Kommt 2023 eine Impfung gegen Krebs? Ein Arzt erklärt, für welchen Krebs das möglich werden könnte
Autor: Bianca Bonacci
Deutschland, Dienstag, 08. Februar 2022
Die Corona-Pandemie hat mRNA-Impfstoffe weltweit bekannt gemacht, dabei stammt diese Technologie aus der Krebsforschung. Aktuelle Studien an mRNA-Krebs-Impfstoffen geben Hoffnung.
- Wie funktioniert die mRNA-Technolgie?
- Was hat COVID-19 mit der Entwicklung von mRNA-Impfstoffen gegen Krebs zu tun?
- Welche Tumoren könnten behandelt werden?
- Wann kommt die Impfung gegen Krebs?
Die Abkürzung mRNA (messenger ribonucleic acid) oder Boten-RNA war vielen Menschen vor Auftreten des neuartigen Coronavirus gänzlich unbekannt. Die mRNA-Impfstoffe haben jedoch in der Corona-Pandemie enorm an Bedeutung gewonnen. Allerdings wird die mRNA-Technologie schon seit mehreren Jahrzehnten zur Behandlung von Krebs getestet. Welche neuen Möglichkeiten bietet dieses Verfahren und welchen Herausforderungen müssen sich Forschende stellen? Professor Dr. med. Dirk Arnold ist einer der federführenden Onkologen einer aktuellen Biontech-Studie gegen Dickdarmkrebs und erklärt die Hintergründe.
Erforschung der mRNA-Technolgie
Bereits Ende der 1980er Jahre entwickelten Wissenschaftler*innen die Idee für einen mRNA-Impfstoff. Sie fanden heraus, dass man mit dieser Technologie menschlichen Zellen den genetischen Bauplan für bestimmte Eiweiße injizieren kann. Dadurch beginnen die Zellen damit, Antigene (körperfremde Stoffe) zu produzieren und diese werden dem körpereigenen Immunsystem präsentiert. Daraufhin kann der Körper mit der Produktion von Antikörpern gegen diese speziellen Antigene beginnen und sie bekämpfen.
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Diese bereits 30 Jahre alte Forschung stellte die Grundlage für die Corona-Impfstoffe dar, sodass sie innerhalb weniger Monate entwickelt, getestet und produziert werden konnten. Trotzdem sollte nicht vergessen werden, dass insgesamt hunderte Forscherinnen und Forscher in den vergangenen 30 Jahren damit beschäftigt waren, die Entwicklung von mRNA-Impfstoff voranzutreiben. Nun können sich Forschende wieder ihrem ursprünglichen Ziel widmen: der Entwicklung eines Impfstoffes gegen Krebs. Rein chemisch betrachtet unterscheidet sich die mRNA nur unwesentlich von der DNA (Desoxyribonukleinsäure), auf der sich unsere Gene mit wichtigen Informationen für die Zellfunktionen befinden. Die DNA enthält sozusagen die Bauanleitungen für sämtliche Proteine, die der Körper benötigt. Wenn jetzt ein bestimmtes Protein produziert werden soll, wird ein Teil des genetischen Codes aus dem Zellkern kopiert - eine mRNA entsteht. Diese mRNA ist somit der "Postbote", der den Bauplan für das Protein übermittelt.
Die mRNA-Technologie macht sich diese Postboten-Funktion zunutze. Sie verpackt die Erbinformation bestimmter Proteine, die z.B. auf der Oberfläche von Viren sitzen, in eine mRNA. Diese mRNA wird in eine Nano-Lipidhülle eingeschlossen, da sie sonst bei Eindringen in den Körper sofort zerfallen würde. Diese Hülle kann man sich wie eine Ansammlung künstlicher Fetttröpfchen vorstellen. Die jetzt verpackte mRNA wird mittels einer Impfung in den Körper injiziert, wobei die Lipidhülle die mRNA schützt und beim Eindringen in die Zelle behilflich ist. Innerhalb der Zelle entlässt die Hülle die mRNA durch chemische Prozesse und die Produktion der benötigten Proteine kann beginnen. Wichtig zu wissen: mRNA kann nicht in die DNA einer Zelle eingebaut werden und wird relativ schnell vom Körper abgebaut. Eine Veränderung des Erbguts kann damit nicht stattfinden.
Was hat COVID-19 mit der Entwicklung von mRNA-Impfstoffen gegen Krebs zu tun?
Der Durchbruch der Covid-Impfstoffe hat bei der Entwicklung von mRNA gegen Krebs enorm weitergeholfen. Zahlreiche klinische Studien und Daten aus millionenfachen Impfungen haben hier wichtige Erkenntnisse hinsichtlich Nebenwirkungen und Verträglichkeit hervorgebracht. Diese können jetzt der Entwicklung innovativer Krebstherapien zugutekommen. Die Idee dahinter ist, dass das Immunsystem von krebskranken Menschen mithilfe von mRNA-Impfstoffen lernen kann, bestimmte Eiweiße von Tumorzellen als fremd zu erkennen. Krebszellen, die der Körper bisher übersehen hat, könnten somit abgetötet werden. Denn tagtäglich entstehen in jedem menschlichen Körper Vorläufer von Krebszellen, zum Beispiel durch Mutationen, die im Laufe der Zellteilungsprozesse auftreten. Normalerweise ist das Immunsystem in der Lage, solche Zellen als fremd zu erkennen und zu zerstören. Manche Krebsvorläuferzellen sind jedoch sehr geschickt darin, sich zu tarnen und dem Immunsystem zu entkommen. Hier kann eine Impfung das Immunsystem gezielt unterstützen.
Laut Prof. Arnold muss die mRNA-Impfung gegen Krebs einen anderen Ansatz verfolgen, als es bei den mRNA-Impfstoffen gegen das neuartige Coronavirus der Fall war. Denn ein Virus dringt von außen in den Körper ein. Bei einer Krebsimpfung sollen hingegen körpereigene Strukturen abgetötet werden, nämlich entartete Zellen. Es muss also genau erfasst werden, welche Informationen dem Immunsystem mit der Impfung präsentiert werden müssen, damit die Krebszellen auch als solche erkannt werden.