Wenn Erinnerungen verschwinden sollen: Wie du traumatische Erlebnisse verdrängen kannst
Autor: Joachim Tiefenthal
Deutschland, Freitag, 29. Juli 2022
Aktive Verdrängung hilft, traumatische Erlebnisse vergessen zu können. Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften zeigt, wie negative Erinnerungen verblassen können.
- Die Kraft der Bilder
- Verdrängung: gut oder schlecht?
- Aktives Verdrängen lässt Erinnerungen verblassen
- Das Experiment
- Verdrängen statt verhungern
Die Kraft von Bildern ist unbestritten. Du kennst vermutlich den Spruch "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte". Manchmal reicht einfach schon ein Blick auf einen Gegenstand, die Bewegung einer Person oder auch nur ein Geruch und schon sind die bildhaften Erinnerungen wieder da. So gibt es sicher Dinge in deinem Leben, an die du dich gerne erinnerst. Andere Lebensereignisse würdest du vermutlich lieber gänzlich aus deiner Vita streichen wollen. Obwohl du dich an negative Erfahrungen möglichst nicht mehr erinnern möchtest, gibt es dennoch immer wieder diese Momente, in denen die Ereignisse plötzlich ungefragt wieder wach werden.
Verdrängung: gut oder schlecht?
Zuletzt und aktuell erreichen uns über die Medien mehr als sonst viele Katastrophenbilder. Zum Beispiel die Bilder von der Flutkatastrophe im Ahrtal oder schreckliche Kriegsbilder aus der Ukraine. Für die Menschen, die dieses Unheil selbst erleben und erleiden, ist es eine ungleich höhere psychische Belastung als für uns, die "nur" die Berichte darüber konsumieren. Um solche Ereignisse psychisch überwinden zu können, können sie vom Gehirn verdrängt werden.
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Freud schrieb 1914 in seiner Schrift zur "Geschichte der psychoanalytischen Bewegung", dass die Verdrängungslehre ein Grundpfeiler sei, auf dem das Gebäude der Psychoanalyse ruhe. Nach Freuds Auffassung bedeutet Verdrängung, unangenehme oder schmerzliche Erfahrungen ins Unbewusste abzuschieben - ein fundamentaler Abwehrmechanismus, um Menschen das seelische Überleben zu ermöglichen.
Anderseits hat Verdrängung auch einen nicht allzu guten Ruf. Denn, so ein gängiges Vorurteil, wer verdrängt, der setzt sich nicht aktiv mit seinen Problemen auseinander. Eine aktuelle Studie des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften kommt dagegen zu dem Ergebnis, dass ein aktives Verdrängen dabei helfen kann, traumatische Erlebnisse vergessen zu können. In dem Zusammenhang ist aber klar zwischen traumatischen Ereignissen und dem Bewältigen lösbarer Probleme zu unterscheiden. Sich beispielsweise seinen Ängsten zu stellen, ist die gesündere Entscheidung, als sie verdrängen zu wollen.
Aktives Verdrängen lässt Erinnerungen verblassen
Ann-Kristin Meyer, Doktorandin am MPI CBS, fasst die Ergebnisse der Studie so zusammen: "Unterdrückt man aktiv eine Erinnerung und ruft sie anschließend erneut ab, treten die Bilder weniger lebhaft in Erscheinung als zuvor."
Frühere Untersuchungen zeigten bereits, was beim Prozess des Unterdrückens in unserem Gehirn passiert: Der präfrontale Cortex hemmt die Aktivität des Hippocampus. Letzterer, wörtlich übersetzt übrigens wegen seiner äußeren Form Seepferdchen genannt, ist vergleichbar mit einem Arbeitsspeicher. Als Teil des limbischen Systems ist seine Funktion die einer Schaltzentrale zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis. Die aktuellen Studienergebnisse lassen nun den Schluss zu, dass durch die Hemmung Erinnerungen anhaltend und langfristig abgeschwächt werden.