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Bayern blockiert Strompreiszonen - das sind die Auswirkungen


Autor: Klaus Heimann

Deutschland, Sonntag, 28. Sept. 2025

Bayern macht zusammen mit Baden-Württemberg erfolgreich mobil gegen regionale Strompreiszonen. Jetzt hat die Wirtschafts- und Energieministerin, Katharina Reiche, den Streit zwischen den Ländern entschieden.
Deutschland wird nicht in bis zu fünf Strompreiszonen aufgeteilt.


  • Kommen bis zu fünf Strompreiszonen für Deutschland?
  • Schafft ein einheitlicher Strompreis Probleme?
  • Wie funktioniert eigentlich Redispatch?
  • Kann die Politik die physikalische und ökonomische Realität aufheben?

Die vier Ministerpräsidenten der norddeutschen Länder, allen voran Daniel Günther aus Schleswig-Holstein, fordern vehement die Teilung des bislang einheitlichen Strompreises in bis zu fünf Zonen. Damit wollen sie die unterschiedlichen Bedingungen in den Regionen stärker berücksichtigen. Die Chefs der Landesregierungen in Bayern, Markus Söder, und von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, sprechen sich klar gegen die Spaltung des Strompreises aus, weil sie höhere Preise für ihre Länder befürchten. Ein Bonmot macht die Runde: Die Bayerischen Motorenwerke (BMW) könnten sich Zonenpreisen schnell in "Bremischen Motorenwerke" umtaufen. Jetzt hat die Bundesregierung zu den Stromzonen entschieden. 

Kommen bis zu fünf Strompreiszonen für Deutschland?

Die Bundesregierung lehnt den Vorstoß der vier Bundesländer und der EU, bis zu fünf Preiszonen beim Strom einzuführen, rundweg ab. Wirtschafts- und Energieministerin Katherina Reiche betont bei der Präsentation ihres Gutachtens zur Energiewende: Die Kosten für Strom müssen zwar sinken, aber es werde keine Teilung in unterschiedliche Stromzonen geben. Damit haben sich Bayern und Baden-Württemberg gegenüber den vier norddeutschen Bundesländern durchgesetzt.

Reiche setzt damit den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD um, in dem es heißt: "Wir halten an einer einheitlichen Stromgebotszone fest." Markus Söder (CSU) und Winfried Kretschmann (Grüne) reagierten mit einer gemeinsamen Erklärung auf den Teilungsvorstoß der norddeutschen Ministerpräsidenten: "Von diesem Vorschlag halten wir gar nichts und deswegen werden wir uns mit aller Macht dagegenstellen. Eine Schwächung der wirtschaftlich starken Regionen im Süden und Westen durch höhere Strompreise kann nicht im Interesse der norddeutschen Bundesländer liegen."

Anderer Meinung ist die Wirtschaftsweise und Professorin an der Technischen Universität Nürnberg, Veronika Grimm, im Verbund mit elf anderen Wissenschaftlern. Sie hält dagegen: "Die meisten Energieökonomen sind sich einig: Notwendig wären regional differenzierte Preissignale in Deutschland – also mehrere Preiszonen –, um die zahlreichen Investitions- und Produktionsentscheidungen der Akteure im Strommarkt zu koordinieren." Dass dies nicht geplant sei, mache ihr Sorgen, so die Wirtschaftsweise im Interview mit dem Tagesspiegel Background. Regionale Strompreise hält die Wissenschaftlerin und Aufsichtsrätin beim Turbinenbauer Siemens Energy für notwendig.

Schafft ein einheitlicher Strompreis Probleme?

Aber: Was steckt hinter dem Streit um unterschiedliche Zonen? In Deutschland gibt es nur eine sogenannte Stromgebotszone – anders als in anderen europäischen Ländern, wie zum Beispiel Italien, Dänemark und Schweden. Das bedeutet, dass deutsche Stromanbieter zu einem einheitlichen Preis am Markt verkaufen. Und zwar völlig unabhängig davon, ob Windanlagenbetreiber ihren Strom günstiger erzeugen kann als der Gas- oder Kohlekraftwerksbetreiber.

