Zeitarbeit als Sprungbrett oder Sackgasse?
Autor: Klaus Heimann
Deutschland, Freitag, 03. Februar 2023
Seit es für die Zeitarbeit Tarifverträge gibt, meinen viele, die Welt sei in Ordnung. Das stimmt aber nicht. Der Ruf ist auch nach 50 Jahren immer noch unverändert schlecht. Berechtigt?
- Eine nicht immer störungsfreie Dreiecksbeziehung
- Zeitarbeit: Sprungbrett oder Sackgasse?
- Die Nachteile liegen auf der Hand
Zeitarbeit loben die einen als exzellentes und flexibles Instrument für den Arbeitsmarkt. Andere sehen darin nichts anderes als eine moderne Variante von Sklavenarbeit. Wie auch immer, es lohnt sich einen genauen Blick auf die 816.000 Beschäftigten (2021) zu werfen, die aktuell so ihr Geld verdienen. Die Fakten sind allerdings ziemlich ernüchternd.
Eine nicht immer störungsfreie Dreiecksbeziehung
Egal, wie es benannt ist, ob es unter dem Begriff Leiharbeit, Zeitarbeit, Mitarbeiterüberlassung, Personalleasing oder Temporärarbeit läuft - es handelt sich im immer um Arbeitnehmerüberlassung. Ein Arbeitgeber (in diesem Fall üblicherweise die Firmen der Personaldienstleistung, die als Verleiher handeln) überlässt seine Arbeitnehmer*innen einem anderen Unternehmen für einen begrenzten Zeitraum und natürlich gegen Entgelt.
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In dieser Dreiecksbeziehung ist die Zeitarbeitsfirma diejenige, die als Arbeitgeber auftritt. Sie übernimmt die Auszahlung des Gehalts, die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge, ist Ansprechpartner für den Urlaub und für eine Kündigung ist der Personaldienstleister zuständig. Der Verleiher kassiert vom Entleiher einen sog. Verrechnungssatz. Das ist in der Regel etwa das Doppelte des Bruttostundenlohns, den der Leiharbeiter von seinem Verleihunternehmen erhält. Viele Betriebe erkaufen sich damit im Gegenzug ein hohes Maß an Flexibilität. Ist die Entleihfirma mit der Arbeitsleistung unzufrieden, ist der Arbeitseinsatz sofort beendet.
Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), das in diesem Jahr den 50. Geburtstag feiert, regelt in 20 Paragrafen die Überlassung von Arbeitnehmer*innen durch ihren Arbeitgeber (Verleiher) zur Arbeitsleistung an Dritte (Entleiher). Vor 1972 war kommerzielle Leiharbeit verboten. Überwacht wird die professionelle Überlassung durch die Bundesagentur für Arbeit. Sie entscheidet, ob ein Unternehmen diese Art der Tätigkeit ausüben darf. Der Zoll überprüft die Einhaltung der Arbeitsbedingungen vor Ort. Die ursprüngliche Idee war: Fachkräfte sollten Auftragsspitzen in den Betrieben abfangen, Personalengpässe schließen, eine Krankheitsvertretung übernehmen und in der Elternzeit aushelfen. Aus der guten Idee entwickelte sich aber im Laufe der Zeit die Leiharbeit als Teil von immer stärker wachsender prekärer Beschäftigung. Diese ungesicherte Arbeit ist heute fester Bestandteil der Arbeitspolitik, gerade von Industriebetrieben. Sie setzen auf einen dauerhaften Flexibilitäts-Puffer.
Zeitarbeit: Sprungbrett oder Sackgasse?
In den Betrieben übernehmen Leiharbeiter*innen in vielen Fällen nur die einfachen und belastenden Tätigkeiten. Oftmals sind es Arbeiten, die Stammbeschäftigte nicht übernehmen wollen. Die Bundesagentur für Arbeit schreibt in ihrem Bericht zur Entwicklung des Zeitarbeitsmarkts, dass es häufig Tätigkeiten mit einem niedrigen Anforderungsniveau sind, in denen sie beschäftigt werden. Mehr als jede*r Zweite übt eine Helfertätigkeit aus. Das spiegelt sich bei der Entlohnung wider: Der Anteil, der im Niedriglohnbereich steckt, ist bei Leiharbeiter*innen dreimal so hoch wie bei Stammkräften.
Lange Zeit pflegten die Protagonisten der Zeitarbeit das Märchen vom sogenannten Klebeffekt. Bekommt der oder die Arbeitslose erst einmal einen Job durch die Zeitarbeitsfirma, dann lernt der Betrieb die arbeitende Person genauer kennen und schätzen. Schließlich klappt dann die Übernahme in das Normalarbeitsverhältnis. So die Theorie, die sich in der Praxis aber nur selten bestätigt: Die Untersuchung des Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hat ermittelt, dass nur etwa sieben Prozent diesen Sprung schaffen. Die Übernahme kommt in Kleinbetrieben etwas häufiger vor als in großen. Die Zahlen des RWI bestätigt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in einer jüngeren Untersuchung. Frauen zeigen deutlich weniger Interesse an Zeitarbeitsfirmen. Von den 816.000 Zeitarbeitnehmer*innen waren 71 Prozent männlich. Ganz offensichtlich: Frauen meiden diesen Teil des Arbeitsmarktes.