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Familienfreundliche Arbeitswelt: Wie väterfreundlich sind die Betriebe?


Autor: Klaus Heimann

Deutschland, Freitag, 28. April 2023

Lässt sich Arbeit familienfreundlich für Väter gestalten? Ein Viertel der Betriebe sagt ja und macht das bereits. Gerade jüngere Väter haben hohe Erwartungen, die oftmals nicht in Erfüllung gehen.
Väter wollen mehr Zeit mit ihrem Kind verbringen.


  • Für Väter ist Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtig
  • Flexibles Arbeiten und weniger Arbeitsstunden – das wünschen sich Väter
  • Betriebsbindung funktioniert besser bei väterfreundlichen Betrieben
  • Das Spiel mit den Geschlechterrollen will gekonnt sein

"Ich will meine Kinder aufwachsen sehen", ist ein starkes Argument für viele Väter, die mehr Zeit mit der Familie verbringen wollen. Für Betriebe ist diese Ansage eine Herausforderung, die sie in Zeiten von Arbeitskräftemangel im eigenen Interesse unbedingt meistern sollten. Ein Bericht zur Lage, wie es um die Väterfreundlichkeit oder Väterfeindlichkeit in der Arbeitswelt bestellt ist.

Für Väter ist Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtig

Ja, es gibt sie, die Vorreiter in der Arbeitswelt in Sachen Väterfreundlichkeit: Mehr als ein Viertel (27 Prozent) der Unternehmen in Deutschland sind Vorreiter in Sachen Väterfreundlichkeit. Dem gegenüber stehen 15 Prozent, die kaum väterfreund­lich sind. Im breiten Mittelfeld (58 Prozent) liegen Unternehmen, die auf der einen Seite offen an die Väterfreundlichkeit herangehen, sich auf der anderen Seite bei konkreten Taten aber eher passiv verhalten. Diese Ergebnisse basieren auf zwei repräsentativen Erhebungen der Unternehmensberatung Prognos bei Geschäftsführungen (600 Befragte) und bei berufstätigen Vätern (1.000 Befragte). Prognos hat seine Studie im Auftrag des Familienministeriums in Berlin vorgelegt. Eine Fülle von Informationen zur väterorientierten Personalpolitik in den Betrieben gibt ein Leitfaden des Familienministeriums und des Unternehmensnetzwerks.

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Zweite klare Ansage: Für Väter ist eine gelingende Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein sehr wichtiges Anliegen. Deutlich wird das durch die Bereitschaft der Väter, notfalls ihre Arbeitsstelle zu wechseln. Und das ist keine leere Drohung. Rund 450.000 Väter haben schon einmal den Arbeitgeber zugunsten einer besseren Vereinbarkeit gewechselt. Und mehr als 1,7 Millionen Väter denken darüber häufig oder zumindest manchmal nach, diesen Schritt zu gehen. Die hohe Wechsel­bereitschaft ist gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ein beachtliches Unternehmensrisiko.

Dabei stellen Väter auch Erwartungen an den Betrieb. In puncto Arbeitszeit und Überstunden ist weniger als die Hälfte der Väter (44 Prozent) zufrieden mit der Arbeitszeit. 40 Prozent würden gerne ihre wöchentliche Stundenzahl reduzieren und 46 Prozent möchten weniger Überstunden machen. Und jeder dritte Vater sagt, dass er gerne sowohl Überstunden als auch die Arbeitszeit verkürzen möchte. Väter sind also mehrheitlich mit ihrer Arbeitszeit unzufrieden, mehr Flexibilität und kürzere Arbeitszeiten sind für sie wichtige Anforderungen.

Flexibles Arbeiten und weniger Arbeitsstunden – das wünschen sich Väter

Noch wichtiger als die Verkürzung der Arbeitszeit ist den Vätern ein größeres Maß an Flexibilität. Knapp drei von vier Vätern (74 Prozent) legen Wert auf flexible Arbeitszeiten. Für fast die Hälfte der befragten Väter ist das Arbeiten im Homeoffice wichtig. Selbst jüngere Väter, die erst am Anfang ihrer Karriere stehen, möchten gerne weniger arbeiten: Jeweils rund die Hälfte wollen weniger Überstunden machen und/oder die Arbeitszeit reduzieren. 77 Prozent ist Flexibilität bei der Arbeitszeit wichtig, 56 Prozent beim Arbeitsort. Nur 36 Prozent geben an, mit der jetzigen Situation in ihrem Betrieb zufrieden zu sein.

Schlechte Vereinbarkeit führt zum Arbeitgeberwechsel: Für 17 Prozent der Väter ist ihre aktuelle berufliche Situation belastend, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Sie denken häufig darüber nach, aus diesem Grund den Arbeitgeber zu wechseln. Eine ausgeprägte Wechselbereitschaft besteht in der Generation der jungen Väter. Während von den Vätern ab 50 Jahren nur vier Prozent schon einmal den Arbeitgeber gewechselt haben, sind es bei den Vätern unter 35 Jahren 13 Prozent. Über einen Wechsel nachgedacht haben ebenfalls die jüngeren Väter öfter (54 Prozent) als die Älteren (19 Prozent). Die Wechselbereitschaft steigt mit der Zahl der Kinder.

