Eine Stuhltransplantation könnte einen positiven Effekt auf psychische Erkrankungen haben. Das zeigt eine Fallstudie, die im Fachmagazin „Bipolar Disorders“ veröffentlicht wurde. Darin beschreiben Forschende der University of New South Wales (UNSW Sydney) in Australien ihre Beobachtungen. Dass psychische Erkrankungen in Zusammenhang mit Mikrobiomen im Darm stehen, ist bereits länger bekannt. Die neuerliche Beobachtung könnte jedoch einen neuen Therapieansatz darstellen.

Im Fallbeispiel wird die Behandlung eines 28-jährigen Mannes beschrieben, bei dem eine bipolare Störung diagnostiziert worden ist. Bei der ersten Untersuchung durch die Forschenden im Jahr 2014 gab er an, seit seinem 10. Lebensjahr an schweren Angstzuständen zu leiden. Für die Forschenden erfüllte er die Kriterien für eine „generalisierte Angst und Panikstörung“.

Stuhltransplantation als Möglichkeit, psychische Erkrankungen zu bekämpfen

Im Rahmen der Behandlung wurden dem Mann Fäkalien übertragen, woraufhin sich seine Symptome merklich besserten. Ein Jahr nach Transplantation benötigte der Patient nach eigenen Angaben fast keinerlei Medikamente mehr, und setzte diese schließlich nach weiteren vier Monaten komplett ab.

Die sogenannte „Stuhltransplantation“ hatte das Mikrobiom seines Darms positiv beeinflusst. Zuvor wechselten sich beim Patienten manische Phasen mit depressiven Phasen ab, die mit mehreren Medikamenten behandelt wurden. Laut den Forschenden war die Wirkung der Medikamente jedoch „nicht zufriedenstellend“. Daher der Entschluss zur Stuhltransplantation.

Stuhltransplantationen werden schon seit längerer Zeit bei Darm-Erkrankungen eingesetzt, damit die Darmflora regeneriert werden kann. Dabei wird der Stuhl einer gesunden Person, beispielsweise in Form von Kapseln, in den Darm der Patientinnen und Patienten verfrachtet. Die darin enthaltenen Mikroorganismen siedeln sich dann im erkrankten Darm an. Auch eine Transplantation über einen Einlauf ist möglich. Mögliche Nebenwirkungen der Übertragung sind bislang sehr selten, sofern eine Stuhltransplantation medizinisch betreut wird. Theoretisch ist nämlich auch eine Übertragung von Krankheitserregern, Bakterien oder Viren über den Stuhl möglich.

Forschende schließen Placebo-Effekt bei der Fallstudie aus 

Die Forschenden merkten zu dem Erfolg der Behandlung an, dass Einzelfallstudien immer mit „offensichtlichen und vielfach anerkannten Risiken behaftet“ seien, etwa die Möglichkeit einer Placebo-Reaktion. Im Falle der Beobachtung des jungen Mannes, so beschreiben die Forschenden, könne man jedoch eine Placebo-Reaktion ausschließen. Denn bei einer Placebo-Reaktion hätte es nur eine Besserung von kurzer Dauer gegeben. Die starke Besserung der Symptome über den Zeitraum von über einem Jahr überraschte auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. In der Rückschau beschreiben sie den Prozess der Stuhltransplantation als „extrem zeitaufwendig“. Es gebe jedoch auch andere Herangehensweisen an die Besserung der Mikrobiome im Darm. In einer kanadischen Studie wurde Probanden eine kleine Dosis auf täglicher Basis zugeführt, wobei nach 12 und 24 Wochen Stuhlproben genommen wurden.

Buchtipp: Darm mit Charme: Alles über ein unterschätztes Organ

Bisherige Versuche im Bereich der Stuhltransplantationen mit Tieren zeigten bereits vielversprechende Ergebnisse. Ratten, die Fäkalien von depressiven Menschen eingesetzt bekamen, schienen ebenfalls depressiv zu werden. Vergleichbares wurde auch bei Mäusen beobachtet, die Stuhl von schizophrenen Menschen erhielten.

Möglich macht dies das sogenannte „Bauchgehirn“. Zwischen Darmwand und Muskelschichten hat der Mensch Millionen Nervenzellen. Dort werden auch die Botenstoffe Serotonin und Dopamin produziert. Sie werden über den Vagusnerv an das Gehirn übertragen. Mit einem verändertem Mikrobiom, etwa bei psychischen Erkrankungen, ist es möglich, dass die Darmschleimhaut geschädigt wird. So können Entzündungen entstehen. Als Folge daraus können etwa Glückshormone nicht mehr ohne Störung an das Gehirn übertragen werden. Wird das Mikrobiom im Zuge der Transplantation stabilisiert, würde die Störung aufgehoben. Allerdings steckt die Forschung diesbezüglich noch in den Kinderschuhen. Wann eine Stuhltransplantation also zur Behandlung psychischer Erkrankungen herangezogen werden, ist unklar. Ähnlich fällt auch das Urteil der Studie aus Australien aus.

Weitere Studien sind notwendig  

„Obwohl die bipolare Störung unseres Patienten sehr schwerwiegend war, war er in der Lage, ein Universitätsstudium zu absolvieren, in Teilzeit zu arbeiten, ins Ausland zu reisen und Partner und enge Beziehungen zu haben“, schreibt der Autor der Studie. Für einen kleinen Prozentsatz von Personen mit einer bipolaren Störung, die nicht auf mehrere Medikamente ansprechen und daher ein ausgeprägtes Selbstmordrisiko haben, die Nebenwirkungen vieler Medikamente das Leben verkürzen können, könne seiner Meinung nach eine Stuhltransplantation sinnvoll sein. Es seien noch viel mehr klinische Studien nötig.

 Artikel enthält Affiliate Links