Ändern sich die Zeiten? Kulturwandel hat massiven Einfluss auf Arbeitswelt
Autor: Joachim Tiefenthal
Deutschland, Donnerstag, 06. April 2023
Die Arbeitswelt ist im Umbruch. Das nimmt auch bedeutenden Einfluss auf die Kultur in Unternehmen. Dabei gestaltet sich ein gewünschter und notwendiger Kulturwandel in der Praxis so schwer wie das Verlieren überflüssiger Pfunde.
- Kulturwandel in der Arbeitswelt
- Change Management und Kulturwandel
- Anspruch und Wirklichkeit
- So gelingt der Change
- Fazit
Wenn es einen letzten Beweis dafür gebraucht hat, dass unsere Arbeitswelt zunehmend durch Globalisierung und Digitalisierung beeinflusst wird, dann war wenigstens Covid-19 dafür gut. Denn vor der Pandemie war es in vielen Unternehmen beispielsweise noch völlig unvorstellbar oder es wurde nur selten praktiziert, zum Beispiel Meetings via Videokonferenz abzuhalten oder die Mitarbeitenden über Wochen fernab vom Arbeitsplatz nun am heimischen Schreibtisch remote arbeiten zu lassen. Das hat sich inzwischen geändert. So sehr, dass selbst vermeintlich hippe "Gute-Laune-Kompanien" aktuell Probleme bekommen, das Rad wieder zurückzudrehen. Dies ist aber nur ein Aspekt von vielen, der zeigt, wie ein gesellschaftlicher Kulturwandel massiven Einfluss auf die Arbeitswelt nimmt.
Change Management und Kulturwandel
Der Begriff "Change Management" ist insbesondere im beruflichen Kontext in aller Munde. In Unternehmen ist es die Antwort des Managements darauf, dass sich die Rahmenbedingungen stetig und immer schneller ändern. Die Anforderungen an Unternehmen und damit zugleich an die dort arbeitenden Menschen nehmen in dem Maße zu, wie sich die Erreichung von (nicht nur ökonomischen) Zielen immer schwieriger gestaltet. Die Gründe hierfür sind vielschichtig und wirken sich zunächst in Form eines gesellschaftlichen Kulturwandels aus, der dann sukzessiv auch Einfluss auf die Arbeitswelt nimmt und in Folge einen Kulturwandel in Unternehmen auslöst. So etablieren sich bspw. seit einigen Jahren neue Formen der Arbeitsorganisation wie agiles Arbeiten. Ebenso werden von Arbeitnehmern*innen verstärkt flexible Arbeitszeitmodelle eingefordert, mit denen sich Privat- und Arbeitsleben gleichberechtigt vereinbaren lassen. Auch die zunehmenden Bestrebungen der Gleichberechtigung von Männern und Frauen tragen hierzu bei, was durch eine geschlechtergerechte Sprache (Gendern) im Unternehmen zum Ausdruck kommen soll.
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Grundlegend hat historisch betrachtet immer technischer Fortschritt nachhaltige Veränderungen herbeigeführt. Zum Verständnis hilft ein Blick auf die Verschiebungen der drei volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren "Arbeit, Boden und Kapital". Waren es früher Arbeit und Boden, die den volkswirtschaftlichen Ertrag dominiert haben, hat mit Verlauf der Industrialisierung und steigender Produktivität zunehmend das Kapital diese Rolle übernommen. Das spiegelt sich u. a. auch in den drei Wirtschaftssektoren "Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistungen" wider, mit denen das Bruttoinlandsprodukt berechnet wird. Laut statista betrug im Jahr 2021 der Anteil der Dienstleistung an der Bruttowertschöpfung rund 69,5 Prozent. Das produzierende Gewerbe (Industrie) trug 24 Prozent und der Wirtschaftszweig Land- und Forstwirtschaft, Fischerei noch lediglich 0,9 Prozent zur Bruttowertschöpfung bei. Im Jahr 1950 war das Verhältnis (mit Blick auf die Beschäftigten) ausgeglichener. Hier lag die Land- und Forstwirtschaft bei 24,6 Prozent, die Industrie bei 42,9 Prozent und der Dienstleistungsbereich bei 32,5 Prozent. Allein aus diesen Verschiebungen lassen sich erhebliche Einflüsse auf gesellschaftlichen und betrieblichen Kulturwandel ableiten.
Um mit Change Management einen dauerhaften Kulturwandel in Unternehmen herbeizuführen, wird dies methodisch mit dem klassischen Handwerkszeug der Organisationsentwicklung versucht. Maßgebliches Ziel ist hierbei, die Einstellungen und Verhaltensweise der Mitarbeitenden in Einklang mit den Zielen der Organisation zu bringen. In der Praxis zeigt sich dabei, dass zwischen Anspruch und Wirklichkeit ein langer Weg liegt.
Anspruch und Wirklichkeit
Globalisierung und Digitalisierung sind wesentliche Treiber von Veränderungen und werden oft auch als sog. "Gamechanger" bezeichnet. Durch sie werden etablierte Systeme, Denk- und Arbeitsmuster infrage und teils sogar auf den Kopf gestellt. Wenn sich Rahmenbedingungen aber ändern, resultieren daraus ebenso veränderte Ansprüche – sowohl an die Menschen als auch an die Unternehmen. In Folge wird ein Kulturwandel in Gang gesetzt, der sich sukzessiv u. a. auf ökonomischer, ökologischer und auf sozialer Ebene vollzieht. Um sich an neue Bedingungen anpassen zu können, bedarf es einer gehörigen Portion an Veränderungsbereitschaft aller Beteiligten.
Veränderungen, so wichtig, richtig und unausweichlich sie im Leben auch sind, gehören jedoch nicht für jede*n unbedingt zur Lieblingsdisziplin. Hier reichen schon einfache Alltagsbeispiele, wie bspw. der Wunsch, einige überflüssige Pfunde verlieren zu wollen, als Beleg aus. Man beginnt meist (von innen oder außen) hoch motiviert, aber selbst wenn man das Ziel erreicht hat, schlägt meist das Jojo-Imperium zurück. So kursieren im Internet auch einige sehr ernüchternde Aussagen, bezogen auf die Erfolgsquote von Projekten im Bereich von Change Management und Transformationsprozessen. Professor Mark Hughes ist dieser Frage nachgegangen und hat in seinem Artikel, der allerdings schon über zehn Jahre zurückliegt, die Frage gestellt "Do 70 Per Cent of All Organizational Change Initiatives Really Fail?" Hughes ist dabei laut dem Online-Magazin für Human Resources hrweb.at zu dem Ergebnis gekommen, "dass zwar die Existenz eines populären Narrativs von 70 Prozent organisatorischem Versagen anerkannt wird, es jedoch keine gültigen und zuverlässigen empirischen Beweise gibt, die ein solches Narrativ unterstützen."