Befristete Arbeitsverträge: Wer besonders darunter leidet
Autor: Klaus Heimann
Deutschland, Mittwoch, 30. Oktober 2024
Neueinstellungen sind in der Arbeitswelt für junge Berufstätige häufig zeitlich befristet und mit Unsicherheit verbunden. Bei befristeten Verträgen gibt es große Unterschiede.
Die Hälfte aller jungen Mitarbeitenden in Deutschland unter 25 Jahren bekommt nur einen befristeten Arbeitsvertrag. Junge Fachkräfte erleben deshalb eine schwierige Phase der Unsicherheit, und das gleich beim Einstieg ins Berufsleben.
Dabei brauchen sie eigentlich Sicherheit. Für den Kredit bei der Bank oder die Familienplanung. Befristete Arbeitsverträge sind also durchaus ein Problem. Außerdem gibt es einige arbeitsrechtliche Besonderheiten, die zu beachten sind.
Junge Mitarbeitende erhalten oft nur einen befristeten Arbeitsvertrag
37,8 % aller neu eingestellten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bekamen im Jahr 2023 zunächst einen befristeten Arbeitsvertrag. In der jungen Altersgruppe unter 25 Jahren ist die Zahl der befristeten Neueinstellungen deutlich höher und liegt bei 48,4 %. Das zeigt eine Untersuchung von Forschern des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung (HBS). Nach Angaben des Statistischen Bundesamts sind insgesamt knapp 8 % aller abhängig Beschäftigten befristet angestellt.
Immerhin sinkt die Gesamtquote der Befristungen langsam: Gegen Ende der Corona-Krise im 4. Quartal 2021 lag der Anteil befristeter Verträge an allen Neueinstellungen noch bei 42 %. Nach Corona zog die Konjunktur wieder an. In Zeiten, in denen die Wirtschaft Arbeits- und Fachkräfte sucht, bieten die Firmen weniger Zeitverträge an. Sie sind eher bereit, unbefristet einzustellen, weil im Wettbewerb mit anderen Unternehmen eine Befristung wenig attraktiv ist. Im Moment brummt die Wirtschaft nicht, deshalb gibt es vermutlich keinen weiteren Rückgang. In den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit spiegelt sich das allerdings noch nicht wider.
Aber unabhängig vom konjunkturellen Auf und Ab sind viele Arbeitgeber immer noch der Meinung, "Beschäftigte einfach mal unverbindlich ausprobieren zu können. Insbesondere junge Menschen beim Einstieg ins Berufsleben erleben so problematische Phasen der Unsicherheit, die den Blick auf die Arbeitswelt auch über längere Zeiträume prägen können", kommentiert Prof. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI der HBS, die Zahlen bei ntv.
Der Staat nutzt das Instrument Befristung besonders intensiv
Wird nach der Qualifikation unterschieden, dann zeigt sich, dass sowohl Beschäftigte ohne Ausbildungsabschluss (50,2 %) als auch Hochschulabsolventen (41,1 %) öfters mit einem befristeten Vertrag vorliebnehmen müssen. Deutlich niedriger ist der Anteil von Befristungen bei den Einstellungen von Mitarbeitenden, die eine abgeschlossene berufliche Ausbildung vorweisen können. Die Firmen hatten während der Ausbildung drei Jahre Zeit, sich über die neuen Mitarbeiter eine Meinung zu bilden und sie zu erproben. Trotzdem erhalten auch in der Gruppe der Jungfacharbeiter knapp ein Drittel (27,6 %) erst einmal einen befristeten Job.
Besonders verbreitet sind befristete Neueinstellungen da, wo der Staat als Arbeitgeber auftritt. So erhalten im Hochschulsektor 94,6 % aller Neustarter einen Zeitvertrag und bei den Lehrerinnen und Lehrern sind es 85,9 %, und das trotz akuten Mangels an Personal. Die Laufzeit dieser befristeten Verträge variiert zwischen einigen Wochen und kompletten Schuljahren. Der Staat bietet einerseits sehr sichere Arbeitsverhältnisse (Beamtenstatus) und ist anderseits derjenige, der zuhauf befristete Verträge dem Nachwuchs offeriert.
Nur eine geringe Zahl von befristeten Verträgen ist bei Hoch- und Tiefbauberufen sowie bei Arzt- und Praxishilfen zu finden. Besonders wenige befristete Verträge gibt es aufgrund der Wirtschaftsstruktur auch in den Landkreisen Tirschenreuth, Neustadt an der Weinstraße und Coburg.