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Epilepsie: So handelst du bei einem epileptischen Anfall richtig
Autor: Michi Standl
, Freitag, 27. August 2021
Meist denken Nichtbetroffene bei Epilepsie an schwere Krämpfe von am Boden liegenden Menschen. Die Krankheit ist viel differenzierter. Was Epilepsie ist und was du sofort tun musst, wenn du einen Anfall beobachtest, erfährst du in diesem Artikel.
Was ist Epilepsie?
Welche Altersgruppen sind betroffen?
Welche Ursachen hat die Krankheit?
Was passiert bei einem epileptischen Anfall?
Wie können sich Anfälle auswirken?
Kann Epilepsie tödlich sein?
So können Betroffene Anfällen vorbeugen
Was muss man als Augenzeuge tun, wenn man einen Anfall beobachtet?
Wie kann Epilepsie behandelt werden?
Das solltest du über COVID-19 und Epilepsie wissen.
Was haben Julius Cäsar, Leonardo Da Vinci, Georg Friedrich Händel und Agatha Christie gemeinsam? Sie alle waren an Epilepsie erkrankt. Laut Deutscher Gesellschaft für Epileptologie geht man davon aus, dass 0,5 bis 1 Prozent der Bevölkerung an der Nervenkrankheit, die auch Fallsucht genannt wird, leiden. Das wären in Deutschland etwa 400.000 bis 800.000 Menschen.
Was ist Epilepsie?
Epilepsie ist eine vorübergehende Fehlfunktion des Gehirns. Wenn die Nervenzellen zu viele Signale auf einmal abgeben, kommt es zu einem epileptischen Anfall. Folgen sind unter anderem Bewusstseinsstörungen sowie Störungen von Bewegungen oder Wahrnehmungen. Anfälle treten nicht in jedem Lebensalter gleich oft auf. Sie häufen sich sowohl in den ersten Lebensjahren, also bei Kindern, als auch ab einem Alter von 60 Jahren. Die Wahrscheinlichkeit zu erkranken nimmt bei älteren Menschen mit steigendem Alter zu.
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Die Ursachen für Epilepsie sind vielfältig. Bei Kinder und Jugendlichen können Unfälle und Gehirntumore Auslöser sein. Bei älteren Menschen kann die Krankheit infolge von Durchblutungsstörungen, Schlaganfällen oder Abbauprozesse im Gehirn auftreten.
Bei Erkrankten können Anfälle durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden. Dazu zählen zum Beispiel Alkohol- und Drogenmissbrauch, Schlafentzug, Stress, aber auch flackerndes Licht, erzeugt etwa durch einen Fernseher. Auch Stroboskop-Licht in der Disco kann einen epileptischen Anfall auslösen. An Epilepsie Erkrankte sollten auch vermeiden, mit dem Auto durch Alleen zu fahren. Denn das wechselnde Licht durch die Bäume kann ebenso zu einem Anfall führen.
Wie erkennt man einen epileptischen Anfall?
Nicht immer stürzen Erkrankte zu Boden und zucken unkoordiniert. Epilepsie hat viele Facetten: Je nach betroffener Region im Gehirn fallen die Symptome unterschiedlich aus. So können die Betroffenen nur kurz in einen Dämmerzustand versetzen - ohne Sturz und Krämpfe.
Auch seltsame Bewegungen und Geräusche wie schmatzen oder brummen können auf einen Anfall hinweisen. Es ist aber auch möglich, dass Symptome auftreten, die von außen nicht beziehungsweise nicht sofort sichtbar sind, wie Kribbel- oder Taubheitsgefühle, Sehstörungen oder Schweißausbrüche.
Nach wenigen Sekunden oder Minuten ist ein Anfall zumeist vorüber. "Gemeinsam haben all diese unterschiedlichen Anfallsformen, dass sich Nervenzellen im Gehirn plötzlich gleichzeitig entladen", erklärt Dr. Christiane Roick, Ärztin im AOK-Bundesverband.
Welche Arten von Anfällen gibt es?
