrist einzuhalten. Ein halbes Jahr Ankündigungsfrist hat sich eingebürgert. 

Kündigt der Arbeitgebende den Betriebsurlaub relativ kurzfristig an und hält er keine Ankündigungsfrist ein, kann er bereits bewilligte Urlaubstage für das aktuelle Urlaubsjahr nicht einfach wieder streichen.

Darf mein Chef mir vorschreiben, wann ich Resturlaub nehmen soll?

Manchmal hat man im November noch einige Urlaubstage und weiß nicht, wohin damit. Viele fragen sich dann: Darf der Chef mich zwingen, den Resturlaub zu nehmen, und dafür die Tage vorgeben? Dahinter steckt der Gedanke, dass die Mitarbeitenden keine Urlaubstage ins nächste Jahr mitnehmen sollen.

"Die einfache Antwort lautet: Nein", sagt Peter Meyer, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mitglied des geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV), gegenüber der Deutschen Presseagentur (DPA). Grundsätzlich habe jeder Arbeitnehmer das Recht, über die zeitliche Lage seines Urlaubs zu entscheiden. 

Verfällt Urlaub, wenn man ihn nicht bis zum Jahresende nimmt? Selbst wenn der Arbeitnehmer am Ende des Jahres noch offene Urlaubstage hat, darf der Chef laut Meyer nicht einfach den Urlaub festlegen. Aber: "Weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf den offenen Urlaub hin und fordert ihn auf, den Urlaub bis Jahresende zu nehmen, dann verfällt der Urlaub am Jahresende, wenn der Arbeitnehmer trotz Aufforderung seinen Urlaub nicht angetreten hat."

Wie ist eine Urlaubssperre zu bewerten?

Du hast deinen Urlaub geplant, doch dann verhängt der Chef oder die Chefin eine Urlaubssperre. Ist das rechtlich zulässig? Meistens sind andere Mitarbeitende krank oder ein wichtiger Auftrag ist hereingekommen. Während der Fußball-Europameisterschaft im Sommer 2024 gab es für die Polizei eine Urlaubssperre.

"Arbeitgeber dürfen eine Urlaubssperre verhängen, wenn es dringende betriebliche Gründe gibt", sagt Patrizia Antoni, Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Fachzeitschrift Impulse. Typische Beispiele für eine Sperre sind: drohende Insolvenz des Betriebs – da ansonsten der Verlust des Arbeitsplatzes droht, haben vermutlich alle Arbeitnehmer Verständnis für eine Urlaubssperre –, benötigtes Fachwissen einzelner Mitarbeiter, Arbeitsspitzen im Saisongeschäft oder Personalmangel durch eine Krankheitswelle.   

Entscheidend ist, dass der Arbeitgeber die Gründe für eine Urlaubssperre transparent kommuniziert. Arbeitsrechtlerin Antoni betont, dass es keine Obergrenze für den Zeitumfang der Urlaubssperre gibt. Dauert die Sperre mehrere Monate, kann sie mit dem gesetzlichen Urlaubsanspruch kollidieren.

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