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Dieses System hat lange wunderbar funktioniert. Jetzt aber stößt es an seine Grenzen. Denn: Im Süden des Landes wird weniger erneuerbarer Strom (vor allem aus Windkraft) erzeugt als im Norden. Das hat zum Teil geografische Gründe, wie Markus Söder nicht müde wird zu betonen: In Schleswig-Holstein an der Nordseeküste ist es einfacher, Strom aus Windenergie zu produzieren als in den bayerischen Alpen. Dass in Nordrhein-Westfalen mittlerweile kumuliert über 7.800 Megawatt (MW) Windkraftleistung installiert sind, in Baden-Württemberg jedoch nur 1.875 MW, lässt sich allerdings durch geografische Bedingungen nur schwer erklären.

Der Preis bestimmt sich aus Angebot und Nachfrage: Wenn gerade viel Ökostrom produziert wird, sinkt der Preis. Das gilt dann für alle Stromkunden, ob man nun in Hamburg, Stuttgart oder München wohnen. Aber: Zwischen den Bundesländern besteht beim Ausbau der Erneuerbaren ein großes Gefälle. Das schafft nicht nur politischen Unmut, sondern führt auch zu Engpässen im Stromnetz. So kommt es mittlerweile regelmäßig vor, dass im Norden oder im Osten viel Strom erzeugt wird, dieser aber nicht in die südlichen Ländern (Bayern, Baden-Württemberg) ankommt, wo er dringend benötigt wird.

Wie funktioniert eigentlich Redispatch?

Und total paradox ist Folgendes: Windkraftanlagen stehen still und stattdessen springen Kohlekraftwerke im Ruhrgebiet ein. Trotzdem sinkt der Strompreis für alle, weil theoretisch zu viel Ökostrom erzeugt wird. Dieses System nennt man "Redispatch" (das ist das Netzengpassmanagement, also Eingriffe in die Erzeugungsleistung von Kraftwerken, um Leitungsabschnitte vor einer Überlastung zu schützen) – und das kostete 2024 immerhin 2,8 Milliarden Euro.

Denn: Anlagenbetreiber, die durch eine Redispatch-Maßnahme nicht einspeisen konnten, haben Anspruch auf eine Entschädigung durch den Netzbetreiber, die sich aus entgangenen Einnahmen und zusätzlichen Aufwendungen zusammensetzt.

Die einen bekommen für die Produktion mehr Geld, die anderen bekommen Geld dafür, dass sie nicht produzieren. Die Kosten für Redispatch-Maßnahmen zahlen in Deutschland zunächst die Übertragungsnetzbetreiber, die sie aber letztlich den Stromverbrauchern über die Netzentgelte weitergeben.

Kann die Politik die physikalische und ökonomische Realität aufheben?

Deshalb fordern Energieexperten eine Teilung in verschiedene Strompreiszonen, damit der Preis sich mehr an den regionalen Bedingungen orientieren, und weil dies ein klares Signal an die Regionen mit weniger erneuerbaren Energien wäre, hier mehr zu tun. Eine Gruppe von 12 führenden Energiewissenschaftlern von Hochschulen (TU München, Nürnberg, Ruhr-Universität Bochum und Instituten (Ifo, DIW, ZWE, Öko-Institut) unterstützen das und fordern in einem gemeinsamen Statement "ein Strommarktdesign, das die physikalische und ökonomische Realität widerspiegelt. Und dazu gehören auch lokale Preise auf dem Strommarkt."

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Die Experten, darunter auch Prof. Grimm aus Nürnberg, verweisen darauf, dass die Nord-Süd-Engpässe in Deutschland nicht nur in eine Richtung wirken. "Bei einem weiteren Ausbau der Solarenergie im Süden Deutschlands können sich dieselben Probleme mit umgekehrten Vorzeichen als Folgen eines Überangebots in Bayern oder Baden-Württemberg ergeben." Weil die Physik bei dem Wunsch nach einem deutschlandweit einheitlichen Strompreis nicht mitspielt, müssen die Netzbetreiber diese (Fehl)Entscheidungen in mühsamer Kleinarbeit im Rahmen des Redispatch korrigieren. So würde Deutschland der Effizienz und Effektivität einer marktwirtschaftlichen Preissteuerung beraubt.

"Anstatt also einen Markteingriff mit seinen resultierenden physikalisch unmöglichen Entscheidungen mühselig und unvollständig zu reparieren, sollte der Weg freigemacht werden für Strompreise, die Angebot und Nachfrage regional ausgleichen und dadurch den lokalen Stromwert widerspiegeln." Aber: Für diese Einsicht braucht die Politik offensichtlich noch Zeit.

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