Zu den sogenannten generalisierten toxisch-klonischen Anfällen gehört der klassische Grand-Mal-Anfall. Das ist ein schwerer Verlauf, an den Außenstehende meist in Zusammenhang mit Epilepsie denken. Dabei besteht der Anfall aus zwei Phasen: Der Betroffene wird plötzlich bewusstlos, stürzt zu Boden, Gliedmaßen, Gesicht und Körper spannen sich an. Danach treten rhythmische Zuckungen der gesamten Skelettmuskulatur auf, die zunehmend heftiger werden. Nach dem Anfall folgt meist eine Schlaf- oder Dämmerphase. Absencen, auch Petit-Mal-Anfälle genannt, sind ebenfalls generalisierte Anfälle. Sie haben aber einen milderen Verlauf. Ihr Hauptkennzeichen ist eine abrupt beginnende, kurze Bewusstseinsstörung. Aber Vorsicht: Da die Augen dabei geöffnet sind und Tätigkeiten, wie Sprechen oder Schreiben, unterbrochen werden, können diese Anfälle auch als Unkonzentriertheit oder Tagträumerei fehlgedeutet werden.
Bei einem fokalen Anfall sind die Symptome von der betroffenen Hirnregion abhängig. Es kann zu Muskelzuckungen oder Taubheitsgefühlen kommen. Auch veränderte Sinneswahrnehmungen, wie Lichtblitze oder bestimmte Geruchs- oder Geschmacksempfindungen sowie Schweißausbrüche oder Einnässen sind möglich.
In seltenen Fällen können Autoantikörper Ursache einer Epilepsie sein. Antikörper sind wichtig für den Körper, um Krankheiten abzuwehren. Doch Autoantikörper sind Abwehrstoffe, die das Immunsystem aufgrund einer Fehlregulation gegen körpereigene Zellen oder Gewebe produziert.
Kann man an Epilepsie sterben?
Wenn Zeugen eines Anfalls nicht sofort reagieren, kann der Betroffene zum Beispiel an Erbrochenem ersticken. Doch auch der plötzliche Epilepsie-Tod stellt eine Gefahr dar - "Sudden Unepected Death in Epilepsy" - kurz Sudep. Laut Oskar Killinger Stiftung sterben in Deutschland jährlich rund 700 Menschen an Sudep.
Der Tod tritt ohne vorherige Warnzeichen ein und wird in den meisten Fällen sehr wahrscheinlich durch einen Atemstillstand kurz nach einem generalisierten Anfall verursacht.
Am plötzlichen Epilepsie-Tod können sowohl Kinder als auch Erwachsene sterben. Das individuelle Risiko hängt laut der Stiftung, die sich die Aufklärung zur Aufgabe gemacht hat, von der Ausprägung der Epilepsie sowie den persönlichen Lebensumständen ab. Als wichtigste Risikofaktoren gelten neben den schweren toxisch-klonischen Anfällen, Anfälle in der Nacht passieren sowie eine fehlende nächtliche Überwachung.
Das können Betroffene präventiv tun
An Epilepsie Erkrankte können sich durch einige Maßnahmen das Leben erleichtern und sich vor drohenden Anfällen schützen. Der AOK-Bundesverband empfiehlt:
Betroffene können Anfälle vermeiden, indem sie zunächst genau beobachten, in welchen Situationen Anfälle bei ihnen auftreten, zum Beispiel überwiegend zu einer bestimmten Tageszeit oder bei bestimmten Tätigkeiten.
Daneben sollte beobachtet werden, welche Faktoren die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass in bestimmten Situationen ein Anfall auftritt, zum Beispiel Schlafmangel, Alkoholgenuss, Stress oder äußere Reize wie Flackerlicht von Monitoren oder bestimmte optische Muster.
Aus diesen Beobachtungen kann individuell abgeleitet werden, wie man sich angstfrei und ohne zu starke Alltagseinschränkungen so verhalten kann, dass Anfälle möglichst vermieden werden.
