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Hoffnungsvolle Studie: Wie herzkranke Menschen von der mRNA-Technologie profitieren sollen


Autor: Bianca Bonacci

Deutschland, Freitag, 11. Februar 2022

Die mRNA-Technologie, bekannt durch die Corona-Impfung, könnte in naher Zukunft die Therapie von Herzkrankheiten verbessern. Das Fachmagazin Science veröffentlichte hierzu eine vielversprechende Studie.
Bisher gibt es keine Therapie gegen Herzfibrose.


  • Was versteht man unter mRNA-Technologie?
  • Welche Ergebnisse erbrachte die Studie?
  • Wie könnten Herzkranke von den Studienergebnissen profitieren?

Die mRNA-Technologie hat bei den Corona-Impfstoffen weltweit große Erfolge erzielt. Daneben wird schon seit über 30 Jahren an der Möglichkeit geforscht, dieses Verfahren auch in der Krebstherapie einzusetzen, um die bisherigen Behandlungsverfahren zu unterstützen. Neuere Forschungen nehmen die Behandlung von Infektionskrankheiten ins Visier, aber grundsätzlich ist das Verfahren auch bei anderen Erkrankungen nutzbar. Zurzeit laufen intensive Forschungen an der Behandlungen von Herzerkrankungen, wie zum Beispiel der Herzfibrose, wie das Fachmagazin Science berichtet. 

Was versteht man unter mRNA-Technologie?

In der Bezeichnung mRNA oder messenger RNA ist die Funktion bereits enthalten. Messenger bedeutet so viel wie Bote und genau das macht eine mRNA - sie überbringt Botschaften. Um den Mechanismus dahinter besser zu verstehen, ist ein tiefer Blick in das Innere einer Zelle erforderlich. Im Zellkern, dort wo alle Baupläne für sämtliche Proteine (Eweiße) in der DNA (Desoxiribonukleinsäure) gespeichert sind, befindet sich auch die mRNA. Aber es werden nicht immer alle Proteine zur gleichen benötigt. Und hier kommt die mRNA ins Spiel. Denn immer, wenn ein Protein gebildet werden muss, wird der Teil auf der DNA kopiert, der den Bauplan für dieses Protein enthält und in mRNA umgeschrieben. Mit dem Bauplan im Gepäck verlässt die mRNA nun den Zellkern und überbringt die Anleitung den Ribosomen. Diese arbeiten wie eine große "Proteinfabrik", denn hier werden die Informationen auf der mRNA abgelesen und in Aminosäuren übertragen, aus denen letztendlich jedes Protein besteht. 

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Dabei ist eine Eigenschaft der mRNA besonders wichtig für die Wissenschaft. Sie zerfällt innerhalb weniger Minuten bis Stunden und wird wieder abgebaut. Sie verbleibt also nur solange im Körper, bis sie ihre Botenfunktion erfüllt hat. Impfstoffhersteller haben mRNA künstlich im Labor erzeugt, um zum Beispiel die Baupläne für das Spike-Protein, das sich auf der Oberfläche des neuartigen Coronavirus befindet, in den Körper einzuschleusen. Hierdurch bekam das Immunsystem einen "Feind" präsentiert, für den es dann eine gezielte Immunantwort erstellen konnte. 

Wie könnte die mRNA-Technologie die Behandlung der Herzfibrose verbessern?

Seit wenigen Jahren wird die sogenannte CAR-T-Zell-Therapie bei der Behandlung bestimmen Krebsarten wie Leukämie oder bei Lymphomen wie dem Multiplen Myelom eingesetzt. Bei diesem Verfahren werden erkrankten Menschen in einem ersten Schritt T-Zellen entnommen. Dies sind weiße Blutzellen (Lymphozyten), die im Immunsystem wichtige Aufgaben übernehmen. Dann folgt im Labor eine gentechnische Aufbereitung, sodass die T-Zellen einen bestimmten Rezeptor tragen, der als Chimärer Antigen-Rezeptor (CAR) bezeichnet wird. Dieser Rezeptor richtet sich auf krebsspezifische Oberflächenproteine und kann sie identifizieren. Mittels Bluttransfusion werden die CAR-T-Zellen dann zurück in den Körper geschleust, um ihre "Arbeit" zu verrichten. Diese besteht darin, mithilfe des Rezeptors nach Krebszellen zu fahnden und diese zu zerstören. Meist wird diese Therapie nach einer Chemotherapie eingesetzt, um eventuell noch vorhandene Krebszellen zu vernichten.

Grundsätzlich wäre diese Technik auch bei anderen Erkrankungen einsetzbar, wie zum Beispiel bei Herzfibrose. Bei dieser Erkrankung kommt es zu Versteifung und Narbenbildung von Herzgewebe. Eine Herzfibrose kann nach einem Herzinfarkt, bei einem Herzklappenfehler oder bei Bluthochdruck auftreten und zu einer Herzschwäche (Herzinsuffizienz) führen, die tödlich enden kann. Verletztes Herzgewebe wird hierbei durch Bindegewebszellen (Fibroblasten) ersetzt, was dazu führt, dass das Herz sich zunehmend versteift und sich nicht mehr richtig ausdehnen und zusammenziehen kann. Bisher gibt es keine Therapie für diese häufige Erkrankung. Mittels der CAR-T-Zell-Therapie könnten T-Zellen mit einem entsprechenden Rezeptor ausgerüstet werden, der die aktivierten Fibroblasten erkennt und zerstört, damit eine Fibrose verhindert wird.

