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BAG und LAG München: Gerichtsurteile fördern digitale Prozesse in Betrieben


Autor: Klaus Heimann

Deutschland, Sonntag, 02. März 2025

Gerichte gehen mit der Zeit und unterstützen mit Urteilen die Digitalisierung in den Betrieben. Zuletzt so passiert beim Lohn. Auch Betriebsräte müssen dazulernen.
Gerichtsurteile des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt und des Landesarbeitsgerichts München fördern die Digitalisierung in der Arbeitswelt, indem sie die digitale Bereitstellung von Gehaltsabrechnungen und Bewerbungsunterlagen unterstützen.


Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt und das Landesarbeitsgericht (LAG) in München unterstützen die Digitalisierung der Arbeitswelt. Es gab in jüngster Zeit gleich drei Urteile, die entsprechende Signale setzen: Das BAG musste entscheiden, ob der Arbeitgeber eine Gehaltsabrechnung elektronisch bereitstellen darf – und wenn ja, wie das geschehen muss.

Außerdem ging es um die Frage, ob eine Firma Bewerbungsunterlagen an den Betriebsrat in digitaler Form übermitteln darf. Schließlich musste das LAG München entscheiden, ob der Arbeitgeber die Mitarbeiter-Interessenvertretung mit Laptops und Tablets ausstatten muss.

Gehaltsabrechnung geht auch digital

Der Arbeitgeber, ein Lebensmitteldiscounter, und der Konzernbetriebsrat hatten sich darauf geeinigt, für alle Beschäftigten ein digitales Mitarbeiterpostfach einzurichten, in dem alle Personaldokumente (inkl. der Gehaltsabrechnung) abrufbar sind und verwaltet werden können. 

Den Mitarbeitenden ohne Computer stand ein PC in der Firma zur Verfügung. Dagegen klagte eine Verkäuferin. Sie bestand darauf, zumindest ihre Lohnabrechnungen weiter in Papierform zu erhalten, und hatte damit vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) in Niedersachsen noch Erfolg (LAG Niedersachsen vom 16.1.2024, Az.: 3 Ca 163/23).

Das BAG korrigierte jetzt aber das Urteil (BAG vom 28.1.2025, Az.: 9 AZR 48/24). Die digitale Bereitstellung auf einem PC durch den Arbeitgeber ist ausreichend, um seine Pflichten aus der Gewerbeordnung § 108 Abs. 1 Satz 1 der GewO bei Zahlung des Arbeitsentgelts zu erfüllen. Diese Verpflichtung ist erfüllt, wenn der Betrieb die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstellt. Bei der digitalen Übermittlung dürfen die Beschäftigten, die keinen Onlinezugriff haben, aber nicht vergessen werden. 

Betriebsrat muss digitale Unterlagen bearbeiten

Im zweiten BAG-Urteil ging es darum, ob Betriebsräte die Digitalisierung betrieblicher Prozesse mitmachen müssen. Sie hatten sich geweigert, elektronisch bereitgestellte Unterlagen einzusehen (BAG vom 13.12.2023, Az.: 1 ABR 28/22). Im Streitfall ging es um einen digital organisierten Einstellungsprozess für Mitarbeiter. Der Betriebsrat bestand darauf, die Unterlagen in Papierform zu bekommen. Da der Arbeitgeber das ablehnte, verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung des Mitarbeiters. Die Firma klagte durch die Instanzen, der Fall landete schließlich beim BAG.

Für die ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats bei der Einstellung eines Mitarbeiters sind keine Papierunterlagen mehr erforderlich, so die Entscheidung der Richter in Erfurt. Im Betriebsverfassungsgesetz (§ 99 BetrVG) heißt es, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung zu unterrichten und ihm "die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen" hat. Die Regelung sei "funktional" zu verstehen und hat zur Folge, dass Unterlagen auch digital vorgelegt werden können

Recruiting-Softwareprogramme sind inzwischen ein übliches Instrument bei der Einstellung. In einem firmeneigenen Bewerbungsportal sind dann für alle Kandidaten die Unterlagen hinterlegt. Da den Betriebsratsmitgliedern ein Dienst-Laptop zur Verfügung steht, haben sie für die Dauer des Einstellungsverfahrens Zugriff auf dieses System und können die persönlichen Angaben der Bewerber, deren Anschreiben, Lebensläufe, Zeugnisse und Zertifikate einsehen.

Arbeitgeber müssen dem Betriebsrat digitale Endgeräte zur Verfügung stellen

Im dritten Fall geht es darum, ob der Arbeitgeber Betriebsräte mit Tablets oder Notebooks ausstatten muss. Im Prozess vor dem LAG München stritten ein deutschlandweit tätiger Textileinzelhändler, der Filialen betreibt, und der Betriebsrat. In einer bayrischen Niederlassung verlangte der dreiköpfige Betriebsrat, ihm für virtuelle Sitzungen und Videokonferenzen drei Tablets oder Notebooks zur Verfügung zu stellen.

Das Gremium hatte eine entsprechende Geschäftsordnung beschlossen, die den Videoeinsatz für die Arbeit vorsieht. Der Arbeitgeber weigerte sich, die Geräte zu beschaffen. Der Textilhändler verwies darauf, dass die "bloße Existenz" einer Norm keinen konkreten betrieblichen Bedarf begründe. Sollten digitale Sitzungen nötig sein, könnten diese auch als Telefonkonferenz stattfinden.

Der Arbeitgeber darf dem Betriebsrat Laptops für virtuelle Sitzungen nicht mit dem Hinweis verweigern, dass Präsenzsitzungen vor Ort sinnvoller seien (Urteil: LAG München vom 7.12.2023, Az.: 2 TaBV 31/23). Voraussetzung ist laut LAG allerdings, dass Videokonferenzen "in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sind". Diese Bedingung hatte der Betriebsrat erfüllt, deshalb muss der Arbeitgeber die digitalen Endgeräte anschaffen.