Krankenversicherung: Das Heinz-Hoenig-Problem - so fallen tausende Deutsche durchs Raster
Autor: Klaus Heimann
Deutschland, Freitag, 26. Juli 2024
Eigentlich müsste jeder Bürger der gesetzlich vorgesehene Krankenversicherung beitreten. Sie ist seit 2009 obligatorisch, auch für Künstler und Selbständige. Doch es gibt immer wieder Fälle, wie der des TV-Stars Heinz Hoenig. Wie kann das sein?
- Wie funktioniert das System der gesetzlich Krankenversicherung?
- Warum gibt es überhaupt Personen ohne Krankenversicherung?
- Wie teuer ist die Krankenversicherung?
- Hast du einen Arbeitgeber macht er die Bürokratie
- Gibt es einen Weg zurück in die Krankenversicherung?
Schauspieler Heinz Hoenig (72) muss sich an der Aorta operieren lassen. Der bekannte 72-jährige Darsteller, bekannt aus "Der große Bellheim", "Die Affäre Semmeling", ist bereits seit mehreren Jahre nicht mehr krankenversichert. Dabei gibt es die gesetzliche Pflicht, dass sich auch Schauspieler versichern müssen. Nun kostet Hoenig jeder Tag auf der Intensivstation rund 3000 Euro - er liegt dort schon länger als 100 Tage. Aus dem Fall Hoenig ergeben sich einige Fragen: Wie funktioniert eigentlich das System der gesetzlichen Krankenversicherung? Warum gibt es offenbar Lücken? Wie teuer ist eine Krankenversicherung? Wie kommst du in das System rein, wenn du draußen bist? Was passiert bei Arbeitslosigkeit?
Wie funktioniert das System der gesetzlich Krankenversicherung?
Das deutsche Sozialsystem ist stolz darauf, dass es keine Bürgerin und keinen Bürger gibt, der ohne Schutz im Krankheitsfall ist. Um dieses Ziel umzusetzen, gibt es für alle mit Wohnsitz in Deutschland die Verpflichtung, zum Abschluss einer Krankenversicherung. Seit 2009 besteht diese ‚Zwangsmitgliedschft‘ - also erst seit 15 Jahren. Geregelt ist das im Sozialgesetzbuch V. Organisiert ist der Krankheitsschutz aktuell in ca. 100 Kassen (die AOK und vielen Ersatzkassen wie die Techniker Krankenkasse (TK), die Barmer, DAK-Gesundheit, KKH Kaufmännische Krankenkasse etc.).
Zu unterscheiden ist zwischen den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und den privaten Krankenkassen (PKV). Die überwiegende Mehrzahl der Erwerbstätigen (88 %) sind Mitglied in einer GKV. Konkret sind das 58 Mio. zahlende und 16 Mio. beitragsfreie mitversicherte Familienangehörige (Ehepartner, Kinder). Die Domäne der PKV ist die Gruppe der Selbständigen, Freiberufler, Beamten (mit Anspruch auf Beihilfe, die noch eine Zusatzversicherung brauchen) und Angestellte mit einem Einkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze (2024: 69.300 Euro). 8,7 Mio. oder 9 % Bürger sind privat versichert. Selbstständige Künstler und Publizisten können, sich über die Künstlersozialversicherung in deren Sozialkasse (Künstlersozialkasse, KSK) versichern. 2024 sind ca. 192.000 Mitglieder der KSK. Das Gegenmodell zu Deutschland ist die USA: dort gibt es keine Krankenversicherungspflicht.
Bleibt die Frage, ob das System in der Praxis auch funktioniert? Der Fall Hoenig lässt daran zweifeln. Und in der Tat: Trotz der Pflicht, eine Krankenversicherung abzuschließen, stellt das Statistische Bundesamt in Wiesbaden im Mikrozensus fest, dass bei weitem nicht alle versichert sind. Im Jahr 2019 waren in Deutschland hochgerechnet offiziell rund 61.000 Personen nicht krankenversichert. Von den Personen ohne Krankenversicherungsschutz waren im Jahr 2019 knapp zwei Drittel Männer. Selbstständige sowie Erwerbslose hatten besonders häufig keinen Krankenversicherungsschutz.
Warum gibt es überhaupt Personen ohne Krankenversicherung?
Die offizielle Zahl von 61.000 Personen ohne Krankenversicherung ist aber nur die Untergrenze. Der Gesundheitsökonom Prof. Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen schätzt im Deutschen Ärzteblatt, dass in Deutschland zwischen einer halben und einer Million Menschen keine Krankenversicherung haben (Wohnungslose, insolvente Einzelpersonen, die ihre Krankenversicherungsbeiträge nicht bezahlen können). Einige Zehntausende oder eine Million - ein gewaltiger Unterschied.
Hinzu kommt, dass viele Versicherten ihre monatlichen Beiträge nicht bezahlen und damit Schulden bei den Versicherungen anhäufen. Sie haben aber keine Kündigung zu befürchten. "Die Kündigung einer bestehenden gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung durch die gesetzliche Krankenkasse beziehungsweise das private Versicherungsunternehmen, ohne dass eine andere Form der Absicherung im Krankheitsfall zur Verfügung steht, ist wegen der Versicherungspflicht in Deutschland rechtlich grundsätzlich nicht möglich" erklärte das Bundesgesundheitsministerium (BGM) gegenüber dem Ärzteblatt.de.