Die CAR-T-Zell-Therapie bringt jedoch auch einige Nachteile mit sich. Es ist zum einen mit großem Aufwand verbunden, die Zellen zu entnehmen, zu verändern und wieder in den Körper zu verbringen. Außerdem überleben die veränderten CAR-T-Zellen mehrere Monate bis Jahre im Körper und vernichten dabei immer mehr Zielzellen. Was in der Krebsmedizin durchaus erwünscht ist, bringt bei der dauerhaften Eliminierung von Fibroblasten Probleme mit sich. Denn sie spielen unter anderem eine wichtige Rolle bei der Wundheilung. Damit die CAR-T-Zell-Therapie effektiver bei der Behandlung einer Herzfibrose eingesetzt werden kann, könnte sie mit der mRNA-Technolgie kombiniert werden. Forschende haben hierzu eine Studie veröffentlicht.

Welche Ergebnisse erbrachte die Studie?

Ziel der Studie, die im Fachmagazin Science im Januar 2022 veröffentlicht wurde, war die Entwicklung eines therapeutischen Ansatzes zur Behandlung der Herzfibrose. Es sollte gezeigt werden, dass eine experimentelle Immuntherapie die Immunzellen von Patienten vorübergehend umprogrammieren kann, um Bindegewebszellen des Herzens anzugreifen. Ein Forscherteam um Joel Rurik aus den USA testete das Verfahren im Mausmodell.

Die Forschenden erstellten eine mRNA, die von einer Nano-Lipidhülle umschlossen wurde. Diese Fetthülle schützt die mRNA, die bei Eindringen in den Körper sofort zerfallen würde und hilft beim Eindringen in die T-Zellen. Die mRNA enthielt die Information zur Herstellung eines Chimären-Antigen-Rezeptors (CAR), der eine bestimmte Struktur (Antigen) auf der Oberfläche der aktivierten Fibroblasten erkennen konnte.

Mittels einer Injektion wurde diese mRNA nun in den Körper der Tiere gespritzt und von T-Zellen aufgenommen. Die Zellen wurden nun mittels der mRNA so umprogrammiert, dass sie selbst den Chimären-Antigen-Rezeptor oder CAR produzierten. Somit konnten die T-Zellen vorübergehend die erkannten Fibroblasten zerstören. 

Welche Ergebnisse wurden beobachtet?

Erste Umprogrammierungen der T-Zellen konnten die Forschenden schon nach 48 Stunden nachweisen und 14 Tage später war eine Verbesserung der Herzfibrose bei den Mäusen feststellbar. Außerdem hatten sich Größe und Funktion des Herzens gebessert. Ebenfalls positiv war der Befund, dass eine Woche nach der Behandlung keine FAPCAR-T-Zellen mehr im Rückenmark der Tiere zu finden waren, die die Fibroblasten zerstören sollten. Hierdurch war der Beweis erbracht, dass die umprogrammierten T-Zellen nur vorübergehend im Körper verbleiben. Allerdings berichteten die Forschenden auch, dass die Dosierungsstrategien weiter optimiert werden müssten. 

Die Kombination der mRNA-Technologie mit der CAR-T-Zell-Therapie bringt demnach entscheidende Vorteile mit sich:

  1. Die T-Zellen können direkt im Körper produziert werden und müssen nicht erst entnommen und aufbereitet werden. 
  2. Die Umprogrammierung der T-Zellen erfolgt nur über einen überschaubaren Zeitraum, sodass die normale Funktion der Fibroblasten erhalten bleibt und beispielsweise die Wundheilung nicht gefährdet wird. 
  3. Trotz der kurzen Aktivität konnte eine große Population von T-Zellen erfolgreich umprogrammiert werden. Dies führte zu einer erheblichen Verringerung der Herzfibrose bei den Tieren und zu einer Wiederherstellung der fast normalen Herzgröße und -funktion.

Wie könnten Herzkranke von den Studienergebnissen profitieren?

Obwohl die Studienergebnisse sehr positiv ausgefallen sind, gibt es noch Verbesserungspotential. Dies betrifft insbesondere die Dosierbarkeit, die eine klinische Anwendung erst ermöglichen würde. Zudem müssen die generelle Verträglichkeit geprüft, überschießende Immunreaktionen ausgeschlossen und die infrage kommende Patientengruppe bestimmt werden. Vor dem Hintergrund könnten erste Studien am Menschen eventuell in den nächsten fünf Jahren möglich sein.

Den Studienergebnissen wurde in Fachkreisen große Beachtung geschenkt. Dadurch dass die CAR-T-Zellen vom Körper selbst erzeugt werden, sind große Anlagen für die Zellherstellung nicht mehr notwendig. Somit können auch kleinere Behandlungszentren Behandlungen anbieten.

Durch die vorübergehende Aktivität der innerhalb des Körpers erzeugten CAR-T-Zellen, wird ein gravierendes Problem gelöst, dass labortechnisch hergestellte CAR-T-Zellen mit sich bringen. Somit tritt das Problem nicht mehr auf, dass die CAR-T-Zellen zu lange im Körper überleben und bei künftigen Verletzungen die Wundheilung behindern könnten. Zudem werden durch die kurze Verweildauer mögliche Nebenwirkungen reduziert.

Auf lange Sicht gesehen, könnten durch mRNA auch andere Zelltypen umprogrammiert werden und somit auch die Behandlung weiterer Krankheiten ermöglichen. Hierzu zählen zum Beispiel auch Leber- oder Lungenerkrankungen sowie Nierenversagen, die ebenfalls auf einer Fibrose basieren. 

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