Bemerkenswerte Unterschiede: Im Fokus der Prognos Befragung standen Väter und Geschäftsleitungen. Dabei ergaben sich an einem Punkt große Unterschiede in der Wahrnehmung. Gefragt nach einer Selbsteinschätzung der Chefs zur Väterfreundlichkeit des Betriebes sehen sich 63 Prozent als "sehr väterfreundlich". Weitere 31 Prozent stufen sich "teilweise" als väterfreundlich ein. Kein Unternehmen gab an, "überhaupt nicht väterfreundlich" zu sein. Die Einschätzung der Väter ist dagegen eine völlig andere: Sie bewerten das Unternehmen, in dem sie arbeiten, deutlich seltener als "sehr väterfreundlich". Bei ihnen sind es gerade einmal 38 Prozent. Weitere 45 Prozent sagen, dass der Betrieb "teilweise väterfreundlich" ist. 14 Prozent der Väter finden ihr Unternehmen "wenig" und drei Prozent "überhaupt nicht" väterfreundlich.

Betriebsbindung funktioniert besser bei väterfreundlichen Betrieben

Diese Wahrnehmungsunterschiede zwischen den Unternehmen und Vätern sind erklärungsbedürftig. Prognos vermutet, dass Unternehmen ihre Selbsteinschätzung aus Sicht auf die vorhandenen Angebote abgeben. Väter bewerten hingegen stärker mit Blick auf das, was ihnen fehlt und beziehen sich auf eigene Erfahrungen. Das Bild, das Väter vom Betrieb haben, hat Auswirkungen: Von den Vätern, die ihr Unternehmen als sehr väterfreundlich bewerten, gibt ein überdurchschnittlich hoher Anteil (67 Prozent) an, noch nie über einen Arbeitgeberwechsel nachgedacht zu haben.

Diejenigen, die ihr Unternehmen schlechter sehen, denken häufiger über einen Wechsel nach. Die Betriebsbindung der Väter ist also eng verknüpft mit der Wertschätzung, die sie im Betrieb als Väter erfahren. Für Unternehmen ist dies eine große Chance: Mit einer Personalpolitik, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt, können sie bei ihren Beschäftigten punkten und sie an sich binden. Gleichzeitig steigern sie damit ihre Attraktivität als Arbeitgeber im Wettbewerb mit anderen.

Aber wissen die Betriebe überhaupt um die Bedeutung des Aspekts Väterfreundlichkeit? Rund 56 Prozent der Unternehmen sind vorsichtig optimistisch, dass sie mit ihren Angeboten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen Vorteil im Wettbewerb haben. Und: 75 Prozent geben an, dass die Vorgesetzten den Punkt im Arbeitsalltag beachten. 

Das Spiel mit den Geschlechterrollen will gekonnt sein

Traditionelle Rollenbilder von Vätern und Müttern bestehen in vielen Betrieben unverändert fort. Darüber sollte sich niemand hinwegtäuschen. Betriebe müssen dabei aufpassen, dass sie die Verschiebungen bei den Geschlechterrollen mitbekommen und darauf richtig reagieren. Sind die Seismografen stumpf, kann es ihnen so passieren wie der Supermarktkette Edeka.

Zum Muttertag hat der Supermarkt einen Spot produziert, der Frauen in ihrer "klassischen Rolle" feierte. Das in schwarz-weiß gehaltenes Werbe-Video zeigt Väter in Alltagssituationen mit ihren Kindern: Sie hören nicht zu, einer wirft einem Kind den Ball ins Gesicht, sodass es anfängt zu weinen. Einen Mixer bedienen können sie allemal nicht. Zu hören sind Kinder, die sich aus dem Off wortreich bedanken, für die Zeit, Einfühlsamkeit und das Zuhören.

Zu sehen sind jedoch Männer, die in Alltagssituationen an ihrer Aufgabe als Väter scheitern. Ganz am Ende sagt ein Kind: "Danke, Mama, dass du nicht Papa bist". Der Werbe-Spot löste im Netz einen Shitstorm aus. "Edeka, ich gehe nie wieder bei euch einkaufen. Mein Vater ist der Beste." Ein anderer User schrieb: "Als Vater bin ich entsetzt. Und Tschüss, Edeka."

Fazit

Um das Risiko des Arbeitsplatzwechsels zu mildern, können Unternehmen ihre Personalpolitik stärker auf die Erwartungen von Vätern ausrichten. Das bisherige Engagement von Unternehmen reicht dazu aber nicht aus: Zum einen überschätzen Unternehmen ihre Väter­freundlichkeit. Zum anderen sind konkrete Maßnahmen nur wirksam, wenn sie in eine entsprechende Unternehmenskultur eingebettet sind. Dazu gehört, dass die Betriebe die Anlie­gen der Väter thematisiert und ernst nehmen. Und traditionelle Rollenbilder überwinden.