Erstaunlich: Pygmalion-Effekt - so bekommst du, was du erwartest
Autor: Evelyn Isaak
Deutschland, Montag, 10. Januar 2022
Der Pygmalion-Effekt ist ein Phänomen aus der Psychologie. Dabei geht es um den Einfluss, den die Erwartungshaltung des Einen auf das Verhalten eines anderen hat.
- Erklärung des Pygmalion-Effekts
- Studien hinter dem Phänomen
- Der Mythos des "Pygmalion"
- Erklärung auf neurologischer Ebene
- Unterformen des Effektes
Es ist ganz natürlich, dass man anderen Personen gegenüber eine bestimmte Haltung einnimmt. Diese Haltung folgt aus gewissen Erwartungen, die man an das Gegenüber hat. Inwiefern nun deine eigene Erwartungshaltung eine Rolle für das Verhalten der anderen spielt, versucht der Pygmalion-Effekt zu erläutern.
Der Pygmalion- Effekt: eine Erkärung des Phänomens
Mithilfe eines einfachen Tricks erreichen können, was man möchte, klingt im ersten Moment viel zu schön, um wahr zu sein. Doch genau dabei geht es bei diesem psychologischen Effekt: Durch die eigene Erwartungshaltung soll das Verhalten anderer so beeinflusst werden, dass man erreichen kann, was man möchte. Mit der Erwartungshaltung wird in der Psychologie eine Annahme beziehungsweise Antizipation beschrieben, die sich auf ein zukünftiges Ereignis bezieht. Je nachdem, wie du deine eigene Haltung also anpasst und veränderst, sollst du im Folgeschluss also bewirken können, dass dein Gegenüber sein Verhalten dieser Erwartung entsprechend ebenfalls verändert.
Video:
Dabei geht es grundlegend um eine Art "Prophezeiung": Je nachdem, mit welchen Erwartungen man auf sein Gegenüber zugeht, soll sich dies auch auf seine Haltung, sein Verhalten und seine Leistungen auswirken. Alternativ wird der Pygmalion-Effekt auch oft als Rosenthal-Effekt oder Versuchsleiter-Erwartungseffekt beschrieben. Zudem wird in der Psychologie oft auch von einem "Verzerrungseffekt" gesprochen, der immer dann auftritt, wenn beispielsweise bei einer Studie das Verhalten eines Versuchsleiters einen erheblichen Einfluss auf das Verhalten der Testpersonen hat. Das Phänomen geht auf eine Untersuchung zweier Sozialpsychologen zurück, die in den späten Sechzigerjahren durchgeführt wurde.
Bei jeglichen weiteren Untersuchungen und Studien zu dem psychologischen Effekt ist die Ausgangssituation, dass eine Autoritätsperson, wie ein Lehrer oder ein Arbeitgeber, eine subjektive, voreingenommene Position gegenüber den Schülern oder den Arbeitern einnimmt; ist diese stark positiv, kann anschließend auch ein aufsteigender Erfolg der Schüler oder Arbeiter beobachtet werden. Sicherlich hast du den Pygmalion-Effekt selbst auch schon einmal im Alltag in der Schule oder in der Arbeitswelt bemerken können. Neben diesen Bereichen hat der Effekt aber auch Auswirkung auf typische Eltern-Kind-Gespräche, Arzt-Patienten-Gespräche oder ähnlichen Situationen. Er kann dabei nicht nur positiv-bestärkend wirken, sondern kann auch einen negativen Effekt haben: Gehst du mit einer stark negativen Erwartungshaltung auf dein Gegenüber zu, kann dies auch entsprechend eine demotivierende Wirkung auf ihn haben.
Studien hinter dem Effekt
Die Sozialpsychologen Robert Rosenthal und Leonore Jacobson führten im Jahr 1966 ein Experiment durch.Dabei wurde allem voraus ein IQ-Test an einer Grundschule durchgeführt. Anschließend wählten sie einige Kinder per Zufall aus: Den Lehrern wurde mitgeteilt, dass sich diese in dem nächsten Jahr kognitiv herausragend entwickeln würden und großartige Fortschritte machen würden. Nach Ablauf des Jahres wurde ein weiterer Intelligenztest durchgeführt, der zeigte, dass die Schüler sich tatsächlich verstärkt intellektuell ausgebildet hatten. Folglich wurde die These gebildet, dass sich die Erwartungshaltung der Lehrer gegenüber den Schülern erheblich auf deren Leistung auswirken kann: Der Pygmalion-Effekt wurde erstmals konkret formuliert.
Nach dem Ursprungsexperiment gab es zahlreiche weitere Studien, die denselben Effekt beobachteten. Eine beispielhafte Studie stammt von Lee Jussim und Kent Harber. Bei den Folgestudien wurden vor allem Grundschulklassen untersucht, da festgestellt wurde, dass der Pygmalion-Effekt besonders bei jüngeren Kindern verstärkt beobachtet werden kann. Ähnlich wie bei der Studie aus den Sechzigerjahren wurde bei den nachfolgenden Studien bemerkt, dass Lehrer nicht nur bewusst, sondern häufig auch unterbewusst diejenigen Schüler, von denen sie eine hohe intellektuelle Entwicklung erwarten, stärker unterstützen. Dies meint beispielsweise das Anlächeln dieser Schüler, das Loben oder einen häufigeren Augenkontakt. Die daraus resultierende höhere Leistung dieser Schüler im Vergleich mit den anderen Schülern zeigt wieder die Wirkung des Pygmalion-Effektes: Die Erwartungshaltung der Lehrer kann die tatsächliche Leistung der Schüler aktiv beeinflussen.