Manche Betroffene erleben auch Vorboten eines Anfalls, sogenannte Auren, etwa ein Kribbeln im Arm oder Wahrnehmungsstörungen. Sie können lernen, den beginnenden Anfall durch speziell auf ihre Symptomatik abgestimmte Gegenmaßnahmen frühzeitig einzuleiten.
Das Führen eines Anfallskalenders kann helfen, um möglichen Auslösern auf die Spur zu kommen.
Wichtig ist auch, aus der eigenen Epilepsie kein Geheimnis zu machen, damit Zeugen, zum Beispiel Arbeitskollegen, im Notfall schnell reagieren können.
Das sollten Zeugen eines Anfalls sofort unternehmen
Augenzeugen eines Anfalls müssen schnell reagieren, um dem Betroffenen Hilfestellung zu leisten. Der AOK-Bundesverband rät:
Augenzeugen sollten die Gefahrenquellen, wie scharfkantige Gegenstände oder Möbel, an denen sich der Betroffene verletzen könnte, aus dem Umfeld entfernen.
Es soll nicht versucht werden, den Krampfenden festzuhalten, da sonst Knochenbrüche drohen. Man soll auch nicht versuchen, dem Betroffenen gewaltsam Gegenstände zwischen die Kiefer zu schieben.
Bringe den Betroffenen nach dem Anfall in stabile Seitenlage, kontrolliere, dass er normal atmet, und lasse ihn nicht allein, solange er nicht wieder bei Bewusstsein und voll orientiert ist.
In der Regel enden epileptische Anfälle nach einigen Minuten von allein wieder. Ein Notarzt muss jedoch gerufen werden, wenn der Patient länger als fünf Minuten krampft, wenn sich der Anfall in weniger als einer Stunde wiederholt oder der Patient das Bewusstsein nicht wiedererlangt. Des Weiteren muss sofort ein Notarzt gerufen werden, wenn es durch den Anfall zu einer Verlegung der Atemwege gekommen ist,
Gerade wenn man den Betroffenen nicht kennt, sollte man im Zweifel auf alle Fälle einen Notarzt rufen. Denn es kann genauso gut sein, dass es sich nicht um einen epileptischen Anfall handelt, sondern zum Beispiel um eine schwere Unterzuckerung.
So kann Epilepsie medizinisch behandelt werden
Es steht eine Reihe von Medikamenten zur Anfallskontrolle, sogenannte Antiepileptika oder Antikonvulsivazur, zur Verfügung. Die Auswahl richtet sich insbesondere nach dem Anfallstyp, der individuellen Verträglichkeit und möglichen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.
Die meisten Patienten können mit Medikamenten ein anfallsfreies Leben führen. Wird keine Anfallsfreiheit erreicht, kann ein Medikamentenwechsel oder eine Therapie erforderlich sein. Wenn Medikamente nicht wirken, können mithilfe sogenannter Neurostimulation Strukturen im Gehirn oder dorthin führende Strukturen, wie der Vagusnerv, mit niedriger Stromstärke wiederholt stimuliert werden. Die Häufigkeit der Anfälle kann so abnehmen.
In Ausnahmefällen kann auch geprüft werden, ob das betroffene Areal des Gehirns operativ entfernt werden kann.
Haben Epilepsie-Patienten ein erhöhtes Corona-Risiko?
Eine Ausnahme sieht die DGN bei Patienten, die sich in einer Therapie, die das Immunsystem unterdrückt, befinden. Das ist zum Beispiel notwendig, wenn ein Patient an einer Epilepsie leidet, die durch Autoantikörper ausgelöst wurde. Die Antiautokörper werden zwar in Schach gehalten, das Immunsystem aber auch geschwächt, was es wiederum dem Coronavirus leichter macht, in den Körper einzudringen.
Wenn sich ein Mensch, der an Epilepsie erkrankt ist, mit dem Coronavirus infiziert, besteht laut DNG ein erhöhtes Anfallsrisiko. Der Grund: Fieberhafte internistische Krankheiten erhöhen allgemein das Risiko, so auch die Erkrankung an COVID-19.
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